Bürger will Extra-Steuer für Einwegverpackungen in Lünen In Tübingen gibt es lokale Regelung schon

Bürger will Extra-Steuer für Einwegverpackungen in Lünen
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Eine lokale Verbrauchssteuer für Einweg-Verpackungen betrifft nicht nur To-Go-Becher, sondern auch beispielsweise Besteck, Schalen und Kartons. Was in Tübingen seit Anfang 2022 Realität ist, steht auch in anderen Städten zur Debatte. In Lünen jetzt auch.

Am Donnerstag (14. September) steht im Haupt- und Finanzausschuss ein entsprechender Bürgerantrag auf der Tagesordnung. Der Antragsteller ist für die Öffentlichkeit anonymisiert worden, sein Brief an den Bürgermeister ist aber einsehbar. Die seit dem 1. Januar 2023 geltende Mehrwegangebotspflicht habe laut dem Bürger bisher nicht zu spürbar weniger Einwegmüll geführt. Das liege seiner Meinung nach zum einen daran, dass viele Betriebe die Pflichten ignorieren würden. Andererseits daran, dass Einweg-Alternativen aus Holz und Papier verwendet werden würden. Das Problem unnötiger Abfallberge würde damit nicht behoben werden. Zahlen für das Müllaufkommen in Lünen führt er nicht an.

50 Cent oben drauf

Laut der deutschen Umwelthilfe werden in Deutschland jährlich 5,8 Milliarden Einweggetränkebecher und 4,3 Milliarden Einwegessensboxen verbraucht. Um den Betrieben einen finanziellen Anreiz zu setzen, abfallarme und umweltfreundliche Mehrwegalternativen zu nutzen, fordert der Antragsteller eine örtliche Verbrauchssteuer und verweist auf die Stadt Tübingen. Die Universitätsstadt ist in dem Zusammenhang Vorreiter, dort gilt diese Steuer seit dem 1. Januar 2022. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verpackungssteuer für rechtmäßig erklärt, nachdem die Fast-Food-Kette McDonald‘s dagegen geklagt hatte. Demnach handelt es sich um eine örtliche Verbrauchssteuer. Der Steuerbetrag für Einweg-Becher und Einwegboxen, - schalen (z.B. für Burger, Pommes, Pizza) beträgt in Tübingen 50 Cent. Für Besteck aus Holz oder Plastik sind es 20 Cent. Steuerschuldner ist der Endverkäufer.

Bislang ist man in Tübingen zufrieden mit der Steuerwirkung. Nicole Romey, Sprecherin der Stadt, teilt auf Anfrage mit: „Die Auswirkung der Verpackungssteuer zeigt sich für uns vor allem an der deutlich gestiegenen Zahl der Betriebe in Tübingen, die jetzt Mehrweggeschirr anbieten. Die Verpackungssteuer und das städtische Mehrweg-Förderprogramm haben dazu geführt, dass in Tübingen inzwischen viel mehr Menschen mit Mehrweg-Behältern unterwegs sind.“ Zahlen zum (veränderten) Müllaufkommen würden jedoch nicht erfasst. Die für Müllentsorgung zuständigen kommunalen Mitarbeiter sollen aber von sichtbar weniger Verpackungsmüll aus Einwegverpackungen berichten.

Ein Regal mit Pizzakartons.
Auf Pizzakartons aus Papier würde gemäß einer örtlichen Verbrauchssteuer künftig ein bestimmter Betrag entfallen. © Benedikt Iwen

Kanne nutzt Mehrwegbecher

Wilhelm Kanne Junior hält von einer Verpackungssteuer, die sich nur auf eine Kommune begrenzt, nicht besonders viel. Die Bäckerei Kanne hat 26 Filialen, 17 davon in Lünen. Weitere sind in Kamen, Bergkamen, Werne, Münster und Selm. Die wirtschaftlichen Kalkulationen würden dadurch also komplizierter. Er sagt: „Eine lokale Steuer finde ich sehr fraglich. Man müsste stattdessen ein einheitliches Konzept suchen, ein funktionierendes System.“

Die vermehrten Kosten müssten dann an die Kunden weitergegeben werden. „Wir sind für Umweltschutz und wissen, dass wir mit unseren Produkten viel Müll produzieren. Wir probieren aber, gut damit umzugehen und so CO2-neutral wie möglich zu sein.“ Es sei auch deutlich mehr möglich, um Verpackungsmüll zu reduzieren, als derzeit praktiziert werde. Die eigene Tasse mit Kaffee oder Tee zu befüllen, geht bei der Bäckerei Kanne schon seit zehn Jahren. Seit zwei Jahren arbeite die Großbäckerei nun auch mit dem Recup-Mehrwegsystem. Für einen Euro Pfand können die Kunden so ihr Getränk in einem spülmaschinenfesten Mehrwegbecher aus thermoplastischen Kunststoff mitnehmen. Vorteil: Der Becher muss nicht dort abgegeben werden, wo er gekauft wurde, sondern einfach nur bei einem anderen Recup-Partner. Kanne sagt dazu: „Es ist für uns ein teures System, hat aber ein großes Verbreitungsgebiet. Es wird immer mehr genutzt, es braucht aber auch seine Zeit bis die Akzeptanz bei den Kunden da ist.“

McDonald‘s klagt

In Tübingen legte eine örtliche McDonald‘s-Filiale Klage gegen die Einführung der Verpackungssteuer ein, scheiterte dann aber in zweiter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht. Nun legte die amerikanische Fast-Food-Kette Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Auswirkungen auf die Steuererhebung in Tübingen hat das aber nicht.

Auf Anfrage der Redaktion teilte die Pressestelle des Unternehmens mit: „McDonald’s unterstützt das Bestreben, Plastik- und Verpackungsabfälle zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Grundsätzlich sind wir jedoch davon überzeugt, dass es einer einheitlichen Lösung auf Bundes-Ebene bedarf.“ Eine bundesweite Lösung würde Planungssicherheit für die 200 mittelständischen Franchise-Nehmer bedeuten und zugleich auch notwendige Innovationen für nachhaltigere Verpackungen in der Breite fördern, schreibt das Unternehmen. Das sei auch der Grund dafür, weshalb die Franchise-Nehmerin aus Tübingen im laufenden Verfahren weiter unterstützt werde.

Seit Ende Dezember 2022 gäbe es nun in allen Filialen die Möglichkeit, Kalt- und Heißgetränke sowie Eissorten in einer Mehrwegverpackung zu bestellen, schreibt das Unternehmen weiter. Zusätzlich zum Produktpreis bezahlt der Kunde zwei Euro Pfand für die Mehrwegverpackung, die später in einem der 1.450 Restaurants in Deutschland wieder zurückgegeben werden kann.

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