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„Frühling am Po“ und Steag-Uhr: Wie das Museum an seine Ausstellungsstücke kommt
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Im Biedermeier waren 46 Zentimeter das Idealmaß der Taille einer unverheirateten Frau. Das dokumentiert ein Kleid im Museum. Außerdem erfährt man dort, wann bei Steag die Zeit stehen blieb.
Eine nach Lünen gezogene Familie hat das rosafarbene Biedermeier-Kleid im Museum „Frühling am Po“ genannt. Es repräsentiert den Chic der unverheirateten Frauen im frühen 19. Jahrhundert: Schmale Taille, breite Schultern und ein betonter Po. Dafür sorgen jede Menge Stoff und eine Rosette.
„Weil Mädchen damals schon mit sechs Jahren in ein Schnürmieder gezwängt wurden, passte sich der Körper der Mode an“, berichtet Dr. Katja Stromberg. Die Leiterin des Museums der Stadt Lünen hat nach kurzer Umbauphase die Räume für die Sonderausstellung „Gerettet, geliehen, gekauft – wie die Dinge ins Museum kommen“ hergerichtet. Die offizielle Eröffnung ist am Sonntag, 19. Januar, um 11 Uhr. Die Ausstellung wird bis zum 14. April gezeigt.
Frauen blieben im Haus, der Mann ging aus
Sicherlich hat sich mancher schon gefragt, warum gerade dies oder das einen Platz im Museum hat. Im Fall des rosa Biedermeierkleides ist es eine Leihgabe. Die Lüner Familie steuerte zur Ausstellung drei Kleider bei. Sie haben die Zeiten in einer Verkleidungskiste überlebt. „Ich bin erstaunt, wie gut sie erhalten sind“, freut sich Katja Stromberg.
Die Kleider sind in einem Schlafzimmer aus gleicher Zeit ausgestellt, das zum Bestand des Museums gehört. Ein violettes Kleid hat eine deutlich breitere Taille. Das trugen verheiratete Frauen. Die durften wohl etwas mehr auf den Hüften haben. Blau ist das dritte Kleid, hochgeschlossen.
Einige Schritte weiter findet sich auf der rechten Seite das Waldschmidt-Zimmer, das die bekannte Lüner Familie dem Museum spendete. Dort ist ein besonderes Tuch aus dem Biedermeier zu sehen. „Die Frauen trugen damals riesige Keulenärmel, da passte kein Mantel. Daher gab es Tücher“, berichtet Katja Stromberg.
Wie Dinge ins Museum kommen: Neue Ausstellung
Überhaupt war die Mode der Damen primär auf den Aufenthalt im Haus ausgerichtet: „Raus ging der Herr.“ Die Frau war schmückendes Beiwerk. Das zeigen auch deren Schuhe mit den dünnen Sohlen, die eher Schläppchen waren.
Steag-Uhr am Tag der Stilllegung angehalten
Ob Leihgabe, gezielt angekauft, zufällig gefunden oder geschenkt: Viele Exponate im Museum sind abgegeben worden, damit sie aufbewahrt werden.
Um sie ranken sich Geschichten. Sie sind Spiegel ihrer Zeit und Zeugen der Vergangenheit. Dazu zählt auch die Schaltanlage samt Schaltkasten aus dem inzwischen stillgelegten Steag-Kraftwerk. Katja Stromberg konnte sich vor der Demontage einiges aussuchen. Darunter auch ein Notruftelefon und eine Sirene. Auffällig ist die große Werksuhr. Die Uhr wurde am Tag der Stilllegung am 22.12.2018 um 14.33 Uhr angehalten und ist nun im Museum zu finden.
Vor dem Müll gerettet wurden alte Fenster und Bodenfliesen der St.-Marien-Kirche, wie auch ein Ofen der Schlosserei der Zeche Victoria.
Höhepunkte der Ausstellung und gleichzeitig die ältesten Exponate finden sich in einer besondere Vitrine: Sie zeigen Teile der Sammlung des Geologen und Bergmanns Bernhard Falk. Diese legte den Grundstein zur Gründung des Museums 1937. Nach Erdzeitaltern sortiert, sind dort Schnecken, Muscheln und Fossilien zu sehen.
Der Star unter den Exponaten allerdings ist der Backenzahn eines Mammuts aus Zeiten, als die Eiszeit auch über Lünen hinwegfegte. Er sieht riesig aus und vermittelt eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Tieres.
Espresso-Kanne aus Jenaer Glas
Die neue Ausstellung zeigt, was sich in einem Museum angesammelt hat. Vieles erzählt vom Leben in Lünen. Ein Beispiel ist die Sammlung von Geschirr mit Zwiebelmuster: Eine Kanne von 1820 ist liebevoll geflickt. Es war wohl die einzige.
Doch auch eine Espresso-Kanne aus Jenaer Glas hat es damals gegeben. Wie die verschiedene Truhen, von denen eine für den Schatz der Aussteuer vorgesehen war.
Lünen ist eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten. Nah dran zu sein an den lokalen Themen, ist eine spannende Aufgabe. Obwohl ich schon lange in Lünen arbeite, gibt es immer noch viel zu entdecken.
