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Bewusstlos geprügelt - Zeugenaussagen zur Massenschlägerei in Vinnum vor dem Sportgericht
Fußballgewalt
Mehrere Spieler und Zuschauer aus dem Umfeld von Westfalia Vinnum sagten am Montag vor dem Sportgericht aus und berichteten von Gewalt, Schlägen und Tritten.
Zeugen und Geschädigte haben sich am Montagabend vor dem Kreissportgericht in Recklinghausen erstmals öffentlich zur Massenschlägerei in Vinnum am 15. September geäußert. Einer von ihnen: Youngster Moritz Wendel. Doch der war „nicht lange im Bilde“, wie er selbst sagte.
Beim Abpfiff habe Moritz Wendel um den Mittelkreis nach dem erlösenden ersten Saisonsieg gegen den SV Herta Mitspieler abgeklatscht. Die sportliche Durststrecke von Westfalia Vinnum war vorbei. Das 1:0 gegen den SV Herta war enorm wichtig für den Klub. Dass der Sieg später annulliert und wertlos für Vinnum werden würde, weil der SV Herta Recklinghausen seine Mannschaft zurückgezogen hat, ahnte er damals nicht.
Und dann wurde es dunkel bei Moritz Wendel
„Ich habe zur Bank geguckt, ob da noch Sachen liegen, die wir mitnehmen müssen“, beschrieb Wendel vor dem fünfköpfigen Sportgericht die Sekunden nach dem Schlusspfiff. „Dann habe ich erste Schreie gehört und mich umgedreht, da war schon eine Menschentraube in den Bereich der Tribüne eingedrungen. Es wurden Schläge verteilt, es wurde gezerrt und geschubst“, sagte Wendel aus. An der Schlägerei seien sowohl Herta-Spieler als auch Zuschauer in zivil beteiligt gewesen.
Wendel eilte einem am Boden liegenden Spieler zur Hilfe. „Ich habe den (Anm. der Red.: Angreifer des SV Herta) gepackt und weggezerrt. Dann habe ich losgelassen. Er war dabei, auf den Kopf zu treten. Ein anderer hat probiert, mich ins Gesicht zu schlagen. Dann bin ich zurückgewichen, gestolpert und lag erst auf dem Rücken, dann auf dem Bauch. Als ich den Kopf hochgenommen habe, habe ich einen Schlag oder Tritt auf Hinterkopf bekommen“, sagte Wendel, denn dann „kurz ausgeknockt“ gewesen sei. „Das nächste, was ich weiß, ist, dass mir jemand hochgeholfen hat“, sagte Wendel.

Moritz Wendel: „Als ich den Kopf hochgenommen habe, habe ich einen Schlag oder Tritt auf Hinterkopf bekommen. Das nächste, was ich weiß, ist, dass mir jemand hochgeholfen hat.“ © Pascal Albert
Wendel beschrieb auch eine Rudelbildung kurz vor dem Abpfiff am Strafraum, bei dem der Schiedsrichter auf Freistoß für den SV Herta entschieden hatte. Dabei waren Herta-Zuschauer auf den Platz gelaufen. Sie hätten den Schiedsrichter als „Hurensohn“ beschimpft.
Michael Asemann sagt aus, dass nicht alle Spieler mitgewirkt haben
Ein anderer Zeuge war Michael Asemann, Geschäftsführer von Westfalia Vinnum, aber auch Spieler in der ersten Mannschaft unter Michael Nachtigall. Eine Frau habe am Arm eines Herta-Zuschauers gezerrt, ein Ball sei in die Menge geschossen worden, laute Schreie seien zu hören gewesen.
Herta-Zuschauer seien „großflächig am Sportplatz“ verteilt gewesen, sowohl um die Trainerbänke, aber auch am Grashügel am Sportplatz, der den in den gepflasterten und überdachten Bereich übergeht, unter dem ebenfalls Herta-Zuschauer gestanden haben - das habe die Situation auch unübersichtlich gemacht.

Vinnums Geschäftsführer Michael Asemann (r.) sagte vor dem Sportgericht aus. Herta-Vorstand Ahmad Omayrat (l.) und Ziad Omayrat verfolgen seine Aussage. © Pascal Albert
Kaled El Zein soll einem Zuschauer auf die Nase geschlagen haben
Konkret belastete Asemann Kaled El Zein, Spieler des SV Herta, früher sogar Kapitän, am Tag der Massenschlägerei aber nur als Einwechselspieler auf der Bank. Später soll er einem Zuschauer auf die Nase geschlagen haben.
Doch nicht alle Herta-Zuschauer und -Spieler hätten sich beteiligt. Auf die Frage des Gerichts, ob es auch beschwichtigende Versuche gegeben habe, entlastete Asemann den Recklinghäuser Spieler Hidir Ilsidar, der sich für die Vorfälle noch vor Ort entschuldigen wollte. Asemann sei auch zu Teammanager Zakaria Chamdin gegangen und habe ihn aufgefordert, etwas zu unternehmen. „Der konnte gar nicht einwirken auf die Meute“, so Asemann, der von einem fluchtartigen Verlassen der Angreifer sprach.
Kai Diekmann bekam Schläge ab
Auch Kai Diekmann sagte aus. Der Spieler, der vornehmlich in der zweiten Mannschaft spielt, stand vor dem Eingang zur Cafeteria, als er eine verbale Auseinandersetzung beobachtete. „Ich habe mir nichts dabei gedacht. Das passiert häufiger auf dem Sportplatz“, sagte Diekmann zunächst.
Kurz darauf aber eskalierte die Situation. Der Herta-Anhänger habe den Vinnumer geschubst. Mehrere Vinnumer Zuschauer haben ihn daraufhin aufgefordert, dass er es lassen soll.

Auch Kai Diekmann wurde bei der Schlägerei leicht verletzt. © Pascal Albert
Dann ging alles ganz schnell. „Ich habe einen Schlag auf den Hinterkopf gekriegt, dann ist meine Brille runtergefallen. Ich habe Schläge abgekriegt“, sagte Diekmann zu den Tumulten. Dann sei er im Handgemenge weggetrieben worden. Die Brille fand er erst wieder, als Polizei und Krankenwagen eingetroffen waren.
Schiedsrichter Öztürk war nach eigenen Angaben die Sicht versperrt
Hasan-Can Öztürk, Schiedsrichter der Partie, sei die Sicht ausgerechnet durch Vinnums Stürmer Andreas Stolzenberg versperrt gewesen, als die Schlägerei im Gange war. Stolzenberg habe den Schiedsrichter mitverantwortlich für die Eskalation gemacht. „Er sagte, wenn ich sein Tor nicht abgepfiffen hätte, wäre das Ganze nicht passiert. Ich wusste nicht, was er wollte“, sagte der junge Schiedsrichter.

Auch Schiedsrichter Hasan-Can Öztürk machte eine Aussage. © Pascal Albert
Die Schlägerei habe auf den Rängen begonnen und sich dann auf dem Spielfeld fortgesetzt. Sie habe etwa drei bis vier Minuten gedauert. „Auf einen Schlag waren alle weg“, sagte Öztürk. Angaben zu Rückennummern der Herta-Spieler machte der Unparteiische jedoch nicht.
Sportler durch und durch, der auch für alle Sportarten außerhalb des Fußballs viel übrig hat. Von Hause aus Leichtathlet, mit einer Faszination für Extremsportarten, die er nie ausprobieren würde. Gebürtig aus Schwerte, hat volontiert in Werne, Selm, Münster und Dortmund.
