
© Matthias Stachelhaus (A)
„Kein Wunschzustand“: Lüner Schulleiter bemängelt enge Personaldecke
Schulen
Lehrermangel ist vielerorts ein großes Thema. In Lünen ist die Situation an den Schulen noch relativ entspannt. Verbesserungswünsche seitens der Schulleiter gibt es trotzdem.
In Deutschland gibt es einen massiven Lehrermangel. Das geht aus einer Untersuchung des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), hervor, die im Januar 2022 veröffentlicht wurde. Sie besagt: Bis 2030 fehlen bundesweit mindestens 81.000 Lehrkräfte.
Im März veröffentlichte das Landes-Statistik-Institut IT.NRW folgende Zahlen: „Im Prüfungsjahr 2020 haben 6794 Studierende ein Lehramtsstudium (Master of Education oder Staatsexamen Lehramt) an einer Hochschule in Nordrhein-Westfalen erfolgreich absolviert. Sie haben damit die Befähigung für den Vorbereitungsdienst (Referendariat) erhalten. Zehn Jahre zuvor lag die Zahl der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen noch bei 7862.“ Somit gab es schon 2020 14 Prozent weniger Lehramts-Absolventen als noch 2010.
Stand der Dinge
Auch in Lünen ist das ein Problem. Wenn auch nur bedingt: Laut der Bezirksregierung in Arnsberg ist zum Stichtag 1. Mai lediglich der Personalbedarf an den Förderschulen gedeckt. Für die Gesamtschulen liegt die Personalausstattungsquote bei 99 Prozent, für die Gymnasien bei 97 Prozent und für die Realschulen bei 95 Prozent. Am personell schlechtesten ausgestattet sind mit jeweils 94 Prozent das Berufskolleg, die Hauptschulen sowie die Grundschulen.
Wie viele Stellen jeweils faktisch fehlen, legt die Bezirksregierung nicht dar. Auch nicht, wie viele der Stellen mit fertig ausgebildeten Lehrern und wie viele mit Studierenden oder Seiteneinsteigern besetzt sind. An Grundschulen ist ein Seiteneinstieg, für den man kein Lehramt vorweisen muss, für die Fächer Musik, Kunst, Sport und Englisch möglich. Vertretungs-, also befristete Stellen können außerdem an allen Schulen auch von Studierenden aller Fachrichtungen oder Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung besetzt werden.
„Grundsätzlich stellen wir fest, dass der Kreis Unna, was feste Stellen betrifft, durchaus von Interesse zu sein scheint“, kommentiert Bettina Riskop, Schulamtsdirektorin für den Kreis Unna. Nach dem jüngsten Ausschreibungsverfahren sei für die Grundschulen in Lünen lediglich eine Stelle eines Sonderpädagogen unbesetzt geblieben. Das sei wahrscheinlich der Nähe zu den Universitätsstädten Dortmund und Münster geschuldet. In anderen, ländlicheren Bezirken sehe die Ausstattungsquote ganz anders aus. „Ein Lehrermangel ist da, aber wir haben die durchaus positive Erfahrung gemacht, dass wir Stellen auch schnell besetzt bekommen“, so Riskop. „Und wenn man auf die Vertretungsstellen schaut, gibt es den Wunsch nach mehr ausgebildeten Lehrkräften.“

Iris Lüken, Sprecherin der Grundschulen, hofft darauf, dass das Bild des Lehrers in der Gesellschaft wieder positiver besetzt ist. Denn dann würden wieder mehr junge Leute Lehramt studieren. © Schulz-Gahmen (A)
Lage an Lüner Schulen
Ähnliches kommunizieren auch Lüner Schulleiter. Dabei gehen sie in ihrer Betrachtung allerdings über die reine Personalausstattungsquote hinaus. „Seit einiger Zeit ist ein Trend zu bemerken, dass es immer weniger ausgebildete Lehrkräfte gibt“, legt Iris Lüken, Rektorin an der Osterfeldschule und Sprecherin der Lüner Grundschulen, dar. Zu der Tatsache, dass es an Lüner Grundschulen viele Seiteneinsteiger oder Studierende gibt, die unterrichten, sagt sie: „Natürlich fehlt das pädagogische Studium unter Umständen und es wäre schon schön, wenn wir eine Schule mit Lehrern bestücken könnten. Aber ich bin sehr froh, dass wir die Fächer unterrichten können.“
Am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium sind derzeit alle Stellen besetzt und das nahezu vollständig mit ausgebildeten Lehrkräften. Nur im Falle eines Musiklehrers handelt es sich um einen Seiteneinsteiger. „Aber das Personalkarussell dreht sich immer. Zum Glück konnten wir entstandene Löcher bisher immer mit Vertretungslehrern oder teilweise auch mit Mehrarbeit stopfen“, kommentiert Schulleiter Wilhelm Böhm. „Die Sorge besteht eher darin, dass die Personaldecke immer dünner wird.“ Sprich, dass die 100-prozentige Personalausstattungsquote von zahlenmäßig immer weniger Lehrkräften erfüllt werden muss. „Das ist natürlich nicht der Wunschzustand eines Schulleiters.
Benjamin Müller, Leiter der Ludwig-Uhland-Realschule sagt: „Besser geht immer, aber wir können uns nicht beklagen. Bisher haben wir angesichts der seit Jahren rückläufigen Bewerberzahlen immer Glück gehabt.“ Und wenn es mit den Bewerbern nicht klappte, habe er versucht, Kräfte aus dem Kollegium gerade für „Mangelfächer“ wie Erdkunde, Informatik oder Französisch „fit“ zu machen.
Lösungsideen
Corona und jetzt die geflüchteten Kinder aus der Ukraine - das brachte und bringt die Lehrer an den Rand ihrer Kapazitäten, heißt es aus den Schulen. Was den Soll-Wert an Lehrkräften betrifft, sei die Berechnungsgrundlage extrem knapp bemessen. Ideen, wie dem Lehrermangel, oder besser der -knappheit, entgegengewirkt werden könnte, haben derweil alle Schulleiter. Benjamin Müller fordert beispielsweise, dass alle Lehrer, egal ob ausgebildet für die Sekundarstufe I oder II, gleich bezahlt werden sollen. Dann passiere es nämlich nicht, dass zum Beispiel Französischlehrer sich meist für eine Stelle am Gymnasium entscheiden, weil sie schlicht besser bezahlt wird.
„Es wäre schön, wenn die Personaldecke von vornherein etwas dicker berechnet wäre“, wünscht sich Wilhelm Böhm. „Dann könnten wir besondere Herausforderungen durch interne Kräfte auffangen. Das würde für Ruhe und Stabilität sorgen.“
Und Iris Lüken hofft darauf, dass das Bild des Lehrers in der Gesellschaft wieder positiver besetzt ist. Denn dann würden wieder mehr junge Leute Lehramt studieren.
In und um Stuttgart aufgewachsen, in Mittelhessen Studienjahre verbracht und schließlich im Ruhrgebiet gestrandet treibt Kristina Gerstenmaier vor allem eine ausgeprägte Neugier. Im Lokalen wird die am besten befriedigt, findet sie.
