Apotheken-Schließungen Vier Städte im Kreis Unna sind die Verlierer

Von Kevin Kohues
25 Apotheken-Schließungen im Kreis Unna innerhalb eines Jahrzehnts
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In Westfalen-Lippe ist auch im 18. Jahr in Folge die Zahl der Apotheken gesunken: Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe vermeldet für das Jahr 2022 einen Rückgang um 37 Betriebsstätten auf nunmehr 1760 Apotheken. Das geht aus einer aktuellen Mitteilung der Apothekerkammer zum Jahreswechsel hervor.

Auf Anfrage unserer Redaktion stellte die Kammer eine Statistik für den Kreis Unna zusammen. Weil es 2022 kreisweit nur eine einzige Apotheken-Schließung (in Selm) gab, wurde der Betrachtungszeitraum zwecks Aussagekraft weiter gefasst. Demnach hat der Kreis Unna seit 2012 „unterm Strich“ 14 Apotheken verloren, ihre Zahl sank von 102 auf 88.

25 Schließungen standen elf Neueröffnungen gegenüber. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass sich die Veränderungen am Apotheken-Markt vor allem in vier Städten abgespielt haben. Ein Überblick.

Hier hat sich die Apothekenlandschaft verändert

  • Bergkamen: In der Nordberg-Stadt hat die Zahl der Apotheken seit 2012 um 20 Prozent abgenommen. Waren Anfang 2012 noch zehn Apotheken geöffnet, waren es Ende 2022 nur noch acht. Vier Apotheken wurden in diesem Zeitraum geschlossen, zwei neue haben zwischenzeitlich eröffnet.
  • Lünen: In der größten Stadt des Kreises gab es seit 2012 sieben Schließungen und nur zwei Eröffnungen. Fünf Apotheken weniger also, aber „nur“ eine Abnahme von 18,5 Prozent: Statt 27 Apotheken gab es in der Lippestadt am Jahresende noch 22.
  • Selm: Den mit 28,6 Prozent prozentual größten Verlust an Apotheken hat die kleine Stadt am Nordrand des Kreises zu verzeichnen. Gab es 2012 noch sieben Apotheken, waren es 2022 nur noch fünf. Vier wurden geschlossen, zwei eröffneten neu.
  • Unna: Die Kreisstadt verlor ein Viertel ihrer Apotheken. 2012 gab es in Unna noch 16, 2022 nur noch 12. Die nächste Schließung ist seitens der Mozart-Apotheke im Medical-Center am Christlichen Klinikum Mitte für den 27. Januar 2023 angekündigt. Sieben Schließungen seit 2012 stehen drei Neueröffnungen gegenüber. Allerdings war die Zahl der Apotheken in Unna gemessen an der Einwohnerzahl auch relativ hoch. Zum Vergleich: In Schwerte und Bergkamen (je 50.000 Einwohner, Unna hat rund 60.000) gab es vor zehn Jahren schon nur elf (Schwerte) bzw. zehn Apotheken (Bergkamen).

Erhard Kaiser beim Ausräumen der Löwen-Apotheke im Sommer 2020. 
Der Apotheker betreibt noch die Eulen- und die Campus-Apotheke in Unna. Die Löwen-Apotheke ist eine von sieben geschlossenen Apotheken in Unna in den vergangenen zehn Jahren.
Erhard Kaiser beim Ausräumen der Löwen-Apotheke im Sommer 2020. Der Apotheker betreibt noch die Eulen- und die Campus-Apotheke in Unna. Die Löwen-Apotheke ist eine von sieben geschlossenen Apotheken in Unna in den vergangenen zehn Jahren. © Archiv

Hier ist die Apothekenlandschaft stabil

  • Bönen, Fröndenberg, Holzwickede und Werne: In diesen vier Kommunen hat sich seit 2012 exakt gar nichts geändert. Es gab also weder eine Schließung noch eine Neueröffnung. In Fröndenberg und Bönen gibt es vier Apotheken, in Holzwickede drei. Werne hat angesichts seiner Einwohnerzahl (rund 30.000) recht viele Apotheken, nämlich neun.
  • Kamen: In der Sesekestadt gab es zwar zwei Schließungen, aber auch zwei Neueröffnungen. Die Zahl der Apotheken (11) ist deshalb konstant geblieben.
  • Schwerte: Die Ruhrstadt hat seit 2012 genau eine Apotheke verloren und zählte zum Jahresende 2022 zehn Apotheken.

Die Mozart-Apotheke ist die achte Apotheke seit 2012, die in der Stadt Unna schließt.
Die Mozart-Apotheke ist die achte Apotheke seit 2012, die in der Stadt Unna schließt. © Udo Hennes

Das sagt die Apothekerkammer

Der Trend zu immer größeren Betriebsstätten halte an. Die Apotheken in Westfalen-Lippe böten aktuell fast 17.000 wohnortnahe Arbeitsplätze. „Das entspricht einem Zuwachs um ein Fünftel binnen 20 Jahren“, bilanziert Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter.

Weiterhin suchten viele Apotheken händeringend Fachkräfte: „Derzeit gibt es in unseren Apotheken über 1100 offene Stellen für Apothekerinnen und Apotheker, PTA und PKA“, so Walter. Das Verhältnis zwischen Stellensuchenden und offenen Stellen liege derzeit bei 1 zu 20. Verstärkt wirbt die Kammer inzwischen bei der „stillen Reserve“ innerhalb der Mitgliedschaft um eine Rückkehr in den Beruf, beispielsweise aus der Elternzeit. Weiterhin fordert sie einen Ausbau des Studienplatzangebotes.

Dr. Andreas Walter ist Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL).
Dr. Andreas Walter ist Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL). © AKWL

Mehr als jede vierte Apotheke werde in Westfalen-Lippe als Filiale geführt (473 Filialapotheken zum Stand 31. Dezember 2022). Damit stünden hinter den 1760 Apotheken nur noch 1286 Inhaberinnen und Inhaber. „Das ist der niedrigste Wert an Selbstständigen seit über 60 Jahren und bereitet uns große Sorgen“, sagt Dr. Andreas Walter.

Mit den Gründen für diese Entwicklung hält er nicht hinter dem Berg. „Die aktuellen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen muss jede Apothekerin und jeder Apotheker, der oder die darüber nachdenkt, sich selbstständig zu machen, als absolute Zumutung empfinden“, so Walter. Eine überbordende Bürokratie, sich wöchentlich verschärfende Lieferengpässe und das jüngste „Spargesetz“ der Bundesregierung seien neben den Personalengpässen derzeit die größten Herausforderungen.

Im Durchschnitt versorge eine Apotheke in Westfalen-Lippe gut 4800 Patientinnen und Patienten. Das seien etwa zehn Prozent mehr als im Bundesschnitt. Laut Walter korrespondiere die geringere Apothekendichte mit der im Bundesvergleich geringen Hausarztdichte in den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster.

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