
© Montage Martin Klose
Bergbau stellt Pumpen ab: Welche Auswirkungen hat das für Brambauer?
Bergbau
Der Bergbau hat das Ruhrgebiet tiefergelegt. Pumpen verhindern, dass das Revier keine Seenplatte wird. In einem Bereich, zu dem auch Brambauer gehört, will die RAG die Pumpen jetzt abstellen.
Carolinenglück: Das war der Name eines schon 1957 geschlossenen Bergwerks in Bochum-Hamme - mehr als 30 Kilometer entfernt von Brambauer. Dennoch hat der Name der 1847 abgeteuften Zeche Vertreter des Lüner Rates und der Stadtverwaltung aufhorchen lassen. Denn die Ruhrkohle AG will „die zentrale Wasserhaltung Carolinenglück“ einstellen. Die unterirdischen Pumpen sollen aufhören zu arbeiten. Das betrifft auch Brambauer.
„Keine Sorge, da wird nichts in die Keller laufen“, hatte Thomas Berger, Leiter der Abteilung Stadtplanung im Rathaus, den Politikerinnen und Politikern Ende 2021 versichert: die entscheidende Information für die Menschen vor Ort. Viele Detailfragen folgten, die im Stadtplanungsausschuss offen blieben. Die Redaktion hat nachgefragt bei der Abteilung Bergbau und Energie der Bezirksregierung Arnsberg, dem ehemaligen Oberbergamt Dortmund. Sprecher Peter Hogrebe antwortet und gewährt einen Einblick in die inzwischen verlassene Welt untertage.

Dieses Fotos eines Bergmanns entstand auf der Zeche Prosper Haniel in 1250 Meter Tiefe an einem Flöz unter Bottrop - „vor Kohle“, wie es in der Bergbau-Sprache heißt. Das Bergwerk Prosper Haniel war das letzte aktive Steinkohle Bergwerk im Ruhrgebiet und schloss 2018. © picture alliance/dpa
? Die Steinkohleförderung ist inzwischen in ganz Deutschland Geschichte. Kurz vor Weihnachten 2018 hat die letzte Zeche, Prosper-Haniel in Bottrop, den Betrieb eingestellt. In Lünen war schon 26 Jahre eher Schicht. Wie sehen die ehemaligen Schächte unter Brambauer aus?
1992 wurde die Zeche Minister Achenbach in Brambauer stillgelegt - nach 92 Jahren. Die Schächte im Bereich Brambauer haben eine Tiefe - in der Sprache der Bergleute „Gesamtteufe“ - zwischen 998 und 1029 Metern. Diese seien „nach dem Stand der Technik dauerstandsicher verfüllt“, sagt Hogrebe. Womit? Der Experte nennt „Betonmischungen, zum Teil in Kombination mit Lockermassen.“ Lockermasse ist in der Bergingenieursprache ein Oberbegriff für Gesteine oder Böden. Peter Hogrebe: „Eine Gefahr für die Tagesoberfläche geht von diesen Schächten nicht aus.“
? Beim Verfüllen von Schächten in NRW kamen auch Abfall- und Reststoffe zum Einsatz, unter anderem auch hochgiftige Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen. Ist das im Brambauer auch der Fall gewesen?
Die Ruhrkohle AG hatte in den 1990er-Jahren teilweise Sondermüll zur Verfüllung der Hohlräume in mehr als 800 Meter Tiefe eingesetzt: Kraftwerksrückstände, Rückstände aus der Stahl- und Zementproduktion, aus der Hausmüll- und Klärschlammverbrennung sowie Altsande aus Gießereibetrieben. Zwar hatten damalige Gutachten versichert, dass ein Austritt von Giftstoffen wie Dioxin sicher auszuschließen sei. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hatte das aber immer wieder angezweifelt und von einer tickenden Zeitbombe gesprochen: Anlass für die Landesregierung, die Umweltauswirkungen untersuchen zu lassen. Das Ergebnis aus dem Jahr 2018: „Es ist kein Handlungsbedarf zur Risikominimierung hinsichtlich der Bruchhohlraumverfüllungen erkennbar.“
Betroffen von dieser umstrittenen Form der Hohlraumverfüllung sind das Bergwerk Haus Aden in Lünens Nachbarstadt Bergkamen und Walsum in Duisburg, aber nicht Brambauer. „Gemäß den Gutachten zur Prüfung möglicher Umweltauswirkungen des Einsatzes von Abfall- und Reststoffen zur Bruch-Hohlraumverfüllung in Steinkohlenbergwerken in Nordrhein-Westfalen wurden im ehemaligen Bergwerk Minister Achenbach keine bergbaufremden Abfälle verbracht“, versichert Peter Hogrebe auf Anfrage der Redaktion.
? Der Bergbau hat das gesamte Ruhrgebiet tiefergelegt, stellenweise mehr als 20 Meter. Wie stark waren die Absenkungen in Brambauer in Folge der Schließung von Minister Achenbach?
„Nach der Stilllegung des Bergwerks Minister Achenbach kam es im Nachgang zu abbaubedingten Restsenkungen im unteren Millimeterbereich“, schreibt der Bergingenieur der Bezirksregierung. Diese Absenkungen seien mittlerweile abgeklungen, sodass von der sogenannten Bergruhe auszugehen sei.

