Klaus Schwarze (l.) und Roger Schmidt: ehemalige Kollegen vom Kraftwerk Lünen. Die Sprengung erst von Schornsteine und Kesselhaus und dann von Pumpenhaus, Bunkerschwerbau und Rauchgasentschwefelungsanlage verfolgen sie mit besonderem Interesse. © Günther Goldstein
Vor der Sprengung
Abschied vom Steag-Kraftwerk Lünen - ohne Tränen, aber mit einer Sorge
Roger Schmidt (61) und Klaus Schwarze (69) haben schon viel Zeit miteinander verbracht. Sie sind Kollegen. Und auch irgendwie Verwandte. Beide sagen: „Das Kraftwerk ist wie eine Familie.“
Dass er einmal Kraftwerksdirektor werden würde, hatte ganz zu Beginn seiner Laufbahn, niemand geglaubt. Klaus Schwarze selbst am allerwenigsten. Denn nach dem Besuch der Realschule schlug das Herz des gebürtigen Lüners für ein anderes bedeutendes Unternehmen der Stadt: die Westfalia.
Roger Schmidt hatte es dagegen von Anfang an zum Kraftwerk gezogen. Und ein wenig wurde er auch geschoben. „Mein Onkel war schon dort“, sagt der gebürtige Castrop-Rauxeler, zuletzt Ausbildungsleiter am Werk. Für Schwarze und Schmidt ist Sonntag (28.3.) kein Tag wie jeder andere. Hunderten von anderen ehemaligen Kollegen wird es genauso gehen. Denn am Sonntag um 10.30 Uhr werden Schornstein, Kühlturm und Kesselhaus des Kraftwerks und eine Stunde später auch zwei angrenzende Gebäude gesprengt. Für die rund 90.000 Lünerinnen und Lüner bekannte Landmarken am Horizont ihrer Stadt, für Schwarze, Schmidt ein zweites Zuhause: „Das Kraftwerk war immer wie eine zweite Familie“, sagen beide.
Eine Zäsur nicht nur für die ehemalige Belegschaft
Von „getrübter Stimmung“, spricht Schwarze. Schmidt stimmt zu, sagt aber auch: „Ich bin ein realistischer Mensch.“ Die Sprengung sei ja keine Überraschung rund zwei Jahre nach der Werksschließung. Tränen werden ihm da nicht in die Augen kommen. Eine Zäsur sei es aber schon. Für ihn. Für die Kollegen. Für die Stadt. Und für die Energieversorgung des Landes.
In Deutschland seien schon 2020 die Stromimporte aus dem Ausland deutlich gestiegen. Der Trend werde so weiter gehen. Aus dem Mund eines Kraftwerkers mit Leidenschaft hört sich das wie eine Glaubensfrage an. Tatsächlich ist nach Angaben der Bundesnetzagentur 2020 im Vergleich zum Vorjahr 36 Prozent mehr Strom aus dem Ausland ins deutsche Netz geflossen.
Schmidt: „Wo kommt in fünf Jahren der Strom her?“
Nach Angaben des Redaktionsnetzwerkes Deutschland gehen die Betreiber der großen Übertragungsnetze davon aus, dass Deutschland in Zukunft stärker auf Stromimporte angewiesen sein werde, um in Extremsituationen die Stromversorgung aufrechterhalten zu können. Der Grund: Mit dem Umstieg auf Wind- und Sonnenstrom schwinde die von Wetterbedingungen unabhängige sichere Leistung im Stromsystem. Ein Risiko, das auch Schmidt sieht. „Wo werden wir In fünf Jahren unseren Strom herbekommen, wenn alle plötzlich E-Autos fahren?“
Schwarzes Opa war Kohlenhändler
Klaus Schwarzes Opa ist noch Kutsche gefahren: als Kohlehändler mit Pferd und Wagen. 1992 schloss mit Minister Achenbach die letzte Zeche in Lünen. Und der Enkel hat 2018 im Steinkohlekraftwerk an der Lippe den Schlüssel umgedreht - nachdem er die Hälfte der Betriebszeit dort tätig war. Die Sache mit dem Bergbau, sagt er, „hat sich erledigt“.
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