Bürgermeister: Vielfalt der Menschen macht Lünen lebenswert

© Neubauer

Bürgermeister: Vielfalt der Menschen macht Lünen lebenswert

rnAbschlussinterview zu Stadtteil-Checks

Zum Abschluss unserer Serie „Stadtteil-Check“ haben wir Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns zum Gespräch getroffen. Dabei ging es nicht nur um Lünen-Nord, wo er mit seiner Familie lebt.

Lünen

, 12.05.2019, 10:00 Uhr / Lesedauer: 6 min

Herr Bürgermeister, Sie leben mit Ihrer Familie in Lünen-Nord: Fühlen Sie sich dort wohl?

Ja, ich fühle mich dort sehr wohl. Ich wohne seit 1997 in Lünen und seitdem immer im selben Quartier - in der sogenannten alten Kolonie, in der Barbara-Siedlung. Als wir dort hingezogen sind, wurden wir gleich freundlich aufgenommen von der örtlichen Siedlergemeinschaft. Die Menschen haben uns von Anfang an das Gefühl vermittelt, dass man hier in der Herzkammer der Stadt lebt. Für meine Frau war das nichts neues, weil sie in der Siedlung groß geworden ist. Ich komme ja aus dem Münsterland, wo die Menschen etwas sturer sind.

Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns und seine Familie fühlen sich in Lünen-Nord „sehr wohl“.

Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns und seine Familie fühlen sich in Lünen-Nord „sehr wohl“. © Goldstein

In Lünen-Nord nicht?

Wirklich nicht, hier geht man eher herzlich miteinander um.

Zahlreiche Umfrageteilnehmer haben die Verkehrsbelastung in Lünen-Nord kritisiert und erklärt, dass sie sich nicht sicher fühlen. Dabei ist immer wieder von der Münsterstraße die Rede. Ihre Meinung dazu?

Das ist auch Lünen-Nord, ja. Die Münsterstraße ist aber nicht in direktem Zusammenhang zu setzen mit Lünen-Nord.

Sondern?

Das ist eine frühere Einkaufsstraße. Ich glaube, die Themen, die sie angesprochen haben, Verkehrsbelastung und Innere Sicherheit, sind Phänomene, die wir in vielen früheren Einkaufsstraßen haben. Ein ähnliches Phänomen stellt sich nach meiner Bewertung auch an der Jägerstraße. Das ist keine Sache, die für den Ortsteil Lünen-Nord spezifisch ist.

Die Platanenallee in der Münsterstraße sieht zwar gut aus, birgt aber auch Nachteile.

Die Platanenallee in der Münsterstraße sieht zwar gut aus, birgt aber auch Nachteile. © Goldstein

Mag sein, trotzdem ist die Münsterstraße ein Teil von Lünen-Nord.

Natürlich. Fakt ist, dass wir im Bereich der Münsterstraße im verkehrlichen Bereich ein hohes Aufkommen an Fahrzeugen haben. An Lkw sicherlich auch. Die Besonderheit ist, was die Belastung durch Kraftfahrzeug-Verkehr angeht, dass wir dort diese Platanenallee haben. Und dass der ohnehin nicht sehr breite Straßenraum dadurch gefühlt noch enger wird, wenn da große Lkw durchfahren. Das gilt sowohl für Auto- als auch für Radfahrer. Dazu kommt, dass der kombinierte Fuß- und Radfahrweg geprägt ist durch das große Wurzelwerk der Platanen. Der Weg ist sehr huckelig und schmal, dann stehen da noch die Laternen mittendrin.

Klingt nicht so gut. Hat die Stadt das Problem auf dem Schirm?

Wir haben das Problem erkannt. Allerdings ist der Stadtwegeausbau ziemlich teuer, sodass wir das Problem aus eigener Kraft vielleicht nicht lösen können. Wir haben die Sache aber in den Kontext „Integriertes Handlungskonzept Stadtgartenquartier“ eingebettet. In dem Zuge ist ein Büro beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten, wie der Radverkehr auf der Münsterstraße optimiert werden kann. Dabei spielt auch die Frage eine Rolle, ob man den Radverkehr auf die Straße verlegen kann.

Was ist mit dem Lkw-Verkehr?

Da hat ein Umfrageteilnehmer vorgeschlagen, auf der ganzen Straße Tempo 30 einzuführen. Das ist sicherlich eine Maßnahme, die helfen würde. Allerdings handelt es sich bei der Münsterstraße um eine Bundesstraße.

Das heißt?

Wenn wir regelnd in eine Bundestraße eingreifen, dann müssen immer Straßen NRW und das Bundesverkehrsministerium mitspielen. Im Januar war ich bei Straßen NRW und da haben wir genau dieses Thema angesprochen: Welche Möglichkeiten gibt es in der Münsterstraße, das Verkehrsaufkommen zu optimieren?

