Jugendgewalt in Lünen auf Rekordhoch Rasanter Anstieg vor allem in einem Bereich

Jugendgewalt auf Rekordhoch: Rasanter Anstieg bei Körperverletzungen
Lesezeit

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen laut Kriminalstatistik stark angestiegen. „Wenn Sie so wollen, sind die Zahlen der Beweis dafür, dass die Pandemie unsere Kinder verändert hat“, kommentierte Innenminister Herbert Reul die NRW-weiten Zahlen im Februar. Aber wie sieht es in Lünen aus? Die Polizei Dortmund gibt Auskunft.

Die Anzahl an Gewaltdelikten von 14 bis 18-Jährigen in Lünen in den letzten fünf Jahren blieb nahezu auf einem Niveau. Zwei Delikte stechen jedoch deutlich hervor: Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung. In beiden Kategorien stieg die Anzahl der Delikte um 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021. Damit liegt sie sogar höher als vor der Pandemie.

Jugendgewalt in Lünen nimmt zu

68-mal wurde 2022 gegen Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren wegen Körperverletzung ermittelt. 19-mal wegen gefährlicher Körperverletzung.

Im Jahr 2021 waren Jugendliche bei Körperverletzungen 44-mal, bei gefährlicher Körperverletzung 12-mal tatverdächtig.

Im Vergleich zum Jahr 2019 - vor der Pandemie - sind die Veränderungen nicht ganz so drastisch. Damals waren Jugendliche bei Körperverletzung 58-mal, bei gefährlicher Körperverletzung 17-mal tatverdächtig.

Vergleicht man die Lüner Zahlen also abseits der Pandemie, liegt die Steigerung der Fälle bei je ungefähr zehn Prozent. In beiden Fällen ähnelt der Lüner Trend dem von NRW. Ein Trend, zu dem Innenminister Herbert Reul klare Worte findet.

Verrohung durch die Pandemie

„Als ehemaliger Lehrer weiß ich: Es ist fatal, wenn Kinder nicht in geschützten Räumen groß werden und keine soziale Kontrolle erfahren. Dann lernen sie auch nicht, wie man respektvoll miteinander umgeht.“, sagt Reul den Westfälischen Nachrichten im Interview vom 7. März 2023. Er spreche aber nicht nur von Schulschließungen. Auch die verringerten sozialen Kontakte durch Kontaktbeschränkungen sind ein Grund für die erhöhte Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen, so Reul.

Der Innenminister sehe ein: „Geschubst wurde immer und kaputte Hosen gab es auch.“ Aber heute werde noch draufgetreten, wenn jemand am Boden liegt. Für Herbert Reul gibt es Gründe dafür, dass Kinder und Jugendliche es heute deutlich später gut sein lassen als früher: „­Gewaltdarstellungen, gewaltverherrlichende Spiele oder irgendwelche ‚Challenges‘, also Krawallwettbewerbe in Kinos zum Beispiel.“

Von geplanten Gipfeln der Politik, die es zur gestiegenen Jugendkriminalität gibt, halte er wenig. Er sehe den Kampf gegen die Kriminalität von Minderjährigen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Interview mit den WN-Kolleginnen und Kollegen erzählt der Innenminister von NRW, dass er plant, eine Studie in Auftrag zu geben, die nicht nur für die Polizei, sondern auch für Schulen nützlich sein soll.

Gewalt allgemein rückläufig

Obwohl der Vergleich der Zahlen direkt vor und nach der Pandemie auf eine verstärkte Gewalt bei Jugendlichen hindeutet, hat der Trend in den Jahren zwischen 2000 und Pandemiebeginn genau anders ausgesehen. Laut einer Erhebung des Bundesfamilienministeriums von 2018 ist Jugendgewalt seit 1999 rückläufig.

Laut der Studie „Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland“ ist die Anzahl der tatverdächtigen Jugendlichen von 2007 bis 2015 um 50 Prozent gesunken – von 1266,9 auf 628,4 Fälle in der Kategorie Gewaltkriminalität.

In der Schule beobachtete man eine ähnliche Entwicklung: Im Jahr 1999 wurden pro 1000 Schülerinnen und Schüler noch 14,9 Unfälle bei leichten Prügeleien registriert, 2015 nur noch 8,7. Unterschiede bei Geschlecht, Schulform oder ethnischer Herkunft gibt es laut Studie nicht.

Gründe für den Rückgang der Jugendgewalt sind laut der Studie:

  • dass die Jugendarbeitslosigkeit stetig sinkt
  • dass die Jugendlichen seltener Gewalt in der Familie erfahren
  • dass häufiger Erziehungsformen mit viel mehr Zuwendung praktiziert werden
  • und dass die Jugendlichen im Schnitt ein höheres Bildungsniveau erreichen.

Allerdings: Ebenso wie Innenminister Reul es bereits sagte, kommt auch das Familienministerium zu dem Schluss, dass Gewaltpotenzial bei Jugendlichen stark mit sozialen Kontakten zusammenhängt.

Kriminalitäts-Statistik 2022: Polizei zählt mehr Straftaten für Lünen, aus bestimmten Grund

Anstieg von Kinderpornografie in Lünen: Wer Kinder schützen will, darf nicht naiv sein