Amos Pieper beim Jubel über sein erstes Profi-Tor - ausgerechnet bei Bayern München. © dpa

Fußball

Amos Pieper wünscht sich weniger „Bohei“ um Homosexualität im Fußball

Im Exklusiv-Interview vor dem BVB-Spiel spricht Amos Pieper über ein gesellschaftliches Tabuthema: Homosexualität. Der Fußball-Profi erzählt auch, wie er sein Tor gegen die Bayern erlebt hat.

Nordkirchen

, 24.02.2021 / Lesedauer: 7 min

Amos Pieper ist der erste Nordkirchener, der in der Fußball-Bundesliga ein Tor erzielt hat. Der Innenverteidiger von Arminia Bielefeld erzielte Mitte Februar beim 3:3 bei Bayern München die zwischenzeitliche 2:0-Führung für den Aufsteiger und aktuellen Drittletzten. Der Treffer war zugleich auch das erste Profi-Tor des 23-Jährigen.

Im Interview spricht der Coesfelder Sportler des Jahres 2020 über seinen Treffer, seine erste Bundesliga-Saison und das Spiel bei seinem Ex-Verein Borussia Dortmund am Samstag (15.30 Uhr).

Pieper war auch einer von 800 Profi-Fußballern, der an der Aktion des Magazins 11Freunde teilgenommen hat. Unter dem Motto #ihrkönntaufunszählen sprachen sie sich gegen Homophobie im Fußball aus. Der Nordkirchener erzählt, warum er an der Aktion teilnahm und warum ihm das Thema so wichtig ist.

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als die Ecke von Michel Vlap reinkam und Sie dann aus fünf Metern frei einköpfen konnten? Ich wollte eigentlich selber jemanden freiblocken und habe dann gesehen, dass die Flanke ein bisschen länger kam als geplant und bin dann selber hingegangen und hatte plötzlich relativ viel Raum, musste hochgehen und den dann reinköpfen.

Der Moment kurz bevor der Ball nach Amos Piepers Kopfball die Linie überschreitet. © dpa

Für mich war es mein erstes Tor im 55. oder 56. Spiel für Arminia. Erstens kommt es nicht so oft vor und zweitens war es in dem Moment das Tor zum 2:0 für uns. Ich glaube, man hat das auch an meinem Jubel gesehen, dass ich im ersten Moment dachte: Was passiert denn hier gerade?Ich war der Situation geschuldet ein ganz bisschen ungläubig, dass ich da jetzt zur 2:0-Führung in München einnetze. Und dann kam pure Freude, pure Ekstase und ein unbeschreibliches Gefühl. Das ist ein Moment, für den man Fußball spielt, für den man das macht.Wie lange hat es gedauert, auf die Glückwunsch-Nachrichten zu antworten? Das waren schon ein paar. Einmal über Social Media und dann auch die engsten Freunde und Bekannten teilweise über Whatsapp. Da habe ich auch versucht, direkt allen zu antworten. Auf die folgenden Antworten habe ich dann allerdings nicht mehr geantwortet.
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Es waren extrem viele Nachrichten, was in so einem Moment aber auch schön ist. Wobei es schon schwierig ist, da allen gerecht zu werden und so schnell es geht allen zu antworten. Das ist dann nicht so einfach, weil es dann plötzlich doch ganz, ganz viele sind, was aber wunderschön ist. Ich habe mich über jede Nachricht riesig gefreut.Sie haben das 2:0 gemacht und sind mit dem Ergebnis auch in die Halbzeit gegangen und haben am Ende trotz einer weiteren Zwei-Tore-Führung „nur“ einen Punkt in München geholt. Überwiegt die Freude über das Tor oder der Frust, dass man doch nicht den ganz großen Coup geschafft hat? Ich glaube, dass jeder nach dem Abpfiff dachte: Puh, da sind wir knapp an einer richtigen Sensation vorbei geschrammt. Und trotzdem ist ein Punkt in München etwas, das wir gerne mitnehmen und das vor der Saison nicht so wirklich eingeplant war.Für uns ist es richtig wichtig, dass wir den Schwung mitnehmen, auch wenn wir zuhause gegen Wolfsburg einen Dämpfer gekriegt haben. Für uns ist es wichtig zu sehen, dass wir auch gegen absolute Top-Mannschaften punkten können und dann irgendwann auch mal drei Punkte mitnehmen können.Das ist gerade mit Blick auf das kommende Spiel und die Spiele danach extrem wichtig, dass wir da den Respekt, den wir hier und da in der Hinrunde noch hatten, ablegen oder abgelegt haben und dann auch da gegen solche Mannschaften an Punkte glauben.

