
© Stephanie Tatenhorst
Drogerie-Filiale Müller in Lünen erwischt täglich mehrere Ladendiebe
Diebstahl
Ladendiebstahl ist bei der Drogerie Müller an der Tagesordnung. Täglich sind es zwischen drei und fünf Taten, die auffallen. Dunkelziffer: höher. Das Problem sind aber organisierte Banden.
Wieder einmal musste Peter Langer in diesen Tagen vor dem Amtsgericht Lünen erscheinen. Erneut wurde ein Fall verhandelt, in dem es um Ladendiebstahl in der Lüner Müller-Filiale ging. Hier ist Peter Langer Filialleiter - und Aussagen vor Gericht sind für ihn nichts Besonderes mehr. „Etwa fünfmal im Jahr muss ich dort aussagen“, sagt Langer.
Mit Ladendiebstahl hat der Filialleiter aber tatsächlich täglich zu tun. „Unser Detektiv erwischt täglich Diebe, und nicht nur einen“, sagt Langer. Und die Dunkelziffer, so weiß der Filialleiter, ist hoch. Das etwas fehlt, merke man oft erst bei der Kontrolle der Regelbestände im Abgleich mit dem, was eigentlich da sein sollte. Gestohlen wird alles. Vom Lippenstift bis zur Schokolade. „Da gibt es die normalen Diebstähle. Der Schüler, der was klaut, die Oma, die die Strumpfhose einsteckt“, weiß Langer um Diebstähle, die manchmal eine Mutprobe darstellen oder aus Schusseligkeit entstehen.
Professionelle Banden unterwegs
„Es gibt aber auch die organisierten Diebstähle, wo die Täter aus den Nachbarstädten einfallen. Den Wohnsitz der Leute erfahren wir ja aus der Anzeige.“ Werne, Dortmund, Unna, das wären oft die Wohnorte der Täter. „Wir hatten aber auch schon Stuttgart - da wurden die Leute dann mit einem Sammeltransport ins Ruhrgebiet gebracht, um hier Diebstähle zu begehen.“ Organisierte Kriminalität im Ladenlokal - bei weitem kein Einzelfall mehr.

Der Drogeriemarkt Müller setzt auf Selbstbedienung: Und das lockt Diebe an. Aktuell registriert die Filiale in Lünen drei bis fünf Diebstähle täglich. Dunkelziffer unbekannt. © Goldstein (A)
Peter Langer könnte Bücher über seine Erlebnisse mit Ladendiebstählen schreiben, sagt er. Denn im Laufe seiner Jahre im Einzelhandel hat er Vieles erlebt. Und jeder Diebstahl frisst mindestens eine Stunde Arbeitszeit, die er anders nutzen könnte. „Aber das gehört dazu. Ich mach den Job zu gerne, um mich davon frustrieren zu lassen“, sagt Langer. „Denn der Großteil der Kunden ist ja ehrlich.“
Präparierte Taschen und Störsender
Doch es gibt eben auch die, die es faustdick hinter den Ohren haben. Die mit präparierten Taschen in den Laden kommen und nicht nur ein Teil mitgehen lassen, sondern gleich mehrere. „Die Parfümerie ist die Nummer 1 bei den Diebstählen“, weiß Langer. „Bei Chanel kommen da schnell vier- bis fünftausend Euro zusammen.“ Diese hochpreisigen Produkte sorgen bei Müller schnell für großen Schaden - aber bei den Dieben als Hehlerware halt auch für entsprechenden Gewinn.
„Im Internet kann man das leicht verkaufen. Und viele Diebe wissen auch, wie sie das Zeug hier in der Gegend loswerden können, wenn sie einen Schuss brauchen“, weiß Langer. Beschaffungskriminalität, sprich die Finanzierung des Drogenkonsums, ist oft ein Hintergrund der Taten. Aber es gibt auch die Banden, die gezielt vorgehen.

