Das nächste Geschäft verabschiedet sich aus der Lüner Innenstadt. Getroffen hat es das junge Unternehmen Fleischliebe, das erst im April in dem Scharbaum-Gebäude am Roggenmarkt an den Start ging. Zum letzten Mal öffnet das Geschäft an Heiligabend (24. Dezember) seine Pforten. Der Hofladen, den Landwirt Markus Wiesmann (49) aus Selm-Bork mit seiner Geschäftspartnerin Julia Ciecior (30) aus Werne dort einrichteten, ist an dem Standort nach wenigen Monaten wieder Geschichte.
Bis dahin gibt es noch Ware in gewohnter Qualität. Doch dann endet eine Fleischerei-Ära an diesem Standort, die auf 100 Jahre Tradition zurückblicken kann. „Leider müssen wir einsehen, dass unser Konzept nicht aufging“, erklären beide dazu. Sie hätten nur ein Ziel gehabt: Den Ruf der Bevölkerung nach höchst qualitativem Fleisch aus bester Haltung, direkt von unterschiedlichsten Höfen zu bedienen. Ein Konzept, von dem auch Eigentümer Wilhelm Scharbaum sagt: „Es ist gut und schlüssig. Schade, dass es nicht angenommen wurde.“

Es zählt nur noch der Preis
In dem Lüner Hofladen haben Markus Wiesmann und Julia Ciecior Fleisch und Wurst ausschließlich aus eigener Herstellung angeboten. Unterstützt wurden sie dabei von Partnern aus der Region. Während der Coronapandemie habe es einen Ansturm auf Direktvermarktung gegeben, regionale Produkte waren bei den Kunden angesagt. Doch dann kamen der Ukrainekrieg und die Energiekrise. Viele halten ihr Geld zusammen. „Wir alle haben harte Monate hinter uns“, berichten die beiden. „Doch leider stellen wir seit Wochen fest, dass auch in unserem Geschäft nicht mehr die Frage der Haltung und der Fütterung gestellt wird, sondern vielmehr die Frage des Preises zählt.“
Da das noch junge Unternehmen keine Möglichkeit gehabt habe, Rücklagen für Durststrecken zu bilden, „müssen wir der Tatsache ins Auge sehen, dass das Konzept nicht angenommen wurde.“ Von Komplimenten und tollen Google-Rezensionen könne ein Geschäft nicht überleben.
Vier Verkäuferinnen betroffen

Betroffen von der Schließung sind vier Verkäuferinnen. Einige standen schon zu Zeiten der Fleischerei Scharbaum dort hinter der Theke. Die hatte in Lünen Tradition. 1921 an der Markstraße von Clemens Wienke, Scharbaums Großvater mütterlicherseits gegründet, zog sie Ende der 50er-Jahre an den Roggenmarkt. Früher war das Ladengeschäft zur Fußgängerzone hin, vor etwa 50 Jahren wurde es nach hinten verlagert. Mitte der 80er-Jahre übernahm Wilhelm Scharbaum.
Nachdem er sich ohne Nachfolger in den Ruhestand zurückzog, pachtete Marko Mecke 2017 die Fleischerei. Nach dem Skandal um Tierquälerei in seiner Viehsammelstelle in Werne musste er schließen. Ein Kapitel, an das Scharbaum gar nicht zurückdenken möchte.
Dann kam Fleischliebe und alles klang verheißungsvoll. Seit Anfang Dezember wissen die Verkäuferinnen, dass es keine Zukunft gibt. „Traurig“ findet Scharbaum das Aus des jungen Unternehmens.
Silvestergrillen unterstützen
Am 31. Dezember unterstützt Fleischliebe den Verein „Lüner helfen Lünern“ noch bei dem traditionellen Silvestergrillen. Ob Markus Wiesmann die Produktion am Standort aufrechterhält, ist noch nicht klar. Sein Standbein ist der landwirtschaftliche Betrieb in Selm-Bork. Julia Ciecior, Gesellschafterin bei Fleischliebe, werde sich beruflich anders orientieren.
Wilhelm Scharbaum, der seit Anfang Dezember von der neuen Entwicklung weiß, blickt nach vorne. Für eine weitere Vermietung der Geschäftsräume „sehe ich gar nicht so negativ“, sagt er.
Bekanntes Geschäft schließt in Lüner City: Inhaber nennt mehrere Gründe
Ute Lange schließt "Steckenpferdchen" in Lünen: "Tut mir in der Seele weh"
Scharbaum-Gebäude: Fleischliebe eröffnet mit Lachen und Weinen in Lünen