
Weniger neue Wohnungen: Das ist die Bilanz im Vergleich der Jahre 2020 und 2021 sowohl in NRW als auch im Kreis Unna. Andreas Zaremba, Geschäftsführer des Bauvereins zu Lünen kennt mögliche Gründe. © dpa/Bauverein zu Lünen
Bauboom stagniert im Kreis Unna: „Das hat sich dramatisch verändert“
Wohnungsbau
Im Kreis Unna wurden in den vergangenen zwei Jahren weniger neue Wohnungen gebaut. Drei regionale Baufirmen, die in Lünen und Selm tätig sind, stehen im Moment vor großen Problemen.
Im Kreis Unna scheint der Bauboom in den vergangenen zwei Jahren etwas abgeflacht zu sein. Dies geht aus aktuellen Zahlen von IT.NRW und IG Bau hervor. Demnach wurden 2021 insgesamt 271 neue Wohngebäude errichtet (2020: 326) und 699 neue Wohnungen geschaffen (2020: 1006). Das bedeutet im direkten Vergleich von 2020 und 2021 einen Rückgang von 16,8 sowie 30,5 Prozent. Bezieht man die Zahl der fertiggestellten Unterkünfte auf die Einwohnerzahl, ergibt sich für den Kreis Unna eine „Wohnungsbauquote“ von 17,8 Prozent für das Jahr 2021 (2020: 25,5 %). In Lünen und Selm zeigt sich hinsichtlich der Neubau-Situation ein ganz unterschiedliches Bild.
Die Wohnungsbaugesellschaft Lünen hat in der Lippestadt im vergangenen Jahr 22 neue Wohnungen in der Graf-Haeseler-Straße fertiggestellt. 2020 waren es hingegen nur 12 Neubauten. Das Finanzierungsvolumen lag in den zwei vergangenen Jahren mit 4,6 (2021) und 4,5 Millionen Euro (2020) grob gleichauf.
Der Bauverein zu Lünen verzeichnet für das Jahr 2021 15 neue Wohnungen, alle an der Kreuzstraße im Ortsteil Beckinghausen. Hierbei wurden rund fünf Millionen Euro investiert. Vor zwei Jahren hat das Unternehmen keinerlei Neubauten fertiggestellt.

Der Campus, unter anderem mit seinen Wohnungsgebäuden, gehört in Selm zu den größten Bauprojekten der vergangenen Jahre. © Günther Goldstein
In Selm sieht die Lage etwas übersichtlicher aus, denn mit dem Campus gibt es genau ein großes Bauprojekt, an dem die WBG Lünen und der Bauverein zu Lünen im Jahr 2020 beteiligt waren. Von beiden Wohnungsbaugesellschaften zusammen wurden vor Ort 104 neue Wohnungen gebaut, die insgesamt 23,8 Millionen Euro gekostet haben. Beide Unternehmen haben im vergangenen Jahr keinerlei Bautätigkeiten dokumentiert. Auch aktuell sei nichts in Bau, erklären die Firmen auf Anfrage.
Unterschiedliche Trends in Lünen und in Selm
Bezogen auf die zwei Baufirmen stimmt die Entwicklung in Selm mit dem Kreis-Trend überein, dass 2020 mehr Wohnungen als 2021 gebaut wurden. In Lünen zeigt sich hingegen ein gänzlich anderes Bild. Während die WBG beim Wohnungsbau eine Steigerung von gut 45,5 Prozent innerhalb der vergangenen zwei Jahre zu verzeichnen hat, sind es beim Bauverein zu Lünen durch den nicht vorhandenen Wohnungsbau im Jahr 2020 genau 100 Prozent.
Die Unnaer Kreis-Bau- und Siedlungsgesellschaft (UKBS) hingegen hat sowohl in den Jahren 2020 und 2021 keine Wohnungen in Selm oder Lünen fertiggestellt. Derzeit befindet sich laut dem Unternehmen aber in Selm an der Schulstraße ein Mehrgenerationenwohnprojekt mit 26 Mietwohnungen im Bau.
Baubranche steht derzeit vor vielen Problemen
Trotz dieser Unterschiede haben viele Firmen in der Baubranche im Moment mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Die Unternehmen, die für Selm und Lünen zuständig sind, heben dabei vor allem die schlechten Rahmenbedingungen für das Bauen von Wohnungen hervor.

Bevor es zu den massiven Problemen in der Baubranche gekommen ist, wurde in Lünen durch die WBG und den Bauverein der Lippewohnpark 2019 eröffnet. © Goldstein
In der Praxis bedeutet das: fehlende Materialien und Handwerker, extrem hohe Grundstückspreise und Baukostensteigerungen im deutlich zweistelligen Bereich. Der Bauverein zu Lünen spricht beispielsweise bei Arbeiten durch einen Zimmerer von Preissprüngen bis zu 35 Prozent. „Das hat sich dramatisch verändert. Bauen ist unheimlich teuer geworden“, erklärt Geschäftsführer Andreas Zaremba.
Laut einer aktuellen Statistik von IT.NRW ist der Baupreisindex für Wohngebäude in NRW im Mai 2022 um 16,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor und erreichte damit den höchsten Wert seit 1970. Bei Rohbauarbeiten wurden die höchsten Steigerungsraten für die Beton- (+25,4 Prozent) und Stahlbauarbeiten (+26,6 Prozent) gemeldet. Für Ausbauarbeiten gab es bei Metallbau- (+20,2 Prozent) sowie Dämm- und Brandschutzarbeiten an technischen Anlagen (+25,2 Prozent) die stärksten Anstiege.
Zukunftsplanung durch aktuelle Lage nur schwer möglich
Problematisch sei diese Situation laut der WBG Lünen vor allem bei der Planung neuer Projekte sowie bei Projekten, deren Planung abgeschlossen ist und die kurz vor dem Baubeginn stehen. „Insbesondere die Realisierung geförderter Wohnungen ist unter diesen Bedingungen fast unmöglich“, erklärt Jana Neumann, Sprecherin des Unternehmens.
Dadurch könnten zudem genaue Fertigstellungszeitpunkte oder voraussichtliche Gesamtkosten nur schwer genannt werden, fügt die UKSB hinzu. Derzeit wird wegen des ungewissen Blicks in die Zukunft laut der WBG genau geprüft, ob ein Projekt durchgeführt werden kann oder zunächst einmal zurückgestellt wird.
Seit 2016 hat mich der Lokaljournalismus gepackt. Erst bei der NRZ und WAZ gearbeitet, dann in Hessen bei der HNA volontiert. Nun bei den Ruhr Nachrichten als Redakteurin zu Hause. Wenn ich nicht schreibe und recherchiere, bin ich in den Bergen beim Wandern und Klettern unterwegs.