Ladendiebstähle sind auch ein Saisongeschäft: Leichtbekleidet im Sommer lässt sich nicht viel verstecken. In dickerer Winterkleidung gibt es so manches Versteck für Beute. © picture alliance / dpa
Das Vorgehen der Ladendiebe ist dabei ganz unterschiedlich. Manche haben präparierte Taschen dabei, andere kommen als Trupp und lenken die Verkäufer ab, während einer von ihnen zugreift. „Wir hatten auch schon jemanden mit einem Störsender, der die Sicherheitskontrolle am Eingang überlisten wollte“, erzählt Langer. Doch der Ladendetektiv hatte den Diebstahl gemerkt und den Täter gestoppt.
Selbstschutz für Mitarbeiter wichtig
Egal, ob es die eingesteckte Kleinigkeit oder der Rollgriff durchs Regal war: Jeder Ladendiebstahl wird angezeigt. Und gemeinsam mit der Polizei werden dann die Taschen kontrolliert. „Wir selbst machen das nicht, wenn die Leute nicht zustimmen.“ Überhaupt sind die Müller-Mitarbeiter sehr vorsichtig und sehr auf den Selbstschutz bezogen. „Ich hatte selbst schon ein Messer am Hals“, berichtet Müller - und dass die Gewaltbereitschaft der Täter immer mehr zugenommen habe.

Auch Müller hat Überwachungskameras im Einsatz. Doch die dienen eher dazu, den Diebstahl zu beweisen als Täter auf frischer Tat zu ertappen. © Polizei
„Da wird nicht mehr nur gekebbelt, da wird gebissen, getreten, geschlagen. Eine Verkäuferin, die sich einem Täter in den Weg stellte, flog schon rückwärts die Treppe runter. Eine ältere Dame, die auf der Straße umgelaufen wurde, zog sich einen schweren Hüftschaden zu“, kann Langer einige Fälle aufzählen, bei denen echte Gewalt eingesetzt wurde. Ein Täter hatte sogar einen Metallschlagstock dabei.
Hoher wirtschaftlicher Schaden
Aufs Jahr gerechnet ist auch der wirtschaftliche Schaden immens. „Sechsstellig“, sagt Langer, allein in Lünen. Ob im oberen oder unteren Bereich, will er nicht sagen, aber in jedem Fall könnte man mit dem Geld auch weiteres Personal einstellen, was die Wahrscheinlichkeit, aufzufallen, erhöht. Denn aktuell gibt es drei bis fünf Diebstähle am Tag.
„Aber Ladendiebstähle sind saisonal“, weiß Langer. Sowohl jahreszeitlich als rentabel. „Es spricht sich in der Szene rum, wenn Aktionen keinen Erfolg versprechen. Dann bleiben die Täter weg.“ Das eingestellte Personal aber bleibt - „und dann rechnet sich die Stelle wirtschaftlich leider nicht mehr“, bedauert Langer, aus dem Langfingertum nicht wenigstens etwas Gutes, einen Arbeitsplatz, generieren zu können.
Nehmen Diebstähle überhand, schickt die Müller-Zentrale daher verstärkt Ladendetektive. Wirkt deren Tun, ziehen sie nach einiger Zeit weiter zur nächsten Filiale, und das Rad beginnt sich erneut zu drehen. Dass es also mal eine Zeit geben wird, in der Peter Langer nicht vor Gericht aussagen wird, scheint aussichtslos.
Jahrgang 1979, aufgewachsen und wohnhaft in Bergkamen. Magister-Studium in Münster in Soziologie, Wirtschaftspolitik und Öffentlichem Recht. Erste Sporen seit 1996 als Schülerpraktikantin und dann Schüler-Freie in der Redaktion Bergkamen verdient. Volontariat und Redakteursstellen im Sauerland sowie Oldenburger Münsterland. Seit zehn Jahren zurück in der Heimat und seit Mai 2022 fest beim Hellweger angestellt.
