Dass dieser Abend nicht leicht würde, hat Wirt Bob Michaels (54) schon geahnt. Mit geladenen Stammgästen und Mitarbeitenden feierte er am Freitagabend (16.12.) zum letzten Mal in der Kultkneipe Greif an der Münsterstraße zwischen Lünen und Werne. Er sollte Recht behalten. Es flossen Tränen, viele lagen sich in den Armen, „es war extrem emotional“, schildert Bob Michaels am Telefon. Da versagt ihm kurz die Stimme.
Weil der Eigentümer das 100 Jahre alte Gasthaus verkaufen möchte, entweder an einen Gastronom, der wieder eine Kneipe betreibt oder, wenn das nicht klappt, an einen Investor, der Wohnungen bauen lassen will, gehen im Greif die Lichter aus. Am 19. Dezember ist Schluss. Auch die „Greif-Guerillas“, die alle Hebel für eine Rettung in Bewegung gesetzt hatten, konnten das Schicksal nicht abwenden. Lünen verliert seine Kultkneipe.
„Es ist ein Wahnsinn, das alles aufzugeben“, blickt Bob Michaels auf fast zwölf Jahre zurück. „Das muss man sacken lassen.“ Das brauche wohl noch eine Weile. Er sagt aber auch: „Es ist jetzt eben so.“
Gäste der ersten Stunde
Mitarbeitende aus den Anfängen und Gäste der ersten Stunde waren am Freitag gekommen. Sie alle wollten noch einmal ins Greif. Bewusst hat Bob Michaels die Abschiedsfeier nicht an die große Glocke gehängt. „Den Ansturm hätten wir gar nicht geschafft“, ist er sicher.
Seine Crew trug T-Shirts mit der Aufschrift „Thank you for the music.“ Sie überraschte Michaels mit Videos. Von einer Greif-Familie sei da die Rede gewesen, dass sie nie wieder einen solchen Chef bekämen und dass Michaels das Greif zur Legende gemacht habe. „Es werde immer eine Legende bleiben“, sind sie sicher. Sie alle haben übrigens neue Jobs. Michaels ist gerührt. „Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte.“ Es schmerzt. Doch dann sagt er: „Es muss wehtun. Nur wenn es wehtut, war es gut.“
Wie gut es war, davon zeugen die Bands, die das Greif zum Beben gebracht haben. Viele, die sonst Stadien füllen, kamen in Lünen auf die Greifbühne: Dog eat Dog, Biohazard, Madball oder Ten Years After - die Liste ließe sich fortsetzen. Bob Michaels war in der Szene gut vernetzt, fürs Greif ließ er seine Branchenkontakte spielen. Er hätte das anfangs selbst nicht gedacht. „Eigentlich sind wir doch nur Restaurant, Live-Location und Kulturstandort.“
Viele Freundschaften entstanden

Noch einmal auf der Greif-Bühne stehen, dass wollte sein Neffe Tim Kroll. Der Schlagzeuger heizte mit Gitarrist und Sänger Felix Kassegger den Gäste mit Rockmusik ein. Dann gehörte die Bühne den Gasoliners und ihrem Punk-Rock.
Viele Freundschaften seien entstanden. Ins Greif kamen Gäste aus Essen, Bochum, Düsselsorf und sogar Holland. Letzte Woche seien welche aus der Pfalz gekommen. Sie waren vor Jahren schonmal da und wollten jetzt noch einmal vorbeischauen.
Sie sahen den Biergarten, den Bob Michaels erst im vergangenen Jahr neu gemachte hatte. „Ist halt so“, sagt er dazu.
Neue Aufgabe ab 2. Januar

Sein Blick richtet sich jetzt nach vorn. In der Gastronomie weiterzumachen, war für ihn keine Option. „Dann wären wir nur eine Kopie von uns selbst“, sagt er. So wie im Greif kann es nicht mehr werden. Daher jetzt ein Kompletter Neustart: Am 2. Januar wird Bob Michaels „Digital-Coach“ des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. „Ich freue mich auf die neue Aufgabe“, erklärt er.
Dort kann er von seinen Erfahrungen im Greif profitieren, denn das hat er digital aufgebaut. Michaels wird Fahrpläne entwerfen, wie sich andere Lokale digital aufstellen können. Dazu gehören digitale Kassen-, Reservierungs oder Warenwirtschaftssysteme. Es ist ein Projekt vom Land NRW.
Für Bob Michael geht es also nahtlos weiter, ohne Verschnaufspause. „Ich bin nie jemand gewesen, der die hatte.“
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Passus zum Verkauf korrigiert. Der Eigentümer möchte nicht in erster Linie an einen Investor verkaufen, damit dort Wohnungen entstehen, sondern möchte an einen Gastronom verkaufen. Sollte das nicht gelingen, käme ein Investor ins Spiel. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
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