Dieses Foto aus dem Jahr 1994 aus dem Stadtarchiv zeigt die Abbrucharbeiten auf dem Gelände der zwei Jahre zuvor geschlossenen Zeche Minister Achenbach in Brambauer. © Stadtarchiv
? Warum müssen unter Tage Pumpen laufen, obwohl dort niemand mehr arbeitet?
Rund 200 Jahre lang haben Menschen im Revier Steinkohle gefördert. Ein unterirdisches Labyrinth von Schächten und Stollen zu den Kohlelagerstätten ist entstanden, um Abermillionen Tonnen von Kohle und Gestein ans Tageslicht zu holen. Die entstandenen Hohlräume haben das gesamte Revier absacken lassen. Würden die Pumpen abgestellt, würden nicht nur die Hohlräume unter Tage überschwemmt, sondern auch die tiefergelegte Landschaft darüber. Außerdem wäre das Trinkwasser in Gefahr.
Wenn Regenwasser durch verschiedene Bodenschichten viele hundert Meter nach unten sickert, wäscht es Salze und Mineralien aus dem Gestein. Das sogenannte Grubenwasser in großer Tiefe hat laut Hogrebe eine hohe Konzentration an Chlorid, Sulfat sowie Schwermetallen. Außerdem hat es Spuren von den Stoffen die im Bergbau zum Einsatz kamen: etwa Hydrauliköle, die zwischen den 1960er und 1980er-Jahre mit PCB versetzt waren, damit die Treibstoffe in den Bergwerken keine Explosionen auslösen. Solches Grubenwasser darf sich nicht mit dem Grundwasser darüber - dem Trinkwasser der Menschen - vermischen.

Diese Aufnahme zeigt Schacht 1 der Zeche Minister Achenbach.
? Was hat Minister Achenbach mit Carolinenglück zu tun?
Carolinenglück ist nicht nur der Name des einstigen Bochumer Bergwerks, sondern auch der Wasserprovinz im mittleren Ruhrrevier. In solchen Provinzen war die Wasserhaltung innerhalb des Netzwerkes von Stollen und Schächten im Revier organisiert. Und ist es auch jetzt noch. Denn die Wasserhaltung ist eine Ewigkeitslast. Dennoch sollen künftig nicht mehr so viele Pumpen laufen wie bisher. Die von Carolinenglück werden abgestellt, ebenso von Zollverein und Amalie in Essen.
Das Grubenwasserkonzept für das Ruhrrevier sieht vor, Grubenwasser nur noch an sechs zentralen Wasserhaltungsstandorten zu heben. Der Standort Lohberg in Dinslaken wird nach dem Jahr 2030 die größte Zentrale Wasserhaltung in NRW sein. Hier werden dann jährlich maximal rund 33 Millionen Kubikmeter Wasser gehoben und direkt in den Rhein geleitet.
? Wo wird künftig überhaupt noch im Revier Grubenwasser gepumpt, und wird das auch noch in die Lippe eingeleitet?
„In die Lippe wird zurzeit kein Grubenwasser eingeleitet“, sagt Peter Hogrebe.
Das kann sich aber wieder ändern. „Am zuletzt im Einzugsgebiet der Lippe betrieben Standort Haus Aden in Bergkamen ruht der Betrieb der Wasserhaltung seit dem Jahr 2019 und wird nach Erreichen des angestrebten Grubenwasserpegels voraussichtlich im Jahre 2025 wieder in Betrieb gehen.“
Damit bleibt Haus Aden auf der Liste der sechs verbleibenden Pumpstandorte:
- Haus Aden in Bergkamen (Einzugsgebiet Lippe)
- Walsum in Duisburg (Einzugsgebiet Rhein)
- Lohberg in Dinslaken (Einzugsgebiet Rhein)
- Robert Müser in Bochum (Einzugsgebiet Ruhr)
- Friedlicher Nachbar in Bochum (Einzugsgebiet Ruhr)
- Heinrich in Essen (Einzugsgebiet Ruhr)

Das Archivfoto zeigt die Einleitungsstelle in Bergkamen in die Lippe - unweit der Stadtgrenze zu Lünen. Hier wird seit 2019 kein Grubenwasser mehr eingeleitet. Das wird sich aber in wenigen Jahren wieder ändern. © HA
? Welche Auswirkungen hat das Abstellen der Pumpen auf Brambauer?
Keine. So lautet die Kurzfassung der Antwort der Bergaufsicht. Die Langfassung geht so: „Aufgrund unterschiedlicher Wasserniveaus kann die Wasserprovinz Carolinenglück in eine südliche, westliche, mittlere und östliche Teilprovinz aufgeteilt werden“, erklärt Peter Hogrebe den Ist-Zustand. Der Bereich Lünen-Brambauer sei der östlichen Teilprovinz zuzuordnen. „Nach dem Abstellen der Pumpen der zentralen Wasserhaltung Carolinenglück wird das Grubenwasser in der südlichen, mittleren und westlichen Teilprovinz Carolinenglück ansteigen.“ Die östliche Teilprovinz und so auch der Bereich des Stadtgebiets Brambauer werde „aufgrund der dort heute schon vorhandenen höheren Grubenwasserstände nicht am Anstiegsgeschehen teilnehmen.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
