Gian-Luca Fusillo (16) und Ghofran Hijazi (18) sind Teil des Wahlvorstandes.

Gian-Luca Fusillo (16, v. l.) und Ghofran Hijazi (18) sind Teil des Wahlvorstandes. © Sebastian Schneider

16-Jährige dürfen bei der NRW-Landtagswahl nicht wählen - in Lünen schon

rn„Juniorwahl“ in Lünen

Wenn Nordrhein-Westfalen am Sonntag einen neuen Landtag wählt, dürfen die meisten Schülerinnen und Schüler nicht mitentscheiden. In Lünen machen sich dennoch fleißig ihre Kreuze.

von Sebastian Schneider

Lünen

, 12.05.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Für vier Tage, von Dienstag bis Freitag, hat sich die Aula des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums in ein Wahllokal verwandelt. Vor den Kabinen sitzt wie bei der „richtigen“ Landtagswahl der Wahlvorstand. An zwei Tischen haben vier Jugendliche des Leistungskurses für Sozialwissenschaften Platz genommen. Einer von ihnen ist Gian-Luca Fusillo (16), der die Ausweise der herabströmenden Schülerinnen und Schüler kontrolliert. Erst danach dürfen sie ihre Kreuze machen.

Jetzt lesen

„Nicht nur reden, sondern Demokratie machen“, darum gehe es, erklärt Politiklehrer Jan Vehring. Er ist Teil der Fachschaft, die die „Juniorwahl“ an der Schule organisiert. Denn eigentlich dürften die meisten Schülerinnen und Schüler nicht wählen. Wenn Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag, den 15. Mai, über einen neuen Landtag abstimmt, haben Minderjährige keine Mitsprache. Das Wahlalter liegt auf Landesebene bei 18 Jahren, anders als bei der Kommunalwahl (ab 16). Deshalb gibt es die „Juniorwahl“, dort können die Jugendlichen ab der neunten Klasse mit den echten Stimmzetteln eine Wahl proben - und das Ergebnis wird zeitgleich zur „richtigen“ Wahl veröffentlicht.

Juniorwahl soll Interesse an Demokratie wecken

Dass es dafür Interesse gibt, sieht auch Vehring. In der Corona-Krise hätten sich mehr Schülerinnen und Schüler mit dem Thema Demokratie auseinandergesetzt, erzählt er. Zudem hätten die Klimakrise und Fridays For Future (FFF) dafür gesorgt, dass sich viele politisiert haben. „Das gilt aber nicht für alle Schülerinnen und Schüler“, sagt der Politiklehrer. Ziel der „Juniorwahl“ sei es, nun bei allen das Interesse an der Demokratie zu wecken.

Jetzt lesen

Gian-Luca Fusillo, der sich auch bei den Jusos der SPD engagiert, nennt die „Juniorwahl“ ein Privileg. Schließlich machen aus Lünen nur drei weitere Bildungseinrichtungen mit, das Lippe Berufskolleg, die Käthe-Kollwitz Gesamtschule und die Ludwig-Uhland-Realschule. In ganz NRW sind es mehr als 800 Schulen, die einen Landtag wählen, der sich in der Praxis nie zusammensetzen wird. Vor fünf Jahren, bei der vorherigen NRW-Wahl, waren es noch keine 300.

Mehr Möglichkeiten zur Teilhabe gewünscht

Dass sie nicht mitbestimmen dürfen, beschäftigt die Jugendlichen. Eine eigene Wahlentscheidung zu treffen, trauten sich einige schon zu, andere noch nicht, sagt Gian-Luca Fusillo. Der schon volljährige Alex Litvinov nimmt wahr, dass die „Juniorwahl“ dabei helfen kann. „Man sieht, wie engagiert die 16- bis 17-Jährigen sind.“

Aus der Aula wurde ein provisorisches Wahllokal mit vier Kabinen.

Aus der Aula wurde ein provisorisches Wahllokal mit vier Kabinen. © Sebastian Schneider

Dass mehr Menschen wählen gehen können, fordert auch Emily Platte (16). Die Schülerin, die bei Fridays For Future aktiv ist, sagt, dass sie sich beim Angebot der Landtagswahl nicht wirklich repräsentiert fühle. Um mehr Teilhabe geht es zudem Ghofran Hijazi (18). Sie selbst darf nicht wählen, den Wahlabend wird sie dennoch gespannt verfolgen.

Viele konträre Ansichten

Auch unter den Jugendlichen polarisieren einige Themen. Etwa wenn es um die Tempo-30-Zonen in Lünen geht. Da gibt es unterschiedliche Perspektiven: Einige haben zum Beispiel schon einen Motorradführerschein. Ähnlich unterschiedlich wird es, wenn gefragt wird, was gerecht ist, erklärt Jan Vehring. Dort herrschten „unheimlich konträre Ansichten“. Das könnte vielleicht auch eine Erklärung für das zu erwartende Ergebnis sein, denn das wird vermutlich auch weit von dem der „richtigen“ Wahl abweichen. „Der Unterschied ist schon ziemlich deutlich“, sagt Jan Vehring mit der Erfahrung aus mindestens drei „Juniorwahlen“.

Jetzt lesen

Anders als bei den Erwachsenen wird es wohl kein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD geben. Bei der jüngsten „Junioren“-Bundestagswahl vor einem Jahr landeten die Christdemokraten knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, erzählt Jan Vehring. Dagegen bekämen Grüne und FDP immer viel Zuspruch. Und auf das „Junior“-Ergebnis können sich die freuen, die sonst nicht so viele Prozentpunkte haben. „Kleine Parteien wie die Tierschutzpartei bekommen immer sehr viele Stimmen“, sagt der Lehrer.