Julian Steinkuhl hat über 30 Kilogramm abgenommen - mit Sport und gesunder Ernährung
Abnehmen
Noch vor zwei Jahren wog Julian Steinkuhl 114 Kilogramm. Durch eine Ernährungsumstellung und mehr Sport hat er mehr als 30 Kilogramm abgespeckt und ein ganz neues Lebensgefühl entwickelt.
Als Fußballer Julian Steinkuhl im Sommer 2016 beim offiziellen Fototermin seines Vereins mit auf das Foto soll, weigert sich Steinkuhl erst. Der junge Fußballer fühlt sich sichtlich unwohl in seinem Körper. Das Trikot spannt am Oberkörper. Steinkuhl erfüllt das typische Klischee eines Kreisliga-Fußballers mit Bierbauch. Er kickt beim SV Südkirchen damals in der zweiten Mannschaft in der Kreisliga C Münster, der untersten Liga im Amateurfußball.
Zwei Jahre später: der gleiche obligatorische Termin vor dem Saisonstart. Wieder stellt der SV Südkirchen seine Mannschaft vor. Und als Julian Steinkuhl aus der Kabine kommt und sich wie selbstverständlich auf das Mannschaftsbild stellt und für das Einzelportrait bereit steht, steht da ein ganz neuer Mensch. Julian Steinkuhl hat seit dem Termin zwei Jahre zuvor extrem abgenommen. 117 Kilogramm wog er zu Spitzenzeiten - bei einer Körpergröße von 1,83 Meter. Heute hat sich sein Gewicht bei 80 bis 83 Kilogramm eingependelt. Das sind 34 Kilogramm weniger.
Zum Jahreswechsel werden sich auch viele Menschen wieder vornehmen, Gewicht zu verlieren. Julian Steinkuhl war viele Jahre einer von ihnen. „Ich habe mir das jedes Jahr vorgenommen. Aber nach der zweiten Woche war meist schon wieder Schluss“, sagt Steinkuhl. Egal, welche Diät er anfing, er hielt sie nicht durch.
Der 26-Jährige aus Südkirchen war schon immer etwas pummeliger. Seine Freunde gaben ihm den Spitznamen „Dicken“. Gemobbt hat sich Steinkuhl aber nie gefühlt. Er stand dazu, dass er ein paar Pfund zu viel hatte. Das war halt immer so, auch wenn er es gerne geändert hätte. „Ich habe damals aber nicht gewusst, wie ich mich ernähren muss“, sagt Steinkuhl. Er macht einen Scherz, bezeichnet sich selbst als „Mülltonne“, wenn es um seine frühere Ernährung geht. Fastfood, Fertiggerichte, Alkohol. Und von alledem nicht zu wenig.
117 Kilogramm entsprechen bei Julian Steinkuhls Größe einem Körpermasseindex (BMI) von 34. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Menschen ab einem BMI von 30 als adipös (fettleibig). Damit bewegte sich Julian Steinkuhl in den Körpergewichtsklassen an der oberen Grenze des Adipositas-Grades I. Es gibt drei Adipositas-Grade. Etwa 15 Prozent der Männer in Deutschland gelten als fettleibig.
Früher gab es Ofenschnitzel statt Gemüse
Julian Steinkuhl hat sich nie gesund ernährt, gibt er heute offen zu. „Meine Mutter hat versucht, gesund zu kochen. Aber wenn ich schon gesehen habe, dass es etwas mit Möhren gibt, dann habe ich mir ein Schnitzel in den Ofen geschoben“, sagt Steinkuhl. Zwar spielte er immer Fußball in seinem Leben, eine Sportskanone war er jedoch nie. Als er mit 18 seinen Führerschein gemacht hatte, ließ die Bewegung im Alltag noch mehr nach. Nach seinem Realschulabschluss in Selm machte Steinkuhl sein Fachabitur, eine kaufmännische Ausbildung und einen Bachelor an der Hochschule. Er nahm zu. Jedes Jahr ein bisschen mehr. Und mit den steigenden Zahlen auf der Waage wuchs auch Steinkuhls Unwohlsein.
So konnte es nicht weitergehen. Im Sommer 2017 beschloss Julian Steinkuhl etwas zu ändern. Er musste etwas ändern. Und tat es in der Woche danach auch. Gemeinsam mit zwei Fußball-Freunden ging er durch den Supermarkt und ließ sich beraten. „Ich wusste vorher nicht, was man essen soll und was nicht“, sagt Julian Steinkuhl.
