Der Wechsel von Amos Pieper nach Bielefeld kam vor zwei Wochen überraschend. Im Interview erzählt er von seinem Debüt, Sondereinheiten mit Lucien Favre und warum er den BVB verlassen hat.
Der Nordkirchener Fußballprofi Amos Pieper (21) ist vor zwei Wochen zu Zweitligist Arminia Bielefeld gewechselt. Im Interview mit Sportredakteur Sebastian Reith spricht Pieper über seine Zeit bei Borussia Dortmund und warum er sich dem Zweitligisten in Ostwestfalen angeschlossen hat.
Welche Erinnerungen bleiben nach so vielen Jahren in Schwarzgelb an den BVB?
Eigentlich viele, viele schöne. Die Jugendzeit war sehr erfolgreich beim BVB. Klar, wir haben drei Deutsche Meisterschaften geholt. Das waren sportlich sehr erfolgreiche Jahre. In der Regionalliga haben wir mit der U23 auch immer oben mitgespielt. Leider hat es nicht zum ganz großen Wurf gereicht, aber wir haben immer eine gute Rolle gespielt. Mir wurden sehr, sehr schöne Jahre bereitet bei Borussia Dortmund in den letzten achteinhalb Jahren. Ich könnte da nie ein schlechtes Wort drüber verlieren.
Warum sind Sie dann gewechselt?
Ich wurde das auch schon öfter gefragt. Es ist nicht so, dass beim BVB alles schlecht war und ich weg musste. Ich habe eine super Perspektive und ein super Angebot hier in Bielefeld bekommen. Die Perspektive war dann ein Stück besser. Dazu konnte ich nicht Nein sagen und habe mich zu einem Wechsel entschlossen. Ich habe immer gehofft, dass es mal ein bis zwei Ligen höher gehen könnte. Jetzt sind es zwei Ligen höher geworden – und noch dazu bei so einem tollen Verein wie Bielefeld. Ich wurde in den persönlichen Gesprächen direkt überzeugt.
Ist der Zeitpunkt denn der richtige? Schließlich waren Sie im Sommer und Winter nah dran an der Bundesligamannschaft.
Das kann man erst in ein paar Jahren sagen, wenn man rückblickend betrachtet, was richtig und falsch war. Stand jetzt sage ich: Es ist absolut der richtige Schritt und auch der richtige Zeitpunkt. Das ist eine Chance, die ich hier kriege. Deswegen habe ich mich auch langfristig gebunden (Anm. d. Red.: Vertrag bis 2022). So etwas muss man wahrnehmen. Da gilt auch mein Dank an Borussia Dortmund, dass der Verein den Transfer letztendlich ermöglicht haben. Es gab für mich jetzt nichts, was gegen den Wechsel sprechen könnte.
Haben Sie den BVB auch verlassen, weil die Chance, in Dortmund ein Bundesligaspiel zu machen, sehr klein war?
Auch das kann man schwierig sagen. Vielleicht wäre es irgendwann beim BVB soweit gewesen. Und vielleicht kommt auch der Tag, an dem ich noch einmal ein Bundesligaspiel mache. Aber ich bin realistisch, um einschätzen zu können, dass Borussia Dortmund aktuell Erster in der Liga ist und in Europa mittlerweile zu den Top-Ten-Vereinen gehört. Da ist es ganz schwierig, sich dauerhaft zu etablieren. Vielleicht wäre ich eines Tages mal in die erste Elf reingerutscht. Mir ging es aber darum, dass ich die Perspektive habe, öfter zu spielen. Und da war die Perspektive in Bielefeld besser.
Wie groß ist der Spagat zwischen Bundesliga- und Regionalliganiveau?
Auf Bundesliga- und Champions-League-Niveau ist das Tempo einfach viel höher. Es wird vorausgesetzt, taktisch und technisch perfekt zu sein. Da darf kein Ball verspringen. Jeder Pass muss sitzen. Jeder kleine Fehler fällt auf. Hinzu kommt, dass jeder Spieler eine unheimliche Qualität auf Weltklasse-Niveau mitbringt. Schneller denken, schneller handeln – mit dem Tempo kann man es ganz gut beschreiben.
Wie haben Sie den Mensch Lucien Favre kennen gelernt?
Ich nenne ein Beispiel: Als ich Nachwuchsspieler mit auf der USA-Reise war, war ich in der Vorbereitung auch schon mit dabei im Sommer. Nach einer Woche hat er mich zur Seite genommen, gesagt, was er in mir sieht. Dass ich groß bin, an meiner Leichtfüßigkeit arbeiten muss, technisch schon weit bin. Es war das erste persönliche Gespräch für mich, der in der Rangordnung vielleicht etwas weiter unten angesiedelt ist. Er ging direkt auf mich zu und hat mit mir viel gesprochen und Übungen gezeigt, die ich alleine machen kann. Er ist auch nur mit mir länger draußen geblieben. Das muss ein Trainer von seinem Format nicht machen, war aber ein sehr positives Zeichen und zeigt, was er für ein Mensch als Trainer ist. So hat es sich durchgezogen. Es war sehr angenehm, unter ihm zu arbeiten.

