Das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde erstreckt sich ungefähr entlang der Bundesstraße 1 zwischen Unna und Paderborn. Der Kamener Landwirt Hans-Heinrich Wortmann sieht durch ein drohendes Pestizid-Verbot auf hier bewirtschafteten Flächen den Vogelschutz gefährdet statt gestützt.

Das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde erstreckt sich ungefähr entlang der Bundesstraße 1 zwischen Unna und Paderborn. Der Kamener Landwirt Hans-Heinrich Wortmann sieht durch ein drohendes Pestizid-Verbot auf hier bewirtschafteten Flächen den Vogelschutz gefährdet statt gestützt. © Montage Sauerland

EU will weniger Pestizid-Einsatz – Bauern sehen Vogelschutz gefährdet

rnKritik am „Grünen Deal“

Mit einem „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ will die EU die Renaturierung fördern. So sollen weniger Pestizide eingesetzt werden. Die seien aber wichtig für den Vogelschutz – argumentiert der regionale Bauernverband.

Kreis Unna

, 06.07.2022, 17:32 Uhr / Lesedauer: 2 min

In einem offenen Brief wendet sich Hans-Heinrich Wortmann als Kreisverbandsvorsitzender Ruhr-Lippe im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband direkt an die Europaabgeordneten Dietmar Köster aus Schwerte und Dennis Radtke aus Bochum: Die Landwirte aus dem Kreis Unna, den Städten Bochum, Dortmund, Hamm und Herne hätten demnach „bestürzt“ auf einen am 22. Juni veröffentlichten Entwurf für eine Verordnung über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln reagiert.

Der sieht vor, dass die Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel bis zum Jahr 2030 um die Hälfte verringert wird. In empfindlichen Gebieten wie etwa öffentlichen Parkanlagen aber auch Schutzgebieten sollen sie gänzlich verboten werden. Die Pestizid-Regelung ist Teil eines „Green Deals“, eines umfangreichen Gesetzentwurfes, der die Wiederherstellung von Ökosystemen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten bis 2050 regeln soll.

Verzicht auf Pestizide würde aus Bauernsicht für Vögel schlimmere Maßnahmen erfordern

Es mag paradox wirken, aber die Landwirte sehen etwa den Vogelschutz gefährdet, müssten sie den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel einschränken. „Das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde wäre hiervon massiv betroffen und die Konsequenz für die Hellwegbörde fatal“, sagt Wortmann über das gut 48.000 Hektar fassende Schutzgebiet zwischen Unna und Paderborn.

So würde ein kompletter Verzicht auf Pflanzenschutzmittel mechanische und thermische Maßnahmen notwendig machen, die für den Gelegeschutz fatal seien. „Der Schutz der Bodenbrüter würde damit zunichte gemacht. Zudem würde der Wegfall von Pflanzenschutzmitteln eine Verengung der Fruchtfolge auf hackbare Kulturen wie beispielsweise Mais nach sich ziehen“, so Wortmann. Dadurch hätten für Insekten wertvolle Kulturen wie der Raps „kaum noch eine Chance.“

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Der Kamener Landwirt verweist auf andere Optionen, um Pflanzenschutzmittel zu reduzieren, etwa integrierter Pflanzenschutz oder zielgerichteter Ackerbau, „in denen bei weiterer technischer Entwicklung noch weiteres deutliches Potential schlummert.“ Die EU-Kommission argumentiert in ihren Positionspapieren indes für eine schärfere Pestizid-Regelung, da die geltenden Richtlinien uneinheitlich umgesetzt würden und „bei der Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Pestizidverwendung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt keine ausreichenden Fortschritte erzielt wurden.“

Strengere Regeln beim Pestizidgebrauch wollen die Landwirte indes nicht hinnehmen, denn: „Bei der Ausweisung des Vogelschutzgebietes, wie auch der anderen Schutzgebiete, gab es den Konsens aller Beteiligten, dass Pflanzenschutz auch weiterhin nach guter fachlicher Praxis ohne zusätzliche Auflagen möglich sein muss. Politik sollte auch hier Wort halten“, heißt es weiter im Offenen Brief.

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Landwirte sehen auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln gefährdet

Neben dem Vogelschutz führen die Landwirte noch ein gewichtiges Argument gegen die EU-Pläne ins Feld: „Vor dem Hintergrund, der sich abzeichnenden Versorgungskrise, insbesondere mit Getreide, macht uns der Entwurf fassungslos.“ So warnen die Landwirte vor dem Hintergrund der „aktuellen Zeit“ vor der strengeren Pflanzenschutzverordnung, die zu einer geringeren Nahrungsmittelproduktion führe und damit „eine Hungerkatastrophe für noch mehr Menschen auf der Welt bedeuten würde.“

Ungeachtet der geplanten Umsetzung ab 2030, sollte der Vorschlag in EU-Parlament und Ministerrat eine Zustimmung finden, warnen die Landwirte „aus humanitären“ Gründen vor einer „künstlichen Verknappung“, die auch aus Verantwortung für arme Regionen der Erde nicht vertretbar sei.

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