Julian Steinkuhl stellt seine Ernährung um
Daraus folgte eine Ernährungsumstellung, die Steinkuhl bis heute durchzieht. Weil sie langfristig ist, nennt er es auch nicht Diät. Morgens frühstückt Julian Steinkuhl Vollkornbrot mit Geflügelwurst und Gemüse. Am späten Vormittag isst er einen Apfel. Mittags gibt es Fleisch - nach 13 Uhr fastete Julian Steinkuhl. Er verzichtete auf Zucker, Weizenprodukte und Alkohol. Dass Julian Steinkuhl Schweinefleisch vermeidet, brachte ihm bei seinem Arbeitgeber keine Freunde ein. Er arbeitet bei Viehhandel Venneker in Nordkirchen. Auf dem Firmenlogo: ein Schwein. Doch Schnitzel gehören jetzt der Vergangenheit an. Die Ernährungsform ist eine Variante, die auf dem Low-Carb-Gedanken variierte - Kohlenhydratminimierung.
Und Julian Steinkuhl zählt seitdem Kalorien. Bei 2500 Kilokalorien am Tag hält Steinkuhl sein Gewicht, an vielen Tagen hat Steinkuhl nur 1000 Kilokalorien aufgenommen. „Ich wollte, dass es schnell geht. Ich wollte es unbedingt durchziehen“, sagt er über den Lebenswandel. Es gab Tage, an denen er sich schlapp fühlte, müde war und kaputt. Heute sagt er, dass es sich gelohnt hat.
Gleichzeitig fuhr Julian Steinkuhl seine sportliche Betätigung nach oben. Er ging laufen. Im Hirschpark in Nordkirchen brauchte er anfangs für eine fünf Kilometer lange Runde 37 Minuten. „Ich habe danach starke Schmerzen gehabt. Offenbar bin ich in einem Spiel am Sonntag nie weiter als fünf Kilometer gelaufen“, sagt Steinkuhl. Heute läuft er die gleiche Runde eine Viertelstunde schneller.
Zehn Kilogramm in drei Monaten verloren
Julian Steinkuhl steigerte das wöchentliche Laufprogramm, zwang sich zum Sport und speckte in drei Monaten rund zehn Kilogramm ab. Weitere Pfunde purzelten bis zum Sommer. Einen Schub gab es noch einmal in einem Sommermonat, in dem er 100 Laufkilometer absolvierte und so dann auch sein Wunschgewicht erreichte, 80 bis 83 Kilogramm. Heute ziert sein Profil beim Kurzmitteilungsdienst „Whatsapp“ ein Bild in Badehose - früher wäre das für ihn undenkbar gewesen. „Wenn die Freunde früher ins Schwimmbad gegangen sind“, sagt Steinkuhl und winkt ab, „dann bin ich nicht mitgegangen.“
Drei Mal pro Woche macht er heute individuell Sport. „Ich muss laufen. Ich kann gar nicht mehr ohne“, sagt er. Der Gewichtsverlust ermöglichte es ihm auch, in der Mannschaftshierarchie aufzusteigen. Mittlerweile spielt er nicht mehr in der zweiten, sondern in der ersten Mannschaft. An einem Tag in der Woche, Steinkuhls Cheatday, achtet er nicht auf seine Ernährung, meistens an Bundesliga-Samstagen. Dann kommt es vor, dass der junge Fußballer aus Südkirchen auch zwei Mal am Tag warm isst. „Es ist ein ganz anderes Leben. Man lebt anders, man bewegt sich anders. Man hat mehr Selbstbewusstsein. Ich kann das nur jedem empfehlen“, sagt er. In seiner Familie gibt es inzwischen Nachahmer.
Weniger Süßigkeiten in der Adventszeit als früher
In der Weihnachtszeit achtet er auch darauf, nicht zu viel Süßigkeiten zu essen. In den Adventskalender, den seine Freundin ihm gebastelt hat, durften nur alle zwei Tage Süßigkeiten hinterm Törchen versteckt sein. Für die Weihnachtsfeiertage wünscht er sich Hähnchen und leichte Kost. Und er hat Zeitfenster im Blick, an denen er Sport machen kann.