„Als ich anfing, mich mit dem Verein auseinanderzusetzen, habe ich gemerkt, dass hier eine Aufbruchsstimmung herrscht. Wir sind aber noch lange nicht am Ende“, sagt Amos Pieper über Bielefeld. © Thomas F. Starke
Gab es erfahrenere Spieler im Kader, die sich um einen jungen Spieler wie Sie gekümmert haben?
Durchweg war da jeder Spieler bereit, mir zu helfen. Keiner hat gesagt, dass man nichts zu melden hat. Anfangs waren es Julian Weigl, Marcel Schmelzer oder auch Sebastian Rode, die viel geholfen haben. Wahrscheinlich vergesse ich jetzt drei, vier Leute.
Hatte Ihr Vereinswechsel auch etwas mit dem Trainerwechsel – Jan Siewert coacht jetzt Huddersfield – in der U23 des BVB zu tun?
Nein, überhaupt nicht. Es kam für alle überraschend. Bei ihm ging es schnell, bei mir ging es auch schnell. Aber das hatte nichts miteinander zu tun.
Wie ist die Entscheidung gereift, in die Zweite Liga zu Arminia Bielefeld zu wechseln?
Man kann wirklich von einem Reifen sprechen. Vom Interesse über das Angebot bis hin zu den persönlichen Gesprächen mit Samir Arabi und Uwe Neuhaus hat alles dazu geführt, dass ich mir immer sicherer wurde. Es war von Anfang an sehr positiv. Ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache und habe mir irgendwann gesagt: Ja, wenn es klappt, dann gehe ich zu Bielefeld. Von außen sagt man vielleicht, dass es schnell ging, aber trotzdem ist so eine Woche schon recht lang. Am Ende war ich glücklich.
Manager Samir Arabi spricht von einem Entwicklungssprung bei Ihnen – haben Sie den auch bemerkt, sodass Sie sich auch Liga zwei zutrauen?
Ich bin selbst ruhig geblieben und weiß, dass Potenzial da ist. Aber ich habe noch viel zu lernen. Ich lasse meine Leistung gerne von außen beurteilen, lasse die Meinung aber nicht zu sehr an mich rankommen. Dass es einen Entwicklungsschritt gab, lag sicher auch daran, dass ich viel mit den Profis auf hohem Niveau trainieren und spielen durfte. Wenn man sich da reinhängt, ist es eine logische Konsequenz, sich weiterzuentwickeln.

Arminia-Trainer Uwe Neuhaus im Gespräch mit Amos Pieper vor seinem Zweitliga-Debüt © Thomas F. Starke
Man sieht immer wieder, dass ehemalige BVB-Spieler den Umweg über Liga zwei gegangen sind und wieder in der Bundesliga auftauchen. Haben Sie ein Vorbild?
Klar sieht man es immer wieder, aber ich habe kein Vorbild. Es gibt auch Fälle, die direkt ins kalte Wasser geworden werden und auf Top-Niveau funktionieren und dann eine riesige Karriere hinlegen. Das sind aber nicht die erfolgversprechenderen Karrieren als Innenverteidiger. Im Spiel wird man recht selten eingewechselt, sondern eher die Offensiven, um nochmal Schwung reinzubringen. Deswegen ist es der richtige Schritt in die richtige Richtung.
Wie war der erste Eindruck von Bielefeld?
Der Verein steht auf stabilen Beinen. Es ist der richtige Zeitpunkt, hierhin zu kommen. Es wird sehr viel in der Region für den Verein getan. Seitdem ich mich damit beschäftigt habe, habe ich nur Gutes gehört. Ich habe mich akklimatisiert.
War die Nähe zu Nordkirchen ein Entscheidungsgrund für Bielefeld?
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir nicht entgegenkommt. Es war in meine Entscheidungsfindung aber nie einbezogen. Ich habe mir gesagt, dass ich eine bis zwei Ligen höher erstmal zu allem bereit bin. Es ging mir vorrangig um Rahmenbedingungen. Erst als ich unterschrieben hatte, kam das Gefühl, dass es auch nicht so schlecht ist, so nahe an der Heimat zu sein. Es war aber kein ausschlaggebender Punkt.
Sind Sie schon nach Bielefeld umgezogen?
