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Anfangsverdacht? Staatsanwaltschaft Dortmund prüft jetzt Lüner Derivate-Gutachten
Nach Rats-Entscheidung
Gutachter haben für die Stadt Lünen bewertet, ob sich Ex-Kämmerer und -Bürgermeister mit den Derivate-Geschäften strafbar gemacht haben. Das beschäftigt jetzt auch die Staatsanwaltschaft.
Die Stadt hat mit riskanten Derivate-Geschäften viele Millionen Euro Verlust gemacht und sich nach einer Klage wegen Falschberatung am Ende auf einen Vergleich geeinigt, der wiederum rund 34 Millionen Euro gekostet hat.
Die Verantwortung für diese Geschäfte trugen der ehemalige Kämmerer Hans-Georg Schlienkamp und der ehemalige Bürgermeister Hans Wilhelm Stodollick. Ob beide sich mit dem Abschluss der Geschäfte möglicherweise strafbar gemacht haben, hat die Stadt von der Rechtsanwalts-Kanzlei Kapellmann aus Düsseldorf prüfen lassen. Die kam zu dem Schluss: Eine Verurteilung wegen Untreue ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Und: Eine Staatsanwaltschaft würde „wohl ein Ermittlungsverfahren einleiten und Ermittlungshandlungen vornehmen“. Es gebe „durchaus (...) belastende Aspekte“.
Klage um den Vergleichs-Inhalt
Der Vergleich zwischen EAA und Stadt Lünen war lange Zeit geheim geblieben, in den Verträgen gab es eine entsprechende Klausel. Erst die erfolgreiche Klage der Ruhr Nachrichten machte die Inhalte öffentlich. Die Erkenntnisse und den kompletten Vergleich im Wortlaut gibt es hier.
Abstimmung in nicht-öffentlicher Sitzung
Die Stadt leitete daraus ab, dass Kämmerer und Bürgermeister nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Die Grünen sahen das damals anders und wollten schon im November vergangenen Jahres, dass die Stadt das Gutachten an die Staatsanwaltschaft weiterleitet. Die könne das am besten extern beurteilen. Einen entsprechenden Antrag reichten die Grünen für die Ratssitzung am 13. Dezember ein.

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Der wurde in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt, hat nach Informationen dieser Redaktion aber die Zustimmung der Mehrheit der Ratsmitglieder bekommen. Die Stadt bestätigte das am Dienstagnachmittag. Sprecher Benedikt Spangardt: „Die Unterlagen sind aufgrund eines Ratsbeschlusses an die Staatsanwaltschaft Dortmund übermittelt worden.“ Sie seien am frühen Dienstagnachmittag - also gut einen Monat nach dem Rats-Beschluss - dort eingegangen. Wie genau abgestimmt wurde, welche Diskussionen es möglicherweise gab, ist nicht bekannt.
Der §266 im Wortlaut
Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.Die 14 möglichen Stimmen von GFL und Grünen, die sich immer für weitere Aufklärung rund ums Derivate-Desaster ausgesprochen hatten, reichen nicht aus. Gut möglich also, dass auch Teile von SPD oder CDU dafür gestimmt haben. Sind alle 54 Ratsmitglieder anwesend, braucht es für eine einfache Mehrheit mindestens 28 Stimmen - wenn es keine Enthaltungen gibt.
Behörde prüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt
Bei der Staatsanwaltschaft sind die Unterlagen noch nicht registriert worden. Das sei aber normal, sagte ein Sprecher. Die Behörde prüfe jetzt, ob sich aus den vorliegenden Dokumenten ein Anfangsverdacht auf eine Straftat ergibt. „Wenn wir das bejahen, dann müssten wir weitere Ermittlungen vornehmen, die Beschuldigten vernehmen und so weiter“, sagte der Sprecher. Wie lange die Prüfung dauert, ist noch unklar.
Gebürtiger und auch immer noch dort lebender Dortmunder. Der der Stadt Lünen aus der „Außensicht“ viel abgewinnen kann – und doch immer wieder erstaunt ist, wie manches hier so läuft. Lieblingsthemen: Politik, Wirtschaft, Soziales.