Julian Steinkuhl hat zu radikal abgenommen
Er weiß heute aber auch, dass die Form des Abnehmens, die er gewählt hat, nicht so gesund ist, weil er sehr schnell abgenommen hat. „Das, was ich meinem Körper zugefügt habe, war nicht die gesündeste Variante. So radikal sollte man es auch nicht unbedingt machen, habe ich im Nachhinein erfahren. Anfang des Jahres habe ich meine Blutwerte deswegen auch kontrollieren lassen“, sagt Julian Steinkuhl. Eine Nebenwirkung hat die Umstellung gehabt: Er hat in einem Jahr viele graue Haare bekommen, weil das Abnehmen für den Körper viel Stress bedeutet hat.
Ernährungswissenschaftlerin warnt vor Wunderdiäten
Auch Diplom-Ökotrophologin Antje Gahl, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), rät zu einer schonenden Form des Abnehmens. Sie mahnt vor „unseriösen Diäten, die Wunder versprechen“ und empfiehlt, die Kalorienzufuhr um 500 Kilokalorien am Tag zu reduzieren. Bei Julian Steinkuhl waren es tageweise schätzungsweise 1500 Kilokalorien weniger als vorher. Um alle Nährstoffe abzudecken, sollte man nie unter 1200 Kilokalorien aufnehmen.
Zur Person
Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl
Antje Gahl ist seit 2001 Pressesprecherin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Sie hat 1994 ihr Studium an der Universität Bonn beendet und ist Diplom-Ökotrophologin. Sie ist selbst vielseitig sportinteressiert, hat bis zum 18. Lebensjahr geturnt und Basketball und Leichtathletik ausprobiert. Heute ist sie im Ausdauersport aktiv, auf dem Rad, in Lauf- oder auch Wanderschuhen.
Low-Carb birgt auch Gefahren
Die Low-Carb-Methode sei grundsätzlich nicht schädlich für den Körper, allerdings gebe es bei Menschen, die Weizenprodukte vertragen, keine Notwendigkeit, auf sie gänzlich zu verzichten. „Lob-Carb kann schwierig umgesetzt werden, weil Sie für sehr viele Gerichte ersatzweise etwas anderes finden müssen. Im Alltag kann das schwer umzusetzen sein. Und wenn die neu praktizierte Ernährungsweise nicht den Vorlieben entspricht, ist die Gefahr groß, dass Sie in alte Gewohnheiten zurückfallen“, erklärt Antje Gahl. Da der Körper den Stoffwechsel speziell bei geringer Energiezufuhr herunterfährt und der Körper auch darauf ausgelegt sei, Fettreserven anzulegen, steigt die Gefahr einer Gewichtszunahme. „Sport ist sicherlich ein ganz wichtiger Faktor“, sagt Antje Gahl.
Keine Angst vorm Jo-Jo-Effekt
Angst vor dem Jo-Jo-Effekt hat er nicht, sagt Julian Steinkuhl. „Ich glaube nicht, dass es mir noch einmal passieren könnte, dass ich noch einmal zehn Kilogramm zunehme. Ich kontrolliere mich jeden Tag selber. Ich weiß einfach, wie viel Arbeit es war und welche Quälerei war, es zu machen“, sagt Julian Steinkuhl.
Mehr Sport, eine bewusste Ernährung - das war der Schlüssel bei Julian Steinkuhl. Bei einer Faustregel für das Abnehmen tut sich Antja Gahl von der DGE jedoch schwer, weil der Körper sich von Mensch zu Mensch verschieden verhält.
Die DGE hat aber zehn Regeln aufgestellt, die sie auf ihrer Internetseite vorstellt:
Die DGE rät...
1. zu einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung
2. zu fünf Gemüse- oder Obstportionen am Tag
3. bei Getreideprodukten zur Vollkornvariante
4. tierische Produkte als Ergänzung zu sehen. Die Ernährung sollte fleischarm sein (300 bis 600 Gramm pro Woche) und stattdessen ein bis zwei Mal pro Woche Fisch enthalten
5. zu pflanzlichen Ölen wegen des günstigen Fettsäureverhältnisses
6. dazu, Salz und Zucker einzusparen
7. zu Wasser statt süßen Limonaden und Alkohol
8. zu schonendem Zubereiten
9. dazu, sich Zeit für Essen zu nehmen
10. sich zu bewegen. 10.000 Schritte am Tag sind empfehlenswert
Sportler durch und durch, der auch für alle Sportarten außerhalb des Fußballs viel übrig hat. Von Hause aus Leichtathlet, mit einer Faszination für Extremsportarten, die er nie ausprobieren würde. Gebürtig aus Schwerte, hat volontiert in Werne, Selm, Münster und Dortmund.