Keine Fernwärme für eines der ältesten Häuser Lünens Nur wenige Meter weiter liegt ein Anschluss

370 Jahre altes Haus in Lünen soll nicht ans Fernwärmenetz
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Es hat zwei Weltkriege und zahlreiche Unwetter überstanden. Das Haus mit der Nummer 93 in der Mauerstraße in Lünen steht dort seit über drei Jahrhunderten. Es ist eines der ältesten freistehenden Häuser der Stadt und wurde 1651 errichtet. Einige Verzierungen und Inschriften aus der damaligen Zeit sind noch erhalten geblieben. Wenn die Wände und Holzbalken des Hauses sprechen könnten, hätten sie wohl viel zu erzählen.

Damit die Geschichte des Hauses weitergeschrieben wird und nicht irgendwann endet, müssen Anpassungen vorgenommen werden. Das betrifft in der Gegenwart insbesondere die Frage danach, wie das Haus beheizt wird. Eigentümer des denkmalgeschützten Hauses ist Thomas Reuß, der ehemalige Caterpillar-Geschäftsführer hat es 2019 gekauft und anschließend für einen sechsstelligen Betrag saniert. Er sagt: „Eine Wärmepumpe wäre unwirtschaftlich, und wenn das Haus unwirtschaftlich wird, steht es leer und verfällt."

Gebäudeenergiegesetz

Aktuell wird das Haus mit Gasheizungen betrieben, dazu steht wenige Meter hinter der Eingangstür im Flur ein Kamin. Wo liegt also das Problem? Die Bundesregierung möchte die Energiewende einleiten und ab dem 1. Januar 2024 das Gebäudeenergiegesetz einführen, wonach jede neu installierte Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss.

Bei der Gasheizung ist das nicht der Fall. Auch eine Wärmepumpe könne an dem Haus nicht installiert werden, sagt Reuß. „Es mangelt an Platz und die Fassade steht unter Denkmalschutz." In der Tat ist der Garten ziemlich klein, der mit Steinen bepflasterte Spalt hinter dem Haus ebenso. Unabhängig davon böte das Haus auch nicht die optimalen Voraussetzungen für eine effiziente Wärmepumpen-Installation. Das Haus sei energiehungrig, sagt Reuß. Es müsse laut den Vorschriften die Einfachverglasung behalten, da es innen und außen unter Denkmalschutz stehe. Eine Dämmung sei somit nicht möglich.

Die Rückseite des Fachwerkhauses in der Mauerstraße 93.
Auch hinter dem Haus ist kein Platz für eine Wärmepumpe. © Benedikt Iwen

Warum dann nicht einfach noch schnell eine neue Gasheizung kaufen? So machen es derzeit viele Eigenheimbesitzer. Für Reuß kommt das noch nicht in Frage. „Wir möchten das Haus zukunftsfest machen. Alle haben das gleiche Problem und müssen weg vom Gas. Ich will nicht in ein altes System investieren."

Deswegen würde er sein Haus gerne am Fernwärmenetz der Stadtwerke Lünen sehen. „Wer das Fernwärmenetz der Stadtwerke Lünen nutzt, profitiert von den Vorteilen einer besonders einfachen und umweltfreundlichen Wärmeversorgung", heißt es auf der Stadtwerke-Website. Weiter steht dort, das Wärmenetz würde seit 1968 betrieben und umfasse inzwischen eine Gesamtlänge von 44 Kilometern. Der überwiegende Anteil der Wärme werde umweltschonend aus Restwärme der Stromproduktion erzeugt.

Jasmin Teuteberg, Pressesprecherin der Stadtwerke Lünen, teilt auf Anfrage mit, dass aktuell 626 Häuser mit Wärme versorgt würden. „Es würde Sinn machen, das ganze alte Quartier ans Fernwärmenetz anzuschließen“, sagt Reuß. Schließlich stehen dort mehrere denkmalgeschützte Fachwerkhäuser, bei denen die Situation sich ähnelt. Wie auf der Übersichtskarte der Stadtwerke zu erkennen ist, sind die anderen beiden Straßen des Quartiers, die Silberstraße und der Roggenmarkt, bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen. Nur die Mauerstraße nicht. Und das, obwohl der Anschluss so nahe wäre, nur wenige Meter von der Haustür entfernt, auf der Lange Straße.

Laut Teuteberg sei der Bereich der Mauerstraße in der Übersichtskarte korrekt dargestellt. Die Wärmeleitung in der Silberstraße habe das Baujahr 1980 und im Roggenmarkt bestünde die Wärmeleitung bis zur Hausnummer 11 seit 1986. Rückblickend könne es sein, dass zum damaligen Zeitpunkt seitens der Anwohner kein ausreichender Bedarf bestand, auf Fernwärme umzustellen.