Ja, ich habe hier für ein paar Wochen eine Wohnung gefunden und bin schon aus dem Hotel raus. Ich will hier in der Stadt oder Umgebung auf jeden Fall wohnen und leben. Das gehört dazu, wenn man sich dafür entscheidet. Pendeln ist keine Option.
Ihr neuer Verein Bielefeld hat die ersten drei Spiele in der Zweiten Liga gewonnen. Optimaler Start für die Arminia im Jahr 2019, oder?
Das waren zwei wichtige Schritte. Als ich anfing, mich mit dem Verein auseinanderzusetzen, habe ich gemerkt, dass hier eine Aufbruchsstimmung herrscht. Wir sind aber noch lange nicht am Ende. Jeder einzelne kann vielleicht noch viel mehr. Wir wollen den Weg weitergehen, statt uns auf die Schulter zu klopfen.
Sie waren gegen Hamburg das erste Mal im Kader. Wie war es, Ihrem alten Trainer Hannes Wolf gegenüberzustehen?
(lacht) Ja es waren mehrere coole Geschichten. Dass es beim Kaderdebüt direkt ein ausverkauftes Heimspiel war, gegen den Tabellenersten, wir gewinnen konnten und ich einen meiner größten Förderer gegenüber hatte, mit dem ich mich nach dem Spiel kurz ausgetauscht habe – das waren mehrere Details für einen perfekten Rahmen. Das Wichtigste war, dass wir dann auch noch gewonnen haben, auch wenn ich nur auf der Bank war.
Wie hat sich Ihr Debüt in Regensburg am Freitag angefühlt?
Das war ein Weltklasse-Gefühl, mit einem Sieg und zu Null zu starten. Es fühlt sich überragend an - auch mit einem bisschen Abstand betrachtet. Es war ein Riesenerlebnis und ein kleiner Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Ich denke, dass es erst der Anfang war, und hoffe, dass es noch weiter nach oben geht. Ich war im Spiel direkt mittendrin. Regensburg hat uns unter Dauerfeuer gestellt. Dem Druck haben wir dank unseres Keepers Stand gehalten. Es war überragend, mitwirken zu dürfen.
Der Konkurrenzkampf ist da und sicherlich auch gewollt im Verein. Trotzdem dürfte es erstmal schwierig werden, einen der angestammten Verteidiger dauerhaft zu verdrängen.
Da mache ich mir keinen Kopf. Ich will unbedingt irgendwann spielen. Jetzt muss ich Leistung bringen. Ich muss es mir verdienen, dass ich spiele. Mein persönliches Ziel ist, mich hier zu etablieren. Ich bin mit keinem Bonus hierhergekommen. Man hat mir gesagt, wie die Konkurrenzsituation ist, und die nehme ich an.
Wie unterscheiden sich die Intensität und Trainingsumfänge zum BVB?
Zwischen erster und vierter Liga gibt es nicht die großen Unterschiede in Umfängen. Es ist einfach ein immer höheres Niveau im Training. Die Zeiten unterscheiden sich nicht viel. Es ist mindestens einmal am Tag Training. Wie in Dortmund herrschen gute Voraussetzungen, um individuell zu trainieren.

Der Regensburger Hamadi Al Ghaddioui (l.) und Amos Pieper im Kopfballduell © Thomas F. Starke
Welches Potenzial steckt in der Arminia?
Jeder Mitarbeiter, Ordner, Physio, Zeugwart und Fans leben für Arminia. Alle haben mir einen guten Start gewünscht. Klar, die Region ist fußballverrückt. Hier steckt sehr viel Potenzial drin.
Genug für die Bundesliga?
Der Verein war ja schon längere Zeit in der Bundesliga. Das Potenzial ist vorhanden. Aber das ganze Drumherum hilft nichts, wenn nachher die Mannschaft nicht funktioniert. Wir müssen die Leistung auf den Platz bringen und die Punkte holen, die eventuell irgendwann mal für die Bundesliga reichen könnten. Aber wir haben uns da aber kein Ziel gesetzt. Auch die zweite Liga in Deutschland ist eine sehr harte Liga. Wir marschieren da nicht mal eben durch.
Was ist in dieser Saison noch drin?
Wir wollen möglichst schnell die 40 Punkte erreichen. Zum Winter hin sah es nicht so gut aus im Vergleich mit den letzten Jahren. Wir wollen eine gute Rückrunde spielen, möglichst viele Punkte holen und nächste Saison wieder voll angreifen.
Sportler durch und durch, der auch für alle Sportarten außerhalb des Fußballs viel übrig hat. Von Hause aus Leichtathlet, mit einer Faszination für Extremsportarten, die er nie ausprobieren würde. Gebürtig aus Schwerte, hat volontiert in Werne, Selm, Münster und Dortmund.
