"Wir wollen uns mit den Besten messen"
Olaf Bispinghoff im Interview
Hinter dem Werner Olaf Bispinghoff liegt die zweite Saison als Trainer der Zweitliga-Wasserballer des SV Lünen. Sportredakteur Benedikt Ophaus sprach mit dem 36-jährigen Bispinghoff über die Entwicklung seiner Mannschaft, die eigene Entwicklung als Trainer und die Zukunft des Wasserballs in der Lippestadt.

Seit 2015 ist der 36-jährige Jens Blomenkemper Trainer des Lüner Teams.
Gebürtig kommen Sie aus Werne, seit vier Jahren wohnen Sie in Südkirchen, beruflich sind Sie im Außendienst viel unterwegs – wie viel Zeit nimmt da noch der Wasserball in Lünen in Anspruch?
Pro Woche sind es sechs Stunden Training. Plus die Fahrerei. Hinzu kommt die Videoanalyse der Spiele. Der größte Aufwand ist aber das Organisatorische. Wer schafft es zum Training, wer nicht? In der Pause merke ich gerade, wie selten mein privates Telefon geht.
Wie lang ist die Pause denn?
Wir haben im vergangenen Jahr viel trainiert in der Vorbereitung. Das machen wir diesmal anders. Denn zum Ende der Saison war die Luft raus. Jetzt treffen sich die Jungs nur einmal pro Woche mit Fitnesstrainer Daniel Mennes. Am 30. August ist dann offizieller Auftakt. Auf den müssen die Jungs aber vorbereitet sein. Sonst schaffen sie die eigentliche Vorbereitung nicht.
Was macht die Vorbereitung so schwierig?
Sie ist sehr schwimmlastig. Wir reißen da 15 Kilometer pro Woche ab. Das macht keinen Spaß. Das hat mir auch keinen Spaß gemacht, obwohl ich ein guter Schwimmer war. Aber es muss gemacht werden. Wird es vor der Saison nicht gemacht, kannst du es nie wieder aufholen.
Sind Sie ein harter Trainer?
Nein, ich bin ein Kumpeltyp (lacht). Ich glaube nicht, dass ich streng bin.
Sind Sie von den eigenen Trainern so geprägt worden?
Nein, meine Trainer waren meist eher streng. Auf jeden Fall strenger als ich es bin.
Wie hat sich Ihre Mannschaft in der vergangenen Saison entwickelt?
Zu gut. Wir hatten zu schnell zu viele Punkte. Ziel war ja der Klassenerhalt, den haben wir schnell klar gemacht. Das hat den letzten Kick rausgenommen. Erst im Training, dann auch im Spiel. Du willst im Spiel den Schalter umlegen, das geht aber nicht. Gerade in dem Bereich, in dem wir uns befinden.
Ist dieser Bereich schon Leistungssport?
Wir sind keine Leistungssportler, aber wir sind am Rande des Leistungssports. Das ist keine Hobbymannschaft mehr. Eine Mannschaft, die zwar nicht bezahlt wird, aber ähnliches bringen muss wie im Leistungssport. Das ist für die Jungs eine Gratwanderung. Die Entwicklung ist aber gut, wir können auf der Grundlage aufbauen.
Werden sich die Ziele kommende Saison verändern?
Der Klassenerhalt soll diesmal ein Etappenziel sein. Dann wollen wir versuchen, die Großen zu ärgern.
Lässt sich das einem Tabellenplatz festmachen?
Nein. Mir geht es darum, dass wir auch auswärts bei den Topteams mal etwas mitnehmen können.
Schließlich wäre deutlich mehr drin, würde die Auswärts- der Heimbilanz ähneln.