Gegen Wolfsburg gab es eine 0:3-Heimniederlage. Das war jetzt das vierte Mal in Folge, dass Sie mindestens drei Gegentore gekriegt haben. Woran liegt es, dass Sie so viele Tore kriegen? Das ist schwierig, an einer Sache festzumachen. Ich weiß es jetzt nicht genau. Ich glaube, das kann auch keiner so richtig sagen. In den drei Spielen zuvor spielen wir zu Null und holen sieben Punkte. Ich habe direkt nach dem Wolfsburg-Spiel schon gesagt, dass es im Moment viele Gegentore sind, aber auch gefühlt aus jeder, auch kleineren Chance, im Moment Tore entstehen.Dass die Niederlagen und auch die Gegentore, die wir kassierten haben, verdient waren, steht komplett außer Frage, aber im Moment läuft auch extrem viel gegen uns. Trotzdem sind es bei der Menge an Gegentoren nicht immer nur unglückliche Einflüsse, sondern es ist auch irgendwann die Frage: Wie kriegen wir das noch konsequenter wegverteidigt?

Wir sind irgendwo auch individuell und als komplette Mannschaft zu naiv. Also, dass wir auf dem Level, auf dem wir in der Bundesliga sind, zu leicht Tore kassieren beziehungsweise in manchen Situationen, wo vielleicht viele denken „Ok, hier ist jetzt nicht gerade eine Gefahr, ein Tor zu kassieren“, wir dann plötzlich ein Tor kassieren, sei es durch einen Distanzschuss oder einen abgefälschten Ball, der nicht hinreichend geklärt ist. Dann hat jedes Gegentor so seine eigene Geschichte. Da gebe ich Ihnen recht, dass ist in den letzten vier Spielen absolut zu viel. Das macht es dann auch schwierig, Spiele zu gewinnen.

Am nächsten Spieltag spielen Sie gegen Dortmund. Sie haben zehn Jahre für den BVB gespielt, bevor Sie nach Bielefeld gegangen sind. Sie saßen im Signal-Iduna-Park auch einmal auf der Bank, haben in der Bundesliga aber nie auf dem Rasen gestanden. Wie sehr fiebern Sie dem Spiel entgegen? Wir hatten ja schon das Hinspiel. Da habe ich auch schon gesagt: Klar ist sicherlich etwas mehr besonders als jedes andere Spiel, alleine wegen meiner Vergangenheit, aber trotzdem bleibe ich auch diesmal dabei: Dadurch, dass ja auch immer noch keine Fans zugelassen sind, was dem Ganzen auch einen ganz anderen Rahmen in diesem Stadion geben würde, wenn da 80.000 Fans wären, ist es leider alles über diese emotionale Schiene nicht ganz so extrem, wie wenn es unter ganz normalen Bedingungen stattfinden würde.Ich spiele jetzt auch schon zwei Jahre in Bielefeld und trotzdem freue ich mich darauf, das ein oder andere Gesicht wiederzusehen. Geil wäre natürlich ein Punkt, weil auch in diesem Spiel geht es für uns um ganz wichtige Punkte.

Ich stand dort zwar nie für die Profis auf dem Platz, aber damals im A-Jugend-Finale und auch vorher im Halbfinale haben wir schon im Signal-Iduna-Park gespielt, wo Momente passiert sind, die ich nie vergessen werde. Ich freue mich einfach auf das Spiel und trotz der Situation darauf, in diesem Stadion spielen zu können.

Im Hinspiel hat Mats Hummels zwei Tore gemacht. Hat Trainer Uwe Neuhaus Sie vor dem Rückspiel eher vor Hummels oder Erling Haaland gewarnt? Ich glaube, da kann man ja durch die ganze Mannschaft durchgehen, was die Qualitäts-Frage angeht und auch was die Torgefahr angeht. Nach dem Spiel damals war es schon ein bisschen so: Boah, jetzt ausgerechnet bei deren Offensivpotenzial hat der Abwehrspieler zwei Tore eingenetzt.Aber wir müssen, wenn es darum geht, auf alles gefasst sein, auf jeden Spieler, der da spielt. Es ist ja auch häufig so, dass die vorne ein, zwei Leute austauschen. Die haben so viele gefährliche, hoch talentierte Spieler, dass eigentlich auf jeden hingewiesen werden muss.

