Jetzt heißt es Daumendrücken. Bis Anfang Juni wird sich herausstellen, ob die Internationale Gartenausstellung (IGA) in Lünen tatsächlich ab 2027 zeigen wird, „wie eine lebenswerte Zukunft aussehen kann“. Oder ob die großen Haushaltsprobleme der Gegenwart dafür sorgen, dass es erst gar nicht so weit kommen wird.
Erstmals hat die Stadt alle Kostenstellen rund um das vor mehr als fünf Jahren beschlossene Vorzeigeprojekt IGA zusammengestellt: rund 30 Millionen Euro - eine Summe, in der das Teilprojekt Preußenhafen mit einer touristischen Weiterentwicklung der Wasserkante schon gar nicht mehr enthalten ist. Bei der Investitionssumme handelt es sich um Geld, das die hochverschuldete Stadt Lünen nicht hat. Und längst nicht alle Hoffnungen auf öffentliche Fördergelder haben sich erfüllt. Als die IGA-Pläne entstanden, ging die Stadt unterm Strich noch von einer 80-prozentigen Förderung aus, die aktuelle Förderquote liegt allerdings nur bei 68 Prozent.
Die Finanzierungslücken für das Vorzeigeprojekt der Metropole Ruhr sind erheblich - nicht nur in Lünen. Auch die übrigen Zukunftsgärten in Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Castrop-Rauxel und Recklinghausen sowie in Lünens Nachbarstadt Bergkamen, mit der Lünen das Projekt „Landschaft in Bewegung“ gemeinsam realisieren will, beklagen die „unzureichende Finanzausstattung für ein bedeutendes Dekadenprojekt“, wie sie laut Stadtverwaltung Lünen Ende 2022 in einem gemeinsamen Brief an die Landesregierung schrieben.
Habeck könnte helfen
Über die Größe der Finanzlöcher in Lünen besteht seit der jüngsten Sitzung des Stadtplanungsausschusses (17. 5.) Klarheit. Schwarz auf Weiß oder vielmehr Rot auf Weiß ist jetzt zu erkennen: Ohne einen höheren Zuschuss aus Berlin wird es nicht möglich sein, die um rund 40 Prozent gestiegenen allgemeinen Baukosten zu tragen und die beiden Brücken für den IGA-Radweg - ein zentraler Projektbaustein für Lünen - zu bauen. Auf diese Überwege über die Lippe oder die Kamener Straße zu verzichten, würde Lünen aber vor neue Millionen-Euro-schwere Herausforderungen stellen. Ein echtes Dilemma, aus dem Minister Habeck jetzt helfen soll. Und das bald, denn nicht nur der finanzielle Druck ist enorm, sondern auch der Zeitdruck.
Dezernent Arnold Reeker gab sich während der jüngsten Ausschusssitzung für Sicherheit und Ordnung (25. 5.) optimistisch: „Wir haben heute Nachmittag die Mitteilung bekommen, dass wir den Antrag stellen können.“ Das sei zwar noch keine Zusage, aber immerhin ein gutes Zeichen. Der neue Kämmerer der Stadt, Reekers Beigeordneten-Kollege Dr. André Jethon, hatte im Vorfeld erklären müssen, dass es der Stadt Lünen angesichts der aktuellen Haushaltsmisere nicht möglich sei, ohne eine zusätzliche Förderung, die beiden Brücken zu bauen.
Höhe Rückzahlung droht
Statt der zur Verfügung gestellten 5,8 Millionen Euro benötigt Lünen 8,5 Millionen Euro, um selbst die abgespeckten Bauvorhaben umzusetzen. Die ZUG, die Bundesgesellschaft für Zukunft und Umwelt, hatte zugesagt, diesen Antrag kurzfristig mit dem zuständigen Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zu prüfen. Bis zur Ratssitzung am 7. Juni (17 Uhr, Rathaus) soll eine schriftliche Benachrichtigung vorliegen, ob Lünen mit mehr Geld rechnen kann. Ein Nein würde nicht nur Lünen schwer treffen.

Ein Verzicht auf die beiden Brückenbauwerke für zusammen 6,6 Millionen Euro sei keine Option, sagte Dezernent Reeker. Auch der Verzicht auf eine Brücke sei nicht denkbar Denn ohne die beiden Querungen der Lippe und der Kamener Straße gäbe es keine durchgängige, von Kfz-Verkehr unabhängige Radwegeverbindung zwischen Lünen und Bergkamen. „Genau das ist aber der Förderzweck“, sagte Reeker. Mit anderen Worten: Ohne die Brücken läuft Lünen Gefahr, die gesamten Fördermittel in Höhe von 5,8 Millionen Euro zurückzahlen zu müssen. Ein Schicksal, das auch der Projektpartnerin Bergkamen bevorstehen würden.
Auf den mehr als eine Million Euro Planungskosten für die Brücken würde Lünen ohne Gegenwert sitzen bleiben. Und die umstrittene Rodung der Bäume südlich der Kamener Straße im Winter 22/23 wäre völlig unnötig gewesen, genauso wie der Ende April begonnene Bau der Baustraße auf dem Victoria-Gelände. Außer Spesen nichts gewesen: ein Szenario, das sich lieber niemand ausmalen möchte in Lünen.
Brücke hat abgespeckt
Aber auch wenn Berlin mehr Geld zur Verfügung stellt: Ohne Einschnitte wird es nicht gehen. Die Verwaltung hat bereits die Lippebrücke weiter abspecken lassen: Die raffinierte Netzkonstruktion rechts und links wird durch ein herkömmliches Füllstabgeländer ersetzt, und der Holzbelags auf der 90 Meter langen Sitzbank auf der Brücke und auf dem Geländer entfallen ganz.
Beide Brücken will die Verwaltung - vorausgesetzt, die Förderzusage kommt - noch im Juni zusammen ausschreiben. Denn die Arbeiten müssten im Herbst/Winter beginnen, damit alles rechtzeitig fertig wird. „Die Lippebrücke muss vor dem Bau des Landschaftsparks Viktoria gebaut sein“, betonte Reeker. Dessen Gestaltung ist ebenfalls noch mit Fragezeichen versehen. „Die Verbindlichkeitserklärung des Sanierungsplans und damit der Start der Sanierung der Fläche 2024 ist der entscheidende und damit zeitkritische Meilenstein für die Baumaßnahme Landschafspark und Forensik.“ Verhandlungen mit der RAG als Noch-Eigentümerin einer Teilfläche und mit dem Gesundheitsministerium, das bis 2026 die Forensik bauen will, laufen.

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