Ja. Aber das hängt ja mit der Trainingssituation zusammen. Viele sagen: Es ist ein Riesenvorteil, dass Ihr im kleinen Becken spielt. Nein, das kleine Becken ist ein Riesennachteil. Wir können nicht annähernd so trainieren wie andere. Wir haben neun Mal in der Saison den Nachteil auf einem anderen Becken antreten zu müssen. Alle anderen Teams haben 17 Mal gleiche Bedingungen und nur ein Mal in Lünen den Nachteil.
Wie sehr unterscheiden sich die Trainingsmöglichkeiten?
Wir haben viele Gegner, die täglich trainieren können, gerade die zweiten Mannschaften. Selbst Iserlohn hat 100 Meter Wasserfläche. Wir haben 25. Von so etwas können wir nur träumen.
Auf Seite 2: Bispinghoff über die zweite Liga
Sehen Sie sich als gallisches Dorf der zweiten Liga?
Ja, immer schon. Das ist ja aber auch das Schöne am SV Lünen. Wir sind der mit Abstand kleinste Verein. Wir können aber dennoch die Großen ärgern. Dass wir es jedes Jahr schaffen, als gallisches Dorf in der 2. Liga zu bleiben, ist ein Riesenakt. Aber alle Mannschaften beneiden uns darum, dass wir mit so viel Elan und Ehrgeiz dabei sind. Ich war jetzt beim Aufstiegsturnier zur Bundesliga. Da haben die Kölner mir gesagt: In eurer Festung ist es richtig schwierig zu gewinnen. Und Köln ist souverän aufgestiegen.
Ist die West-Liga die stärkste der zweiten Ligen?
Ja, immer schon. Alle Ligen werden insgesamt aber schwächer. Weil immer weniger Interesse am Wasserball besteht.
Woran liegt das?
Der Sport ist so trainingsintensiv. Macht man mal drei Wochen nichts, ist man sofort raus. Spiele ich aber drei Wochen kein Tischtennis, ist das kein Problem. Im Wasserball geht das selbst in unteren Ligen nicht. Das ist verrückt, aber es macht auch den Reiz aus. Unser Fitnesstrainer hatte andere Angebote. Er sagt aber, Wasserball ist die größte Herausforderung.
Wie wichtig sind Mitstreiter wie Daniel Mennes für Sie?
Daniel ist für mich Gold wert. Er hat selbst auf Bundesliga-Niveau gespielt. Er weiß, was er macht. Als Sportler und Physio ist er richtig gut. Dass er Bock hat, für einen Obolus unsere Jungs zu trainieren, ist ein Segen. Wasserball ist so schwierig zu trainieren, es ist viel Beinarbeit gefragt. Fußball ist einfacher, das kann ich überall trainieren. Theoretisch auch im Wohnzimmer. Wir brauchen aber nun mal Wasser.
Wäre Ihre Mannschaft mit einem größeren Becken automatisch stärker?
Dann könnten wir oben mitspielen. Wir haben ja sogar Schwierigkeiten, unsere Jugendmannschaften unterzubringen, damit auch die stärker werden. Wir brauchen die Unterstützung anderer Vereine. Die Kölner haben uns Trainingszeiten angeboten, wir fahren regelmäßig nach Wuppertal. Aber das ist kräfteraubend.
Wie viele Ihrer 16 Spieler kommen aus Lünen?
Robin van der Voort wohnt in Dortmund. Alle anderen sind Lüner, die meisten haben den SV Lünen auch als Stammverein.
Muss man, um ganz oben anzugreifen, auch auswärtige Spieler holen?
Die Frage wird sich nie stellen. Wir wollen es nicht. Wir wollen mit unseren Jungs das Beste holen, die Talente an den Leistungssport heranführen. Ich frage mich manchmal: Wie viel könnten wir erreichen, hätten wir die Bedingungen der anderen?
Überwiegt aber nicht der Trotz: Wir schaffen es dennoch mitzuhalten?
Das hängt von der Saison ab. Die Möglichkeiten sind einfach nicht da. Ja, es gibt diesen Trotz bei uns: Wir schaffen das dennoch.
