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Greif-Wirt Bob Michaels: „Ein gut gehendes Unternehmen wird komplett aus der Bahn geworfen“
Coronakrise
Eigentlich wollte Bob Michaels mit seinen Mitarbeitern das „Greif“ im April renovieren. Das hat der Gastwirt jetzt vorgezogen. Die derzeitige Situation tut ihm „ziemlich weh“.
Momentan ist Bob Michaels noch im „Greif“ und wundert sich beim Telefonat mit der Redaktion über die „Großfamilie, die da gerade fröhlich an unserem Fenster vorbeiläuft“. Oder über die Leute, die am Mittwoch (18.3.) fröhlich und natürlich ohne Sicherheitsabstand noch im Eiscafé saßen.
Seit neun Jahren führt Michaels das Kultlokal in Wethmar. Jetzt musste er seine 14 Mitarbeiter und Aushilfen nach Hause schicken. „Ich könnte das Greif von 6 bis 15 Uhr öffnen, aber das macht keinen Sinn. Wir sind ja nicht in der Innenstadt und ich hab auch Verantwortung für meine Mitarbeiter.“
Die nehmen jetzt entweder ihren Resturlaub oder beantragen Kurzarbeitergeld. Michaels hofft, dass das schnell gewährt wird, „aber die Leute bei der Arbeitsagentur gehen ja auch alle auf dem Zahnfleisch“. Er habe selbst auch mit seiner Hausbank telefoniert, doch dort wisse man noch nicht, wie das mit den versprochenen Übergangskrediten laufen wird.
Ältere Menschen haben große Angst vor Einsamkeit
Sandra Fasse, die seit zweieinhalb Jahren das beliebte „Kunstcafé“ an der Münsterstraße führt, hat ihr Café noch geöffnet. Wie vorgeschrieben bis 15 Uhr. Nicht, weil massenweise Gäste kommen. Eher, weil gerade ältere Menschen, die alleine zu Hause sitzen, Zuspruch brauchen. „Alle sitzen an den beiden Tischen draußen, an denen wir natürlich auch den Mindestabstand von zwei Metern einhalten.“ Das Ordnungsamt habe das Ganze kontrolliert.

Sandra Fasse (l.) mit ihrem Mann und einer Mitarbeiterin im Kunstcafé. Dort arbeitet sie derzeit alleine, auch weil kaum noch Gäste kommen. © Carolin Rau (A)
„Die älteren Menschen haben solche Angst vor der Isolation. Ihre Enkel dürfen sie nicht mehr besuchen. Wenn diese Menschen dann hier sitzen und weinen, das tut mir in der Seele weh.“ Neben Kaffee hat Sandra Fasse ein paar liebe Worte für die verzweifelten Gäste, die mit der Lage nicht fertig werden.
Versicherung zahlt, wenn Schließung angeordnet wird
Die Cafébesitzerin hat nicht aus wirtschaftlichen Gründen geöffnet, im Gegenteil. Es ist derzeit ein Zuschussgeschäft, denn wenn sie schließt, würde die betriebliche Versicherung zahlen. Aber sie weiß auch, dass sie demnächst wohl auch schließen muss, weil es finanziell nicht mehr funktionieren wird.
Über Facebook bekommt Sandra Fasse viel moralische Unterstützung, auch wenn viele Gäste Feiern oder Frühstücke absagen mussten. „Manche sagen dann, wir sollen das Frühstücksbuffet ausliefern, damit wir nicht so viel Verlust haben. Ich habe wirklich die liebsten Kunden.“
Seine Gäste würde auch Bob Michaels gerne bedienen. Aber er befürchtet, dass es wohl noch länger dauern wird, bis die Gaststätten wieder öffnen. „Es ist eine unwirkliche Situation - wir haben ein gut gehendes Unternehmen, das nun so aus der Bahn geworfen wird. Uns sind unfassbar viele Veranstaltungen weggebrochen. Eltern-Vofis der Gymnasien, Konzerte, Geburtstage, Hochzeiten, das tut schon ziemlich weh“, sagt Michaels.
Kein „Burger to go“
Eigentlich wollte er erst im April ein paar Tage zumachen, um das „Greif“ zu renovieren. Das zieht er jetzt vor. Die Lebensmittel, die er vor der Zuspitzung der Lage und der Schließung schon gekauft hatte, hat er an Nachbarn und seine Mitarbeiter verschenkt - so viel es ging. „Burger to go“ anzubieten hatte er überlegt, aber dafür liegt das „Greif“ nicht zentral genug: „Da ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht gegeben.“
Rücklagen habe er natürlich für Neuerungen und Reparaturen gebildet, die sind nun alle verbraucht. „Ich werde mehr oder weniger bei Null wieder anfangen, wenn die Krise vorbei ist.“ Aber auch wenn er fest damit rechnet, dass die Leute dann wieder ausgehen werden - alles, was jetzt ausfällt, kann nicht wieder aufgeholt werden.
„Jedes Essen, das ich heute nicht verkaufe, ist weg. Ich kann ja, wenn es wieder losgeht, zu den Gästen sagen, die drei Biere trinken, trinkt mal sechs Biere, damit ich die Verluste ausgleiche.“
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
