Vivien Ebbers, Michelle Natterer (von links) absolvieren im Hospiz am Wallgang in Lünen eine Ausbildung zur Altenpflegerin mit einem palliativen Schwerpunkt. Frank Ehrenbrusthoff (rechts) hat seine Ausbildung im Frühjahr beendet. © Julian Preuß
Ausbildung
Ausbildung im Hospiz: Lüner berichten über die schöne Seite des Sterbens
Vivien Ebbers (19) und Michelle Natterer (22) absolvieren im Hospiz am Wallgang eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Sie erklären, warum sie gerne Sterbende in ihren letzten Tagen begleiten.
Das große und lichtdurchflutete Wohnzimmer strahlt eine warme Atmosphäre aus. Raumhohe Fenster ermöglichen einen ausführlichen Blick in den Garten des Hospizes am Wallgang. Eine lilafarbene Sofagarnitur lädt zum Niederlassen ein. Nichts weist darauf hin, dass der Tod hier zum Alltag gehört. Dabei bleiben die Gäste - wie das Team um Hospizleiter Sebastian Roth die hier wohnenden todkranken Menschen nennt - durchschnittlich 17 Tage, bis sie sterben. Betreut werden sie unter anderem von Vivien Ebbers und Michelle Natterer.
Beide absolvieren in der Einrichtung eine Ausbildung zur Altenpflegerin mit einem palliativen Schwerpunkt. Sie haben sich aus Überzeugung für einen Beruf entschieden, der wenig öffentliche Anerkennung bekommt. Teilweise geben sie einen besserbezahlten Job auf und müssen sich für ihre Berufswahl rechtfertigen. Oft hören sie Aussagen wie: „Ich könnte das nicht!“ Oder: „Warum hast du dich ausgerechnet für diesen Beruf entschieden?“
Altenpflege: ein komplexer und vielfältiger Beruf
„Für viele Personen bedeutet der Beruf einer Pflegekraft in der Altenpflege, dass wir den Menschen sozusagen den Hintern abwischen“, erklärt Ebbers, die derzeit im zweiten Ausbildungsjahr ist. Sie entschied sich nach dem Realschulabschluss aus Eigeninteresse für diese dreijährige Ausbildung. Dabei sei der Beruf wesentlich vielfältiger und komplexer, als es viele Menschen vermuten.
Im Hospiz am Wallgang verbringen todkranke Menschen die letzten Tage, Wochen oder Monate ihres Lebens und werden dabei von Pflegepersonal betreut. © Julian Preuß
Das Herausfordernde: In den letzten Tagen, Wochen oder Monaten des Lebens komme es stark auf die psychosoziale Betreuung der Menschen an. Dies sei ein weiterer Punkt, der die Altenpflege im Hospiz von der Altenpflege in einem Seniorenheim unterscheide. „Wir betreuen nicht nur alte Menschen, sondern arbeiten mit Personen jeden Alters und kümmern uns um deren Wohlbefinden“, erläutert Hospizleiter Sebastian Roth. Daher kümmern sich nicht nur Alten-, sondern ebenfalls Krankenpfleger um das Wohl der Gäste.
Das Team kümmert zudem darum, dass alle Angelegenheiten der Menschen erledigt sind. Sie möchten ihren Gästen ein würdevolles Sterben sowie den Angehörigen ein angemessenen Abschied ermöglichen. Genau dies war während der Corona-Pandemie eine Herausforderung. Es sei schwierig gewesen, ein entsprechendes Konzept für die Palliativpflege zu erstellen. „Das ist uns mit unseren Besuchszeiten und den Corona-Schnelltests recht gut gelungen“, sagt Roth.
Das Leben steht im Vordergrund
Das Team um den Hospizleiter legt dennoch viel Wert darauf, dass der Fokus nicht nur auf dem Sterben liegt, sondern vielmehr das Leben bis zum Ende im Vordergrund steht. „Es ist schön, die letzte Lebensfreude aus den Menschen herauszuholen und dabei Ängste und Trauer gemeinsam bewältigen zu können“, erzählt Vivien Ebbers ergänzend.
Ähnlich sieht es Michelle Natterer. Sie empfindet es als Privileg, die Gäste in den letzten Momenten ihres Lebens begleiten zu dürfen. „Wir spielen beispielsweise Mensch-ärgere-dich-nicht und lachen ganz viel“, beschreibt die 22-Jährige. Sie befindet sich im dritten Lehrjahr. Vor der Ausbildung absolvierte sie die Grundausbildung bei der Bundeswehr - ein Job, den sie nicht weiter verfolgt hat. „Das hat mir keinen Spaß mehr gemacht“, erinnert sich Natterer. Den hat sie nun im Hospiz gefunden.
Das Hospiz am Wallgang ist in warmen Farben eingerichtet. © Britta Linnhoff
Einen Schritt weiter ist bereits Frank Ehrenbrusthoff. Der 61-Jährige beendete seine Ausbildung zum Altenpfleger in diesem April. Ehrenbrusthoff blickt auf 35 Berufsjahre im Vertrieb zurück, ehe er nochmal eine Ausbildung absolvierte. „Hier habe ich eine Tätigkeit, die von den Gästen auf eine besondere Art und Weise wertgeschätzt wird. Das ist etwas anderes als ein dicker Gehaltsscheck am Ende des Monats“, sagt er.
Irgendwann, ergänzt Ehrenbrusthoff, sei der Druck im alten Job so groß geworden, sodass er sich für eine Veränderung entschieden habe: „Ich fing vor Jahren in der Demenzbegleitung an, bin dann in die ambulante Sterbebegleitung gekommen und wollte einfach mehr.“ Man könne nicht verstehen welche Freude ihm die Arbeit bereite, wenn man sie nicht selbst erlebt. „Wir bilden mit den Gästen quasi eine Familie. Das ist etwas Besonderes“, führt Ehrenbrusthoff aus, der den Altersunterschied zwischen ihm und seinen Kolleginnen als Bereicherung empfindet.
Tägliche Arbeit mit dem Tod wirkt sich auf das eigene Leben aus
Als bereichernd sieht das Trio ebenfalls die tägliche Arbeit mit dem Sterben und dem Tod an, die sich auf das eigene Leben auswirke. „Die Einstellung zum Leben ändert sich stark. Man sieht, dass man auch in jungen Jahren schwer erkranken kann“, meint Michelle Natterer. Die Folge: Man achte mehr darauf, ein spaßerfülltes Leben zu führen und Dinge zu erleben.
Als eine mentale Belastung siegt Vivien Ebbers die tägliche Konfrontation mit dem Tod nicht mehr. Etwa zwei Wochen habe es gedauert, bis sie Leid, Krankheit und Tod der Menschen nicht mehr mit nach Hause genommen hat. „Ich kann das abschalten, sodass ich das was hier passiert, auch wirklich hier lasse“, sagt sie. Dabei helfe ihr der Gedanke, dass der Tod für viele Hospiz-Gäste einer Erlösung gleichkomme, der Schmerz verschwinde und das Leiden abfalle. So erlebt sie wie ihre Kolleginnen und Kollegen auch, die schöne Seites des Sterbens.
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