Schiedsrichtermangel im Basketball nimmt extreme Züge an „Spielbetrieb ist in Gefahr“

Von Isabell Michalski
Schiedsrichtermangel im Basketball nimmt extreme Züge an: Spielbetrieb ist in Gefahr
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„Schiedsrichter-Debakel: Spielbetrieb in Gefahr!“, hieß es bereits vor knapp zwei Wochen auf der Homepage des Westdeutschen Basketball-Verbandes (WBV). Immer weniger Schiedsrichter wollen im WBV die Pfeife in die Hand nehmen und die Spiele des Landesverbands leiten.

Der Mangel ist sogar so drastisch, dass bereits Partien in der höchsten Spielklasse Nordrhein-Westfalens, der Regionalliga, ausfallen mussten. Allein am vergangenen Wochenende fielen NRW-weit laut WBV-Präsident Uwe Plonka zufolge knapp 30 bis 40 Spiele aus. Zuletzt traf es auch eine Mannschaft der LippeBaskets und die erste Männermannschaft der BG Lünen.

Vergangenes Wochenende sollte die U16 der Werner Basketballer eigentlich gegen Citybasket Recklinghausen in der Oberliga spielen. Daraus wurde allerdings nichts, denn aufgrund von fehlenden Schiedsrichtern mussten die Jungs von Coach Nils Brinkmann erstmals die Auswärtsfahrt gar nicht erst antreten: „Jetzt kommen vermehrt Spielabsagen, das ist natürlich tragisch. Ohne Schiedsrichter funktioniert der Sport nicht.“ Vor knapp zwei Wochen hielten die Basketballer der LippeBaskets ihre Jahreshauptversammlung ab. Auch da war dies ein Thema: „Wir haben uns schon überlegt, was wir als Verein machen können.“ Eine drastische Maßnahme wäre laut Nils Brinkmann, alle Jugendspielerinnen und -spieler einen Schiedsrichterschein machen zu lassen. Das sei in anderen Sportarten bereits normal und wäre zwar keine schöne, aber eine effektive Maßnahme.

BG Lünen unfreiwillig spielfrei

Aber nicht nur die Jugend trifft der Schiedsrichtermangel hart. Inzwischen ist auch der Senioren-Spielbetrieb betroffen. So wurden zuletzt zwei Spiele der ersten Mannschaft der BG Lünen in der Landesliga abgesagt. Sowohl das Spiel in Langendreer als auch das Heimspiel gegen die AstroStars IV fielen dem Schiedsrichtermangel zum Opfer. Coach Stefan Jantoss sagte ganz diplomatisch vor dem letzten Spiel, das dann aber wieder stattfand: „Kein Schiedsrichter, kein Spiel. Wir haben jetzt schon Termine für die Nachholspiele, das ist natürlich immer schwierig.“ Die Lüner holen ausgefallene Spiele nun unter der Woche nach, gegebenenfalls gestaltet dies die Schiedsrichter-Situation etwas einfacher, denn die meisten der rund 500 Spiele pro Woche in Nordrhein-Westfalen finden am Wochenende statt, sodass unter der Woche Referees verfügbar sein könnten.

Nils Brinkmann von den LippeBaskets
Nils Brinkmann (am Ball) spielt für die erste Mannschaft der LippeBaskets in der zweiten Regionalliga, trainiert aber auch eine Jugendmannschaft. Diese war jetzt erstmals von einer Spielabsage aufgrund Schiedsrichtermangels betroffen. © Verena Schafflick

Der WBV ist der größte Basketball-Landesverband Deutschlands mit rund 50.000 aktiven Mitgliedern und knapp 500 Spielen jedes Wochenende. Doch die Menge sorgt jetzt für Probleme – oder eher der Mangel an Schiris: „Wir haben einige Maßnahmen aufgesetzt, die Lage ist aber dramatisch. Wir haben aktuell nur 390 Schiedsrichter zur Verfügung“, so Plonka. Das klingt schon zu wenig, die Situation ist aber schlimmer, als sie scheint: Beispielsweise bräuchte der WBV in der ersten Regionalliga mindestens 28 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, aktuell müssen 15 Schiedsrichter den Spielbetrieb am Laufen halten. Ebenso dramatisch ist die Lage auch in der zweiten Regionalliga, in der auch die LippeBaskets aktiv sind: 56 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter bräuchte der Westdeutsche Basketball-Verband laut Uwe Plonka, allerdings stehen derzeit nicht einmal die Hälfte der benötigten Schiedsrichter zur Verfügung.

Als Gegenmaßnahme erhebt der WBV Strafen für Vereine, die nicht genug Unparteiische stellen. 100 Euro kostet jeder nicht gestellte Schiri. Insgesamt nimmt der Verband dadurch pro Jahr 60.000 bis 70.000 Euro ein. Auch die LippeBaskets müssen jedes Jahr eine deftige Strafe zahlen, schließlich stellen sie momentan nur einen Schiedsrichter. Uwe Plonka würde es begrüßen, weniger Geld durch fehlende Schiedsrichter einzunehmen und dafür keinen Schiedsrichtermangel zu haben: „Dann hätten wir deutlich weniger Probleme.“

Stellenwert immer geringer

Dass es fünf vor zwölf ist, ist dem WBV bewusst. Uwe Plonka erklärt, dass deutschlandweit eine Task Force gegründet wurde, die den Schiedsrichtermangel bekämpfen will. Laut Plonka ist dieser nämlich auf mehrere Aspekte zurückzuführen: „Durch die Pandemie haben viele Schiedsrichter aufgehört zu pfeifen. Dazu hat der Stellenwert der Schiedsrichter unglaublich gelitten. Wir erleben Angriffe auf Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter.“ Besonders hinsichtlich des Aspekts der Gewalt gegen Schiedsrichter sieht Plonka eine Grenze deutlich überschritten. Der Präsident erklärt: „Jeder, der sich an Schiedsrichtern vergeht, muss härter bestraft werden.“ So sollen die Strafen für Attacken gegen Schiedsrichter drastisch erhöht werden.

Zudem sieht Plonka es als notwendig an, die Aufwandsentschädigung für Schiedsrichter pro Spiel zu erhöhen. „Es kann ja nicht sein, dass ein Bezirksligaschiedsrichter für 20 Euro drei Stunden unterwegs ist. Das steht in keinem Verhältnis. Und im schlimmsten Fall müssen sie sich auch noch blöd anmachen lassen.“ Diesem Aspekt stimmt auch Dennis Köhler, Coach des TVE Dortmund-Barop in der Herren-Oberliga und selbst Schiedsrichter zu: „Schiedsrichter werden oft angeschrien und angegangen. Ich bin als Trainer und Spieler kein Unschuldslamm. Ich kann es verstehen, wenn Schiedsrichter sagen, möchte ich nicht mehr.“ Dazu kritisiert auch Köhler die geringe Bezahlung für hohen Aufwand in den tieferen Ligen.

Am Tiefpunkt angekommen

Plonka findet drastische Worte: „Wir sind an dem Tiefpunkt angekommen. Jetzt müssen wir als Verband etwas ändern. Dazu muss aber auch ein Ruck durch die Vereine gehen. Ihr seid in der Pflicht, Schiedsrichter auszubilden.“ Er sehe sonst schwarz für die Zukunft.

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