Und was ist dabei herausgekommen?
Straßen NRW hat uns ganz unmissverständlich klar gemacht, dass der Bund in solchen Fragen sehr zurückhaltend ist. Wir müssen dem Bund ein sehr überzeugendes Konzept mit ganz vielen Zahlen auf den Tisch legen. Und, das dürfte uns in Lünen am schwersten fallen, Alternativen vorschlagen. Wenn man von einer Bundesstraße den Lkw-Verkehr runter nimmt, dann ist das juristisch eine Teileinziehung.

Teileinziehung?

Das heißt, wenn man eine Gruppe von Verkehrsteilnehmern von der Straße ausschließt, dann erfüllt die Bundesstraße, die für alle Verkehrsteilnehmer gedacht ist, nicht mehr ihre Funktion. Also drängt der Bund auf Alternativrouten. Das zeigt, wie schwierig es ist, den gutgemeinten Vorschlag des Umfrageteilnehmers von Tempo-30 in die Tat umzusetzen. Aber wie gesagt, wir arbeiten daran.

Die Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und Ordnungsamt ist hier in der Lüner City unterwegs.

Die Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und Ordnungsamt ist hier in der Lüner City unterwegs. © Maiwald

Was ist mit der Sicherheit auf der Münsterstraße?

Ich kann das gut verstehen, dass sich der eine oder andere dort nicht sicher fühlt. Das ist seit 20 Jahren mein Weg nach Hause. Ich habe die Situation jeden Tag vor Augen. Es gibt dort beengte Straßenräume. Wir haben dort auch viele Menschen, die sich auf der Straße aufhalten. Es gibt objektiv auf der Münsterstraße Kriminalität, deshalb findet da ja auch eine engmaschige Kontrolle durch die Polizei statt. Wegen der Drogendelikte und der Eigentumsdelikte, die alles in allem aber im Vergleich zu anderen Städten nicht signifikant höher sind.

Verlassen wir mal die Münsterstraße in Lünen-Nord. Über fast alle Stadtteile hinweg beklagen die Umfrageteilnehmer, dass es vor Ort zu wenige Angebote für Jugendliche gibt. Stimmt das?

Vor Ort nimmt man das vielleicht manchmal nicht wahr, aber als Bürgermeister habe ich ja auch einen ziemlich guten Überblick darüber, was es alles gibt.

Und was gibt es alles?

Man kann schon sagen, dass wir viele Angebote haben. Es fehlt eher an Schnittstellen. Das weiß ich, weil ich auch Kinder habe, die dem Jugendalter entwachsen sind.

Können Sie das bitte näher erklären?

Es gibt offene Angebote von Kirchen, Vereinen oder der Musikschule. Wir haben da schon ein breitgefächertes Angebot. Die Kinder oder Jugendlichen aber, die sich unorganisiert treffen wollen, die möchten ja nicht alle bespaßt werden, die wollen eigene Räume und selbstbestimmt ihre Freizeit gestalten und sich nicht von einem Gruppenleiter sagen lassen, welche Übung sie als nächstes machen. Für diese Vielzahl von jungen Leuten ist das Angebot eher begrenzt. Daran arbeiten wir aber. Das wird von vielen Bürgern glaube ich, inzwischen so gesehen.

Die Luftaufnahme zeigt das Gebiet rund um die Käthe-Kollwitz-Gesamtschule in Lünen-Süd.

Die Luftaufnahme zeigt das Gebiet rund um die Käthe-Kollwitz-Gesamtschule in Lünen-Süd. © Blossey

Von den Umfrageteilnehmern eher weniger.

2015 hatten wir die Situation, da gab es das Lükaz und Streetworker, die Jugendliche aufgesucht haben, und mit denen gearbeitet haben. Wir hatten letzten Endes keinen flächendeckenden Schirm, unter dem alle Jugendlichen Platz fanden. Wir haben dann 2015 mit den Haltestellen angefangen, zunächst in Brambauer, dann in Lünen-Süd und jüngst an der Münsterstraße, um Jugendlichen eine Anlaufstelle zu bieten. Dieses Konzept werden wir fortsetzen. Darüber hinaus wollen wir, wie bei dem Projekt Campus Lünen-Süd geplant, die Schule zum unorganisierten Treffpunkt für junge Leute machen. Damit wollen wir den Jugendlichen Räumlichkeiten anbieten, wo sie abhängen können, wie es bei denen so schön heißt. Dieses Beispiel könnte doch Schule machen, wenn es in Lünen-Süd funktioniert. Als Stadt haben wir Schulgebäude, für die wir 24 Stunden Miete zahlen, die wir aber nur acht Stunden am Tag nutzen. Hier sehe ich großes Potenzial zur Optimierung von Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche.

Was fürs Thema Jugendliche gilt, trifft auch auf den Aspekt Sicherheit zu: In zahlreichen Stadtteilen fühlen sich die Menschen einfach nicht sicher. Was tut die Stadt dagegen?

