
© Kristina Gerstenmaier
„Corona ist richtig doof!“ - Wie Lüner Kinder die Krise erleben
Coronakrise
Keine Schule, kein Sport, keine Treffen mit Freunden: Plötzlich war durch Corona alles anders. Wie Kinder das erleben, haben wir einen Psychologen und auch Kinder selbst gefragt.
Nach einem vormittäglichen Ausflug zur Lüner Minigolfanlage sitzen Emilia und Vasiliki in den Räumen der Johanniter in der Viktoriastraße und malen Mandalas aus. „Ich finde es ganz toll, dass es trotz Corona sowas gibt“, sagt die zehnjährige Emilia. Zusammen mit ihrer Freundin Vasiliki nimmt sie an der Ferienaktion der Johanniter teil: Fünf Kinder pro Woche sind wegen der Corona-Pandemie maximal zugelassen und es müssen Masken getragen werden. An diesem Tag sind die Freundinnen, die sich schon seit dem Kindergarten kennen und gemeinsam in eine Klasse gehen sogar nur zu zweit.
„Wir machen hier ganz viele tolle Sachen“, erzählt die neunjährige Vasiliki. „Das ist eine ganz tolle Abwechslung, nachdem ja die ganze Zeit nicht so viel ging.“ Nicht einmal treffen dürften sich die Freundinnen.
„Wir hatten schon große Angst“
Während Vasiliki mit ihrem Bruder nie langweilig wurde - die Geschwister waren viel im eigenen Garten und sind Fahrrad gefahren - sah bei Emilia, die Einzelkind ist - die Zeit ganz anders aus: „Ich zeichne gerne“, sagt die Schülerin, „dafür hatte ich viel Zeit. Und auch Mama war zu Hause. Das war schön, auch wenn sie arbeiten musste. Aber ich habe mich schon sehr gelangweilt.“ Und dann hatte auch noch ihre Geburtstags-Party Ende März ausfallen müssen. Das macht sie immer noch traurig. „Corona ist richtig doof“, sagt sie. „Der Mundschutz nervt, weil ich nicht richtig atmen kann und meine Brille immer beschlägt. Aber ich weiß, dass er wichtig ist.“
So hat sie sich auch damit abgefunden, in diesem Jahr Urlaub in der Nähe, statt am Meer zu machen. „Ich weiß, dass es gut ist, hier zu bleiben“, sagt die Zehnjährige. Ein bisschen beneidet sie ihre Freundin Vasiliki aber schon, die ihre Großmutter, die in Griechenland lebt, besuchen geht.
Als die Schulen geschlossen wurden, das Virus sich in ihrem Leben breit machte und große Unsicherheit herrschte, hatten beide Mädchen auch Angst. Davor, dass sie oder jemand aus ihrer Familie sich anstecken und sterben könnte. „Aber meine Mama hat mir dann erklärt, wie ich mich schützen kann. Jetzt habe ich keine Angst mehr.“ Und auch Vasiliki sagt: „Einmal hatte ich Bauchschmerzen und Kopfschmerzen, da hatte ich dann richtig Angst.“
Corona wirkt wie eine Lupe
Wenn Psychologe Frank Kubiak aus beruflicher Perspektive auf die Corona-Pandemie schaut und sich mit der Frage beschäftigt, wie Kinder sie eigentlich erleben, sagt er: „Man muss das Ganze sehr differenziert betrachten. Wenn Schule und Kindergarten als äußere Strukturgebung wegfallen, lässt sich daran, wie gut eine Familie diese ersetzen kann, erkennen, wie Kinder durch die Krise kommen.“
Die Situation wirke wie eine Lupe, die über die Familien gelegt werde: Wo Bindung, Organisation und Strukurgebung gut gelingen, könne die Krise sogar konstruktiv wirken. In solchen Familien, in denen Eltern kleineren Kindern viele Rituale schaffen und größeren Rückzugsräume ermöglichen. „Die Pubertierenden wurden durch Corona in ihrem Ablösungsprozess unterbrochen und von ihren Peer-Groups getrennt. Das birgt ein gewisses Konfliktpotential“, sagt Kubiak.

Frank Kubiak, Diplom-Psychologe, systemischer Therapeut und Heilpraktiker, ist gebürtiger Lüner und ist inzwischen in Nordkirchen tätig. © Joe Sobotta
Wirklich problematisch werde es aber in Familien, in denen Gewalt und Missbrauch vorkommt, „und dafür wirkt die Krise schürend“, sagt Kubiak, der auch als systemischer Familientherapeut tätig ist. Und damit Kinder Corona nicht mit Angst begegnen sei eine hierarchische Abgrenzung nötig: Eltern dürfen Kinder nicht mit ihren Sorgen belasten.
Viele Familien scheinen sich aber inzwischen mit der Situation arrangiert zu haben. Die Ferienaktionen der Johanniter jedenfalls sind trotz der sehr reduzierten Teilnehmerzahl nicht nachgefragter, als es Plätze gibt.
In und um Stuttgart aufgewachsen, in Mittelhessen Studienjahre verbracht und schließlich im Ruhrgebiet gestrandet treibt Kristina Gerstenmaier vor allem eine ausgeprägte Neugier. Im Lokalen wird die am besten befriedigt, findet sie.