Schon als Reuß das Haus kaufte und sanieren ließ, habe er sich mit den Stadtwerken in Kontakt gesetzt und um ein Angebot gekümmert. „Das war aber viel zu teuer. Es muss ein marktgerechter Preis sein. Das war ein Abwehrangebot." Das Fernwärmenetz sei im Innenstadtraum die Zukunft und die Lösung, damit die Energiewende gestemmt werden könne. Diese werde aber auf die Hausbesitzer abgedrückt, die es nicht allein leisten könnten.

„Konkurrierende Versorgung sinnlos“

Er ließ nicht nach und blieb mit den Stadtwerken in Kontakt. Noch am 30. März schrieben diese ihm, dass die Ausbauplanung derzeit bearbeitet werde, sich aber zunächst um die Errichtung neuer Fernwärmeanschlüsse innerhalb des bestehenden Netzes gekümmert werde. Wann im Bereich des Alten Quartiers eine Netzerweiterung erfolge, sei noch nicht absehbar.

Das bestätigte die Pressesprecherin der Redaktion und teilte weiter mit: „Die gesetzliche Regelung zum Konzept zur kommunalen Wärmewende sieht bei Kommunen unter 100.000 Einwohnern vor, dass dieses bis Ende 2028 erstellt sein muss." Allerdings könne es auch durchaus der Fall sein, dass das Konzept keinen Wärmeausbau in der Mauerstraße vorsieht. Da die Mauerstraße mit Erdgas versorgt ist, mache eine „konkurrierende leitungsgebundene Versorgung" vor dem Hintergrund der zukünftigen Wärmeplanung keinen Sinn.

Hausbesitzer Reuß hält dagegen: Aufgrund des Kraftwerks habe Lünen die nötige Infrastruktur, das sei nicht überall der Fall, sagt er. „Lünen hat eine komfortable Ausgangsposition, die genutzt werden muss. Es müsste nur erweitert werden."

Haus vermietet

Er selbst wohnt nicht mehr in Lünen, sondern inzwischen in Düsseldorf und arbeitet in Köln. In dem Haus wohnt seit November 2021 Bernd Ebmeier mit seiner Frau zur Miete. Er unterstützt seinen Vermieter in dem Vorhaben, auf Fernwärme umzusteigen. Einerseits aus möglichen finanziellen Aspekten, aber auch aus Umweltbewusstsein.

Als sie dort eingezogen sind, hätten sie zwei Autos gehabt. „Jetzt haben wir nur noch ein Cabrio, das in der Tiefgarage auf gutes Wetter wartet", scherzt er. Weil die Innenstadt nur wenige Meter entfernt und die Anbindung gut ist, würden sie inzwischen das meiste mit dem Fahrrad erledigen.

Im Flur des Hauses ist ein Kamin in der Wand angebracht.
Im Flur des Hauses steht ein Kamin, der jedoch nicht jedes Zimmer ausreichend mit Wärme versorgt. © Benedikt Iwen

Vom finanziellen Gesichtspunkt aus wäre die Beheizung durch Fernwärme - aktuell zumindest - nicht unbedingt günstiger, das glaubt auch sein Vermieter. Reuß sagt: „Fernwärme ist ungefähr gleich teuer. Das ist eher eine Frage der Philosophie. Seit dem Krieg gehen die Preise kreuz und quer."

„Fernwärme ist aber stabiler, weil man weiß, dass die Versorgung immer da sein wird", erklärt Ebmeier seine Sicht. Im Winter sei es in dem Haus hin und wieder kalt gewesen, weil er aufgrund der Preise vorsichtiger mit dem Gebrauch der Gasheizung umgegangen sei. Den Kamin benutze er auch bei Bedarf, jedoch würde die Wärme sich nicht in jeden Raum verteilen. Das Heizen mit Holz ist aber auch nicht viel umweltfreundlicher, darüber hinaus habe er auch nicht genügend Platz, um Brennholz auf Vorrat zu lagern.

Noch fühlt er sich in dem Haus wohl und würde auch gerne dort wohnen bleiben. Je nachdem wie sich die Gesetzeslage und die Gaspreise entwickeln, kann sich das aber künftig auch schnell ändern. Ebmeier: „Wenn die Kosten irgendwann so hoch sind, dass man nur noch für die Miete arbeitet, wird man sich vielleicht schon Gedanken machen, ob man nicht den Standort wechselt."

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