Wir haben da ja die Ordnungspartnerschaft mit der Polizei, die ich für ein wichtiges Signal an die Bevölkerung halte. Überall da, wo die gemeinsame Streife von Ordnungsamt und Polizei in Uniform auftaucht, da ist dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Menschen in jedem Fall Rechnung getragen. Und auch objektiv gesehen hat sich dadurch die Situation verbessert.

Ist die gemeinsame Streife denn auch in den Stadtteilen unterwegs?

Natürlich, die untere Münsterstraße zum Beispiel ist ein Schwerpunkt der Streife.

Die vielfach angesprochene Münsterstraße zählt für viele Menschen zur Innenstadt, wo die Streife in der Tat regelmäßig zu sehen ist. Was aber ist mit Niederaden oder Alstedde?

Die Ordnungspartnerschaft macht da keine Ausnahme. Grundsätzlich gilt, dass im ersten Jahr dieser Partnerschaft viel Pionierarbeit geleistet wurde. Das müssen wir jetzt auswerten. Dabei geht es auch um solche Dinge wie, mit welchem Auto die gemischten Einsatzkräfte zum jeweiligen Einsatzort fahren: mit einem Wagen der Stadt oder der Polizei? Klar ist aber auch, dass die Bürger selbst gefordert sind. Gegenseitig aufeinander aufpassen und sich bei der Polizei melden, sobald sie das Gefühl haben, hier stimmt etwas nicht. Polizei und Ordnungspartnerschaft können nicht überall sein.

Vielleicht noch ein paar Worte zu Lünens größtem Stadtteil Brambauer: Laut den Umfrageteilnehmern hat die Stadt Brambauer überhaupt nicht auf dem Schirm. Der Stadtteil fühlt sich vor allem finanziell vernachlässigt. Was sagen Sie dazu?

Ich kann das im Ansatz nachvollziehen. Es ist tatsächlich so, dass in den vergangenen 5 bis 15 Jahren in Brambauer viele Einrichtungen, Infrastruktureinrichtungen, zurückgefahren wurden. Die Polizeiwache ist weggefallen, wir haben das Schwimmbad schließen müssen, wir haben insbesondere eine Verwaltungsstelle dort geschlossen. Das hat schon bei den Bürgern und Bürgerinnen das Gefühl geweckt, dass wir uns nicht um Brambauer kümmern würden. Das stimmt aber nicht, wir haben Brambauer nie aufgegeben. Wir investieren in Brambauer genauso wie in andere Ortsteile. Es sind dort neue Sporthallen entstanden. Erst vor Kurzem haben wir dort die neue Feuerwehrwache eingeweiht. Außerdem gibt es für Brambauer von Seiten der Stadt Sonderbemühungen.

Die Aufnahme zeigt das erste Treffen der „Zukunftswerkstatt Brambauer 2030“ Ende Februar im Bürgerhaus Brambauer. Das Interesse war riesig.

Die Aufnahme zeigt das erste Treffen der „Zukunftswerkstatt Brambauer 2030“ Ende Februar im Bürgerhaus Brambauer. Das Interesse war riesig. © Storks

Was für Sonderbemühungen?

Wir haben mit dem Haushalt 2018 ein Programm aufgelegt, mit dem wir das bürgerschaftliche Engagement über drei Jahre mit jeweils 50.000 Euro unterstützen. In Brambauer herrscht die glückliche Situation vor, dass die Menschen dort viele eigene Ideen entwickeln und mit ganz viel Engagement umsetzen. Ich denke da an die Bürgerinitiative Volkspark oder die Anfang dieses Jahres ins Leben gerufene „Zukunftswerkstatt 2030“. Das sind ganz tolle Engagements. Das zeigt, dass die Bürger nicht resigniert haben. Das zeigt auch, dass die Bürger wissen, sich selber zu helfen. Beste Beispiele hierfür sind das Bürgerhaus und die Bürgerbücherei. Das alles wollen Verwaltung und Stadtrat unterstützen.

Was macht Lünen lebenswert, warum lohnt es sich in Lünen zu wohnen?

Es ist die Vielfalt der Menchen, die in Lünen leben. Das ist eine große Bereicherung für die Stadt. Es geht um verschiedene Kulturen, es geht aber auch um Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen, Neigungen und Fähigkeiten. Trotz unterschiedlich ausgeprägter Fähigkeiten ist man hier in der Lippestadt so nah zusammen. Das ist, glaube ich, etwas ganz Besonderes. Und das andere, was Lünen so reizvoll macht, ist, die geographische Lage. Auf der einen Seite am Rande des Ballungsraumes, mit all den tollen Möglichkeiten in die Metropolen-Städte zu kommen. Und auf der anderen Seite, die Nähe zum grünen Münsterland. Das ist das, was ich an Lünen schätze. Meine Familie und ich fühlen uns hier sehr wohl.