Natalie Rupp – eine deutsche Frau mit ukrainischen Wurzeln – wohnt in Lünen und hilft den Geflüchteten aus der Ukraine im Treffpunkt Neuland. Im Interview erzählt sie, wie ihre Arbeit genau aussieht, wie die geflüchteten Menschen sich in Lünen fühlen und was ihre Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft sind.
Hallo Frau Rupp. Zuerst einmal zu Ihnen: Sie arbeiten nun schon seit längerem mit Geflüchteten aus der Ukraine zusammen. Bei welchen Problemen benötigen die Menschen aus der Ukraine Ihre Hilfe?
Ich arbeite im Verein Neuland mit den Geflüchteten seit Beginn des Krieges. Meine ersten Aufgaben bestanden darin, für ehrenamtliche Kräfte im Neuland zu dolmetschen. Nach Einarbeitung habe ich mich um alle Fragen gekümmert, die auf die neu angekommenen Geflüchteten zukommen. Zum Beispiel Behördenangelegenheiten, Krankenkassenanmeldung, Wohnungssuche, Möbel und Kleidung, Bankkontoeröffnung und vieles mehr.
In welche Sprachen können Sie eigentlich dolmetschen?
Ich spreche Deutsch, Ukrainisch und Russisch.
Was genau ist Ihr Bezug zur Ukraine und wieso engagieren Sie sich beim Treffpunkt Neuland?
Meine Eltern kommen aus der zweitgrößten Stadt der Ukraine mit dem Namen Kharkiv. Die Entfernung zur russischen Grenze ist weniger als 40 Kilometer. Ein Artikel in den Ruhr Nachrichten hat mich auf eine Informationsveranstaltung bei der Flüchtlingsorganisation „Treffpunkt Neuland“ in Lünen aufmerksam gemacht. Im Treffpunkt Neuland wurden mein Ehemann und ich vom Team herzlichst als Unterstützer aufgenommen.
Kommen wir zu den Geflüchteten selbst. Wie ist das Feedback der hier untergekommenen Geflüchteten, werden sie immer noch herzlich empfangen, fühlen sie sich gut aufgenommen?
Ich möchte sagen, dass mit Beginn des Krieges mehr Hilfe zu spüren war als jetzt, sowohl privat als auch von Unternehmen. Ich werde nie vergessen, wie Menschen mit Plakaten an den Bahnhöfen standen und folgende Aufschriften geschrieben wurden: „Ich nehme eine Frau und ein Kind für zwei Wochen auf“ oder „Ich liebe Tiere. Ich nehme dich mit einem Hund auf.“ Denn das Erste, was ein Mensch braucht, ist ein Dach über dem Kopf. Ich kenne viele Bekannte, die völlig Fremde aus der Ukraine aufgenommen haben.
Gibt es trotzdem Probleme für die geflüchteten Menschen?
Das erste Problem, das die Ukrainer haben, ist natürlich die Sprache. Noch immer haben nicht alle einen Sprachkurs bekommen. Sie sind sehr interessiert, die Sprache zu erlernen und üben Zuhause, im Internet oder gehen in die Einrichtungen wie den Treffpunkt Neuland, wo ihnen erste Deutschkenntnisse vermittelt werden.
Wie ist es mit Schule und Arbeit?
Die Kinder gehen alle zur Schule. Sie sind sehr zufrieden. Nur wenige der Erwachsenen haben einen Job, da sie erst einmal die Sprache lernen müssen, um in ihren erlernten Berufen arbeiten zu können oder gar eine neue Ausbildung zu beginnen.
Wollen manche Geflüchtete nach dem Krieg hier bleiben oder wollen die meisten überwiegend zurück in die Ukraine?
Die Lage ist sehr unübersichtlich. Natürlich wollen viele nach dem Krieg wieder zurück. Insbesondere die, die in der Ukraine Familie und Eigentum besitzen. Auf der anderen Seite haben viele eine gute Ausbildung und werden hier in Deutschland eine qualifizierte Arbeit finden und werden dann, wenn es möglich ist, hierbleiben.
Erleben Sie oder die Geflüchteten hier in Lünen Vorurteile gegen sich?
Vorurteile von Menschen hier in Lünen habe ich bisher nicht erlebt. Im Gegenteil, viele Menschen drücken ihre Unterstützung aus und wünschten sich so schnell wie möglich einen friedlichen Himmel in Europa.
Welche Hoffnungen und Wünsche äußern die Ukrainerinnen und Ukrainer? Wie stellen die Menschen sich ihre Zukunft vor?
Viele Ukrainer möchten, dass die Städte unter russischen Besatzungen von der ukrainischen Armee befreit werden bzw. dass die russische Armee oder private Söldnergruppen die eingenommenen Territorien verlassen. Viele wünschen sich, ihre Familie wiederzusehen und es gibt Hoffnung, dass bald wieder alles friedlich wird. Aber einige sind auch bereit, hier in Deutschland ein neues Leben zu beginnen und mit den erworbenen deutschen Sprachkenntnissen eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen.
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