Der Verein hatte sich vor einiger Zeit gewünscht, die Heimspiele samstags statt sonntags auszutragen. Gibt es da mittlerweile Hoffnung?
Wir haben den Wunsch gar nicht mehr. Wir werden beneidet um unsere Zuschauer. Und ich glaube, die haben wir, weil wir am Sonntagabend spielen. Da gibt es einfach weniger Konkurrenzveranstaltungen. Und die Gegner treten meist mit den besten Teams an. Das ist nicht immer gut fürs Ergebnis, aber umso besser für die Entwicklung. Wir wollen uns mit den Besten messen.
Wie wichtig ist der Faktor Erfahrung in der zweiten Liga?
Wir haben vier Zweitliga-Jahre hinter uns. So langsam sollten wir die Erfahrung gesammelt haben. Wichtig ist, dass wir auch in den knappen Spielen was mitnehmen.
Auf Seite 3: Seine Sicht auf die Mannschaft
Agiert die Mannschaft manchmal noch zu hektisch?
Es ist manchmal wirklich so, dass wir zu schnell abschließen, zu ungestüm sind. So lange wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor erzielen.
Wird sich Ihr Kader im Sommer verändern?
Wir werden wieder versuchen, Jugendspieler einzubauen. Robin Franke, Jan Baumgardt und Klaus Kellmann waren vergangene Saison ja schon im letzten Spiel im Kader.
Muss man sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen?
Doch. Wir haben viel zu wenig Wasserzeiten, um den Nachwuchs auf vernünftiges Niveau vorzubereiten. Im Bezirk spielen die Teams vorne mit, im Verband wird es schwierig. Wir können da manchmal gar nicht melden, weil es keine Wasserzeiten gibt. Die klaren Ergebnisse bringen ja niemand weiter.
Wie haben Sie sich in der vergangenen Saison als Trainer entwickelt?
Die Frage muss ich zurückgeben.
Im ersten Jahr waren Sie sehr selbstkritisch. Das ist mittlerweile weniger ausgeprägt. Sind Sie also zufriedener?
Nein, das nicht. Aber die Jungs haben es mir einfacher gemacht. Wir haben uns viel mehr aneinander gewöhnt. Was ich von den Jungs erwarte, ist oft gut umgesetzt worden. Wenn das nicht passiert, kreide ich mir das nicht mehr so an. Ich gebe mein Bestes. Ich mache sicher nicht alles richtig. Aber zum Glück die Jungs auch nicht. (lacht)
Woran müssen Sie als Trainer noch arbeiten?
Ich glaube, ich muss den Spagat zwischen leistungsorientiertem Sport und Hobby noch besser abschätzen. Ich war immer sehr auf den Wasserball fixiert. Ich habe gearbeitet, ein duales Studium gemacht, trotzdem immer trainiert. In dieser Spielergeneration ist das nicht selbstverständlich. Da gibt es auch andere Interessen. Auch die Kommunikation läuft anders. Waren wir 18 Uhr verabredet, waren wir 18 Uhr da. Jetzt werden vorher noch 25 Whatsapp-Nachrichten verschickt.
Werden die Zuschauer im Lippe Bad Sie künftig noch einmal im Wasser sehen?
Das ist ausgeschlossen.
Und wenn eine enorme Krankheitswelle Ihr Team erfassen würde?
Dann wäre ich vielleicht so verrückt. Aber ich bin jetzt zu lange raus, als dass ich sagen könnte, ich würde der Mannschaft weiterhelfen. Ich weiß, wie ich früher gespielt habe. Und ich wäre sehr frustriert, wenn ich ins Wasser gehen würde und das nicht mehr bringe. Und wenn man nicht mehr die Lust hat sich zu quälen, und das muss man machen, um im Wasserball erfolgreich zu sein, dann bringt es auch nichts mehr. Ich habe über 20 Jahre gespielt, dann soll es auch reichen.