
© Kristina Schröder / Montage Klose
Es bleibt dabei: Beim Lockdown-Lotto verlieren die Familien
The Fretful Father
Das lustige Lockdown-Lotto geht in die nächste Runde. Und wieder sind die Familien am stärksten betroffen. Unser Fretful Father bleibt jedoch gelassen. Denn immerhin kann man weiter shoppen.
Die Fallzahlen schnellen nach oben, Klinikchefs im ganzen Land warnen vor einer Überlastung der Intensivstationen, Virologen empfehlen einen harten Lockdown. Das war vor einem Jahr. Und vor einem halben Jahr. Und vor drei Monaten. Und letzte Woche. Und gestern. Und heute. Geändert hat sich: nichts.
Wobei, das stimmt so nicht. Ich will der Politik und der Landesregierung nicht unrecht tun. Sie haben ja stets reagiert. Und die Reaktionszeit wurde immer kleiner: Von sechs Monaten über vier Wochen ist man jetzt schon soweit, dass man Maßnahmen sogar am Freitag vor der Woche, in der sie in Kraft treten, beschließt. Da ist schon eine deutliche Entwicklung zu erkennen.
Eltern bleiben sich selbst überlassen
Das Gefühl, dass sich nichts ändert, hängt bei mir vor allem damit zusammen, dass die Verantwortlichen immer noch der Ansicht sind, Familien könnten alles hinbekommen und müssten deshalb nicht weiter berücksichtigt werden. Halten wir doch einmal fest: Die bundesweite Notbremse sieht Schulschließungen ab einer Inzidenz von 200 vor. Auch das Land NRW bleibt lieber beim Distanzunterricht. Und selbst der Kreis Unna ist der Meinung, dass man Schulen und sogar Kitas besser schließen sollte (letzteres ist schlichtweg nicht möglich, weil das NRW-Familienministerium eine Notbetreuung nach Berufsgruppen ausgeschlossen hat - aber gut, so viel Erfahrung mit Corona-Maßnahmen hat die Kreisverwaltung vielleicht noch nicht).
Wie die Eltern das mit Homeschooling und Homeoffice bewerkstelligen sollen, bleibt ihnen überlassen. Dass sie weiter arbeiten, ist selbstverständlich. Denn die Wirtschaft wird von den Maßnahmen im Gegensatz zu den Familien mehr oder weniger ausgeschlossen. Es soll im Kreis Unna sogar weiterhin möglich sein, mit negativem Corona-Test einkaufen zu gehen. Ernsthaft: Das Land soll wegen explodierender Infektionszahlen runterfahren, aber die Geschäfte lässt man offen - das kann man sich doch im nüchternen Zustand gar nicht ausdenken.
Mehr noch: Kinder wären verpflichtet gewesen, sich testen zu lassen (ich empfehle dazu den Kommentar meiner Kollegin Martina Niehaus). Angestellte nicht. Die dürfen, wenn sie denn unbedingt wollen. Aber besser wäre, sie lassen es und gehen einfach weiter zur Arbeit. Wo kämen wir denn da hin, wenn die Wirtschaft auch nur einen einzigen verdammten Tag stillstehen müsste? Diese Frage musste sich ja offenbar auch Angela Merkel vor Ostern stellen lassen.
Wer übernimmt Verantwortung?
Die Kanzlerin ist übrigens die Einzige, die bisher Fehler eingestanden und dafür die Verantwortung übernommen hat. Wer aber übernimmt Verantwortung dafür, dass Mütter und Väter die x-te Woche hintereinander die Grätsche zwischen Kinderbetreuung und Geldverdienen machen müssen? Wer übernimmt Verantwortung dafür, dass man frühestens am Freitag erst erfährt, wie es am kommenden Montag weitergeht? Wer übernimmt Verantwortung dafür, dass Familien die Einkommensquelle verlieren, weil die Eltern sich für ihre Kinder anstatt für ihren Job entscheiden (müssen)? Jedenfalls nicht die Möchtegern-Kanzler und Chaos-Ministerinnen, die sich regelmäßig hinter Mikrofone stellen und etwas von verantwortungsvoller Normalität und Brücken erzählen, die am Ende nicht über, sondern direkt in den Abgrund führen.
So fühlt es sich zumindest für jemanden an, der während des Schreibens dieser Zeilen ein zersplittertes Marmeladenglas aufwischen und entsorgen, ein Mittagessen zubereiten, die Hausaufgaben in Deutsch, Mathe und Englisch überprüfen, beim Basteln einer Rakete aus Klopapierrollen (und beim Toilettengang) assistieren und das Skateboard reparieren musste. Aber ich will nicht jammern - immerhin kann ich später dank meines negativen Corona-Tests nach Herzenslust shoppen gehen. Wenn nichts dazwischenkommt.
ZWISCHEN BESORGT UND VERÄRGERT
In seiner Kolumne „The Fretful Father“ schreibt Reporter Daniel Claeßen über Dinge, die ihn als Familienvater bewegen. Und auch wenn er die Probleme seiner Kinder stets ernst nimmt, ist hier nicht immer alles ernst gemeint. Der Titel der Kolumne ist angelehnt an das „Fretful Mother Magazine“ aus der Serie „Die Simpsons“. Womit auch klar ist, dass hier immer mal wieder das Kind im Manne durchkommt. Außerdem kann „fretful“ nicht nur „besorgt“, sondern auch „quengelig“, „weinerlich“ und „verärgert“ bedeuten - womit die Gefühlsspanne unseres Autors ziemlich gut abgebildet wird.Journalist, Vater, Ehemann. Möglicherweise sogar in dieser Reihenfolge. Eigentlich Chefreporter für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen. Trotzdem behält er auch gerne das Geschehen hinter den jeweiligen Ortsausgangsschildern im Blick - falls der Wahnsinn doch mal um sich greifen sollte.