Sie haben in dieser Saison bis auf drei Spiele, die Sie wegen einer Verletzung verpasst haben, alle Spiele fast über die komplette Distanz gemacht. Wie haben Sie bis jetzt Ihre erste Bundesliga-Saison erlebt? Man könnte jetzt sagen, alles so wie erwartet. Ich denke, dass ich ziemlich gute Spiele dabei hatte, mein erstes Tor gemacht habe, ziemlich viele schöne Momente dabei hatte, wir auch viele Spiele zu Null gesammelt haben, jetzt aber aktuell wieder viele Gegentore gekriegt haben.Dass wir nach 22 Spieltagen auf dem Relegationsplatz stehen, mit dem Anschluss nach oben, damit können wir glaube ich zufrieden sein beziehungsweise lief es teilweise ein bisschen besser als erwartet bis hierher. Aber dadurch, dass ich und wir im Verein, im Umfeld die Chance darauf sehen, die Klasse zu halten, wo ja alle schon gesagt haben „Bielefeld, Absteiger Nummer eins“. Dem ist ja jetzt nicht so. Das hat die Hoffnungen und Erwartungen geweckt, dass wir das am Ende auch wirklich schaffen. Das ist weiter unser erklärtes Ziel und da glauben wir auch alle dran. Das halte ich weiter für absolut möglich.Wie gesagt, bis hierhin bin ich zufrieden, dass ich so viel Bundesliga spielen konnte, dass ich in ganz, ganz vielen Spielen gezeigt habe oder in fast allen gezeigt habe, dass ich Bundesliga kann, dass ich auf dem Niveau mithalten kann. Trotzdem waren viele Situationen dabei, die für mich zum Lernen waren, seien es positive Szenen, aber auch ein paar negative Szenen.

Amos Pieper (l.), mit Trainer Stefan Kuntz, ist auch Teil der deutschen U21-Nationalmannschaft. © dpa

Im Großen und Ganzen bin ich happy darüber, dass ich so viel spielen konnte bis jetzt und meinen Beitrag dazu hatte. Jetzt haben wir ja noch 13 Spiele, der Rest 12 Spiele, und ich und wir glauben fest daran, dass wir den Klassenerhalt schaffen können.

In der letzten Woche war die 11Freunde-Aktion #ihrkönntaufunszählen ein großes Thema. Sie hatten auch ein Statement gegen Homophobie geschrieben. Wie kam es dazu, dass Sie an der Aktion teilgenommen haben? Das Magazin ist über die Vereine gegangen und meine Reaktion war eigentlich, dass es schade ist, dass immer noch so eine Aktion gemacht werden muss. Ich finde es schön, dass dem Thema dann hoffentlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, weil ich der Meinung bin, dass es in der heutigen Zeit nicht sein kann, dass das überhaupt noch Aufsehen erregt, wenn sich jemand outet oder nicht.Es sollte in der Gesellschaft und im Fußball normal sein, das habe ich auch glaube ich genauso gesagt. Und deswegen finde ich die Aktion an sich gut, dass dadurch die Aufmerksamkeit geweckt wird, dass es wohl immer noch nicht normal ist und ich wünsche mir, dass es mal normal sein wird und da nicht jedes Mal so ein großes Bohei drum gemacht wird, ob jetzt jemand homosexuell ist oder nicht.

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Jeder sollte trotzdem selbst entscheiden, ob und wie er das auslebt oder nicht. Das ist ganz wichtig. Ich stehe dazu, was ich gesagt habe, weil ich es wichtig finde. Es ist gut, dass dem Thema mehr Aufmerksamkeit zukommt.

In Ihrem Statement schreiben Sie am Ende, dass es kein negatives Aufsehen erregen darf, wenn jemand homosexuell ist. Warum glauben Sie, dass das Thema im Fußball negativ behaftet ist? Ich meine nicht das Thema an sich, sondern nur, dass wenn sich jemand outet oder geoutet hat. Dann heißt es jedes Mal: Der ist schwul und das sollte so nicht sein. Es sollte kein Aufsehen erregen. Das ist meine Meinung dazu.

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