
© Günther Goldstein
Fernwärme in Lünen: Geht der Ofen aus mit dem Aus der Kohle-Kraftwerke?
Energie
Bis 2038 werden in Deutschland alle Kohlekraftwerke vom Netz sein - auch das Trianel-Kraftwerk Lünen, der junge Nachbar der Steag. Hat das Auswirkungen auf die Versorgung mit Fernwärme?
Ein warmes Haus, ohne dass es dafür einer eigenen Heizung bedürfte. Darüber freuen sich in Lünen rund 700 Hauseigentümer: nicht nur Privatleute, die ihre vier Wände beheizen, sondern auch Besitzer von Mehrfamilienhäusern und Unternehmen. Sie alle beziehen Fernwärme von den Stadtwerken Lünen. Das Steinkohlekraftwerk Trianel spielt dabei als Lieferant eine wichtige Rolle.
Im Kessel des Ende 2013 ans Netz gegangenen Kraftwerks werden Kohlen verbrannt. Es entsteht Dampf, dessen Energie von einer Turbine in Drehbewegung umgewandelt wird. Der Generator erzeugt daraus Strom wie ein Fahrraddynamo. „Wir nutzen für die Fernwärme den heißen Dampf, der schon die meiste Arbeit in der Turbine gemacht hat“; sagt Stefan Paul, der Geschäftsführer des Trianel-Kraftwerks.
Heißer Dampf aus dem Trianel-Kraftwerk
Am Anfang hat das Gas in der Turbine eine Temperatur von mehr als 600 Grad. Am Ende noch um die 30 Grad. So weit lässt Paul es nicht beim gesamten Dampf kommen. Stattdessen zapft er Dampf ab, wenn er 160 Grad heiß ist. Er wird als heißes Wasser über einen Wärmetauscher in das Fernwärmenetz der Stadtwerke Lünen eingespeist. An der Übergabestelle - auf dem Kraftwerksgelände leicht zu erkennen an den großen Rohren, die in der Erde verschwinden - beginnt das Wasser nicht nur seine Reise in die Lüner Wohnzimmer, sondern kommt auch abgekühlt dorthin zurück, um sich erneut in Dampf verwandeln zu lassen.
Die abgegebene Menge wird in Megawatt gemessen: der Einheit für thermische Energie. Mit 35 MW beliefert Trianel die Stadtwerke - mit starken Schwankungen je nach aktuellem Bedarf. „Im Winter ist er entsprechend hoch, im Sommer ist es manchmal nur ein Megawatt“, sagt Paul. Wenn es nach den technischen Voraussetzungen des Kraftwerks ginge, wäre noch deutlich mehr Heizenergie drin für Lünen. „Wir könnten bis zu 85 MW auskoppeln.“ So viel brauchen die Stadtwerke aber nicht. Denn das Fernwärmenetz ist verglichen mit der Größe der Stadt eher klein.
Ein Ausbau des Fernwärmenetzes ist geplant
Im Wesentlichen kommt die Innenstadt zum Zuge. Im Norden reicht das Netz in etwa bis zur Wehrenboldstraße, im Westen geht es die Borker Straße entlang bis etwa zur Alstedder Straße. Im Süden reicht es zur zur Victoriastraße und im Osten über die Zwolle-Allee zu Caterpillar. Das St.-Marien-Krankenhaus ist angeschlossen, genauso die Caritas-Senioren-Residenz, das Schulzentrum Altlünen, die Geschwister-Scholl-Gesamtschule sowie das Freiherr-von-Stein-Gymnasium. Das Rathaus und das technisches Rathaus heizen so die Büros. Auch Caterpillar ist angeschlossen.
Für die Stadtwerke ist die Fernwärme ein wichtiges Angebot, das sie weiter ausbauen wollen, wie Sprecherin Jasmin Teuteberg sagt. Beispielsweise in der Geist und im Bereich Schulz-Gahmen-Straße gebe es entsprechende Planungen für den Ausbau des Netzes. Dass Trianel mittelfristig als Lieferant aufällt, macht ihr dabei keine Sorge.

Durch diese Leitung fließt Fernwärme. © Guenther Goldstein
61 Prozent der Fernwärme stammt aus dem Kraftwerk. 32 Prozent liefert das Biogas-Blockheizkraftwerk der Stadtwerke und 7 Prozent das Erdgas-Blockheizkraftwerk. „95,5 Prozent der Fernwärme stammt aus Kraft-Wärme-Kopplungsprozessen“, sagt Teuteberg. Für eine Kilowattstunde Fernwärme würde lediglich 0,28 Kilowattstunde Primärenergie benötig: ein umweltfreundliches Angebot.
Kritiker wie vom Umweltbündnis „Klimawende von unten“ sehen in solchen Rechnungen eine Beschönigung, die politisch den Effekt habe, „die Kohle ein ganzes Stück grüner aussehen zu lassen“. Die Verbraucherzentrale NRW beurteilt das differenzierter: „Die Klimafreundlichkeit von Fernwärme ist sehr unterschiedlich - je nach eingesetztem Energieträger, Effizienz der Erzeugung im Kraftwerk und der Höhe der Leitungsverluste.“ Der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung habe eine hohe Energieausbeute, und auch die Nutzung von Abwärme sei sinnvoll.
Wann ist wirklich Schluss mit dem Kraftwerk?
Obwohl das Steag-Kraftwerk älter ist als das Lüner Fernwärmenetz, hat die Wärme aus dem Kraftwerk zunächst keine Rolle gespielt für die Stadtwerke. 1968 ging das Fernheizwerk am Standort des jetzigen Lippe Bad ans Netz, wie Teuteberg sagt: die Geburtsstunde der Lüner Fernwärme. Die Versorgung durch die Steag begann erst 2003 und endete 2013. Damals wechselten die Stadtwerke von Steag zum jungen Nachbarn Trianel.

Das ist der Wärmetauscher. © Guenther Goldstein
Das erste Blockheizkraftwerk haben die Stadtwerke am damaligen Fernheizwerk am 1. Januar 1981 angeschlossen. „Die Biogas-Blockheizkraftwerke haben wir in den Jahren 2009 bis 2011 errichtet“, ergänzt die Sprecherin. Und weitere Energiequellen werde sie künftig auftun. Denn so viel steht fest für Teuteberg: „Die Stadtwerke Lünen werden die Fernwärme-Versorgung in jedem Fall zu weiterhin wirtschaftlichen und vor allem klimafreundlichen Bedingungen sicherstellen.“
Diese Herausforderung werden sie sich möglicherweise eher stellen müssen als bislang gedacht. Das renommierte Energiewirtschaftliche Institut (EWI) der Universität Köln glaubt, dass der steigende Preis für Kohlendioxid-Emissionen den Ausstieg beschleunigt. Wenn Erdgaskraftwerke einspringen, könnte das Klimaziel deutlich unterschritten werden, heißt es in einer Studie, über die BWK Energie, ein Fachmagazin des Vereins Deutscher Ingenieure, vor einem Tag berichtet hat. Schon 2030 könnte Schluss sein.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
