Dieses Projekt ist eine Herzensangelegenheit für Annette Goebel. Die engagierte Koordinatorin für Altenarbeit der Stadt Lünen und Initiatorin des erfolgreichen Netzwerks Demenz hatte die Idee, Menschen mit Demenz zu portraitieren. Sie von einem professionellen Fotografen ins rechte Licht setzen zu lassen. Eine Idee, die ihr nicht mehr aus dem Kopf ging, auch wenn sie zuerst überlegte, ob solch ein Foto-Projekt überhaupt zu realisieren ist. Würden sich Betroffene finden, die sich vor die Kamera setzen? Und wie würden Angehörige reagieren?
Nun zeigt sich: Die Idee war gut. Denn es fanden sich viele Menschen aus Lünen, die bereit waren, sich fotografieren zu lassen. Und auch die Begeisterung der pflegenden Kinder oder Partner war groß - was auch an Fotograf Martin Urner liegt, der einfühlsam die Portraits fotografierte. „Es gab ganz viele Gänsehautmomente, als wir die Fotos ausgesucht haben. So berührt war ich von dem, was die Fotos rüberbringen“, sagt Annette Goebel. Ab Sonntag (28. Januar) um 15 Uhr können sich Interessenten die Bilder in der Stadtgalerie im Hansesaal ansehen. Bis zum 11. Februar läuft die Ausstellung, für die sich auch bereits andere Städte interessieren.

15 Portraits von Menschen aus Lünen, die die Diagnose Demenz bekommen haben, - teils alleine, teils mit ihren Angehörigen - sind zu sehen. „Wir haben uns bewusst entschieden, die Fotos in Schwarz-Weiß zu zeigen, weil wir den Bildern nichts nehmen wollen. In Farbe wäre zu viel von dem besonderen Ausdruck verloren gegangen“, erklärt Goebel. Dass sie die Idee zu dieser Ausstellung hatte, sei nur möglich gewesen, weil sie „emotional so nah dran“ ist. „Man kann die Krankheit sicher rational erklären, aber alles andere bedarf Emotionalität.“ Denn emotional war das Projekt natürlich auch für diejenigen, die sich fotografieren ließen und für ihre Angehörigen.
Annette Goebel will mit den faszinierenden Portraits, die auch viel Lebensfreude ausstrahlen, trotz der Krankheit, das Thema aus der Tabuzone holen. „Das Ganze ist immer noch sehr schambesetzt, viele Menschen glauben, dass sie etwas im Leben falsch gemacht hätten, weil sie nun diese Krankheit haben.“
Ein weit verbreitetes Vorurteil sei auch, dass man den Betroffenen ihre Krankheit ansieht und dass sie mit der Diagnose ihr Lachen verlieren würden. „Natürlich kann man Demenz nicht schön reden, aber es gibt auch einen Part, der bleibt.“ Die Ausstellung soll zeigen, dass das Leben auch für Demenzkranke nicht furchtbar ist. „Wenn das am Ende bei den Ausstellungs-Besuchenden rüberkommt, ist es das, was wir wollten“, findet Goebel.
Theaterstück über Demenz
Dass ihre ungewöhnliche Idee realisiert werden konnte, ist für Annette Goebel ein wunderbarer Start ins neue Jahr. „Wir wollten zeigen, dass es nicht die eine Art Demenz gibt, vor der wir Angst haben. Und auch, dass es für die Betroffenen und damit auch für ihre Angehörigen gute Tage gibt und auch noch viel von der Persönlichkeit da ist, wie sie vor der Erkrankung war. Wir wollen mit den Fotos klar machen, dass Menschen, die an Demenz erkrankt sind, zu unserer Gesellschaft gehören. Und, dass man das Thema nicht weiter unter den Teppich kehren darf.“
Passend zur Vernissage der Foto-Ausstellung am 28. Januar, bei der um 15 Uhr der Lüner Kulturdezernent Dr. Christian Klicki die Gäste begrüßt und Annette Goebel eine Einführung geben wird, beginnt um 17 Uhr im benachbarten Heinz-Hilpert-Theater ein besonderes Theaterstück. „André y Dorine“ erzählt die Geschichte eines alten Ehepaares. Dabei steht die Veränderung der Ehefrau, die an Demenz erkrankt ist, im Mittelpunkt.
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