Martin Urner liebt es zu fotografieren. Der Lüner hat schon die unterschiedlichsten Menschen vor der Linse gehabt. Doch sein derzeitiges Projekt ist auch für den erfahrenen Fotografen etwas ganz Besonderes. Er fotografiert Lünerinnen und Lüner, die die Diagnose Demenz erhalten haben und bereits mehr oder weniger dementiell verändert sind. Es entstehen großformatige Fotos, die Anfang 2024 in der Stadtgalerie im Hansesaal gezeigt werden. Die Idee dazu, mit der Ausstellung der Krankheit im wahrsten Sinn des Wortes ein Gesicht zu geben, hatte Annette Goebel. Die Koordinatorin für Altenarbeit der Stadt Lünen will Demenz dauerhaft aus der Tabuzone holen, in der die Krankheit noch immer steckt.
„Viele Leute, die noch nicht mit Demenzkranken in Berührung gekommen sind, glauben, man sieht es den Betroffenen doch an, dass sie krank sind. Aber das ist nicht der Fall. Ich finde, diese Krankheit braucht Öffentlichkeit, kein ,unter den Tisch kehren‘.“ Die Idee, von Demenzkranken Fotos auszustellen, stellte sie selbst dennoch mehrmals auf den Prüfstand: „Ich hab überlegt, ob man es wagen kann, auch im Hinblick auf die Angehörigen, kann man die Fotos in einem Rahmen zeigen, in dem Menschen Ausstellungen gewohnt sind?“ Nach langem Überlegen war sie dann sicher, dass es eine gute Idee ist. „Die Portraits geben keine voyeuristischen Einblicke, sondern begegnen einfühlsam der Erkrankung – und den Erkrankten selbst. Und diese Begegnung wird auf diesem Weg auch den Betrachtenden ermöglicht – und damit eine Nähe, die ansonsten meist eher nicht gesucht wird, wenn es um Demenz geht“, so Annette Goebel.

Martin Urner kennt Annette Goebel schon länger - als Kollegen bei der Stadt Lünen und als engagierten Fotografen. Urner hat durch seine hauptberufliche Tätigkeit lange Erfahrung im Umgang mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Das Netzwerk Demenz mit seinen vielen Mitgliedern hat die Idee zu den Betroffenen und ihren Angehörigen gebracht. „Wir mussten nicht fragen, es kamen viele Menschen auf uns zu, die gerne bereit waren, sich fotografieren zu lassen“, freut sich Annette Goebel.
Martin Urner nimmt sich Zeit für die Portraits und die Begegnungen mit den dementiell Veränderten und ihren Angehörigen. „Für mich ist der persönliche Zugang wichtig, da sehe ich aber keinen Unterschied zu anderen Menschen, die ich fotografiere. Ich mag Menschen, gehe auch auf sie zu.“ Berührungsängste kennt er nicht. „Ich bin ein Fotograf, der die sprachliche und körperliche Nähe sucht, wenn es möglich ist.“ Mit der Hand am Arm oder der Schulter der Menschen, die er fotografiert, nimmt er ihnen auch den Druck oder Ängste vor dem Fremden. „Dann ist der Gesichtsausdruck auch viel entspannter als bei komplett gestellten Fotos.“ Wenn Ehepartner oder Kinder mit dabei sind, lädt Urner sie gern ein, dazu zu kommen: „Dabei entstehen sehr innige Situationen zwischen dem Kranken und den Angehörigen, die die Menschen in ihrem Alltag nicht so leben können. Ich mache auch gern gemeinsame Portraits.“ Der Partner oder die Partnerin an ihrer Seite unterstreiche für die Kranken die Normalität bei den Foto-Terminen. Wenn die Paare möchten, dass diese gemeinsamen Fotos ausgestellt werden, wird das auch so gemacht.
Positive Rückmeldungen
Von den Familien, bei denen Urner schon zu Gast war, gibt es nur positive Rückmeldungen: „Sowohl dazu, wie Martin den Zugang sucht als auch zum Miteinander bei den Foto-Sessions“, so Annette Goebel. Als Kooperationspartner holte sie das Museum der Stadt ins Boot: „Das Thema „Erinnern“ ist das verbindende Element zwischen der Arbeit des Museums und des Netzwerkes Demenz,“ so Museumsleiterin Dr. Katja Stromberg. 15 Fotos in großem Format werden vom 28.1. bis 11.2.24 in der Stadtgalerie gezeigt.

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