Bitter für die Mitarbeiter - aber gut für die Umwelt
Steag geht vom Netz
Die von der Steag angekündigte Stilllegung des Lüner Steinkohle-Kraftwerks kostet circa 150 Arbeitsplätze. Das ist die eine Seite der Medaille. Doch es gibt auch noch eine andere Seite. Den Umweltaspekt.

Die Lippe von oben: Das Bild zeigt den Bereich, in dem das Steag-Kühlwasser in den Fluss eingeleitet wird. © Foto Goldstein
Wenn das Kraftwerk wie geplant zum 2. März 2019 vom Netz geht, verschwindet auch ein Verursacher von Umweltbelastungen von der Lüner Landkarte.
Lange nicht im Dauerbetrieb
Der konkrete Umfang der Entlastung lässt sich allerdings nicht beziffern. Denn das Kraftwerk lief schon in den vergangenen Jahren nicht im Dauerbetrieb, stieß also phasenweise gar keine Schadstoffe aus. Das war an der fehlenden Wasserdampffahne über dem Kühlturm zu erkennen.
Klar ist: Geht das Kraftwerk vom Netz, versiegt auch der stetige Strom warmen Kühlwassers, das Steag in Betriebsphasen in die Lippe einleitet. Der Fluss profitiert davon ungemein, wie Michael Steinbach, Sprecher des Lippeverbands, am Freitag auf Anfrage erklärt: „Dieses Wasser heizt die Lippe um etwa drei Grad auf – und das ist viel.“ In Extremsituationen würde so für einige Fischarten die Sauerstoffversorgung knapp.
Veraltete Technik
Zwar würden auch andere Kraftwerke Wasser in die Lippe einleiten. Aber die verfügten alle über modernere Technik, die Auswirkungen seien deutlich geringer. Noch ein Problem der aktuellen Situation: Es gibt Fischarten, deren Laichverhalten im Winter über die Wassertemperatur gesteuert wird. Wird das Wasser nicht mehr kalt genug, wird das Verhalten der Fische gestört. Aus rein ökologischer Sicht, so Steinbach, sei das Steag-Aus also gut.

Das Steag-Kraftwerk von oben. © Foto Goldstein
Doch auch über die Luft gelangen neben harmlosem Wasserdampf auch gefährliche Stoffe aus dem Kraftwerksbetrieb an die Umwelt: Quecksilber zum Beispiel, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid sowie das klimaschädliche Kohlendioxid.
Rangliste von 2006
Die Umweltorganisation WWF (World Wildlife Fund) listete das Steag-Kraftwerk auf Platz 12 der „30 klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands“. Allerdings stammt diese Rangliste aus dem Jahr 2006. Ein Ende 2015 veröffentlichtes Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen verglich den Quecksilberausstoß deutscher Kohlekraftwerke – auf Basis von Daten aus 2013. Danach gelangten in dem Jahr 16,7 Kilogramm Quecksilber aus der Lüner Anlage an der Moltkestraße in die Umwelt. Platz 32 von 37 erfassten Kraftwerken.
Quecksilber ist ein Nervengift, das das Erbgut verändert und im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Die Steag erklärte Anfang 2016 zu dem Gutachten, das Lüner Kraftwerk erfülle bereits die erst ab 2019 in Deutschland geltenden strengeren Quecksilber-Grenzwerte.
„Punktuelle Reduzierung der Luftbelastung“
Die für Genehmigung und Überwachung zuständige Bezirksregierung Arnsberg erklärte auf Anfrage, das Steag-Kraftwerk schöpfe den von der Behörde genehmigten Rahmen an Emissionen nicht aus.
„Eine punktuelle Reduzierung der Luftbelastung ist die logische Folge der Kraftwerksschließung“, sagt Eckhard Kneisel, Sprecher der Ratsfraktion der Lüner Grünen. Wenn aber alte Kraftwerke abgeschaltet würden und gleichzeitig neue sehr viel größere mit noch mehr CO2-Ausstoß ans Netz gingen, sei das „für die Umwelt ein Desaster“. Als Beispiele nennt Kneisel Trianel in Lünen und Uniper in Datteln.
Forschungsprojekt
Auch Steag-Sprecher Forian Adamek glaubt, dass es insgesamt nicht zu einer Reduzierung des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) kommt, wenn die Lüner Anlage 2019 vom Netz geht. „Der in Lünen produzierte sogenannte Regelstrom wird dann nicht aus regenerativen Quellen erzeugt, sondern in anderen, konventionellen Kraftwerken.“ 2016 habe die Lüner Anlage 1,1 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen, so Adamek.
Seit 2015 lief am Standort Lünen ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, aus CO2 den Kraftstoff Methanol herzustellen. Inzwischen, so Steag-Sprecher Adamek, ist das Projekt begraben. Die Projektpartner hätten sich einen anderen Standort gesucht, nachdem Steag die Schließung in Lünen signalisiert habe. Den C02-Abscheider, den es in Lünen gibt, werde man nach Stilllegung an den Standort Herne verlegten, erklärt Adamek.
Petrolkoks verbrannt
Grünen-Politiker Kneisel weist darauf hin, dass das Steag-Kraftwerk auch „Sondermüllverbrennungsanlage durch den massiven Einsatz sogenannter Sekundärbrennstoffe war“. Dazu zähle der Stoff Petrolkoks. Die Genehmigung dafür bestehe in der Tat, bestätigt Benjamin Hahn, Sprecher der Bezirksregierung. Allerdings sei von dieser Möglichkeit der Mitverbrennung „in den letzten Jahren“ kein Gebrauch gemacht worden.
Bei der Folgenutzung der Steag-Fläche ab 2019 komme es darauf an, „umweltbelastende Industriebetriebe auszuschließen, denn davon haben wir auch ohne das Steag-Kraftwerk noch mehr als genug in Lünen“, fordert Kneisel. Für die von der Kraftwerksschließung betroffenen Arbeitskräfte gelte es, „akzeptable Lösungen zu schaffen.“ Insgesamt, so Kneisel, schaffe die Energiewende aber mehr zukunftsfähige Arbeitsplätze.