Schiedsrichter-Chef platzt der Kragen: „Das ist Körperverletzung!“

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Schiedsrichter-Chef platzt der Kragen: „Das ist Körperverletzung!“

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Beleidigungen, rüde Fouls, Keilereien, Abbrüche: Die Fußballer aus dem Kreis drehen in diesem Herbst richtig auf. Schiedsrichter-Chef Harald Woller hat die Nase voll. Aus gutem Grund.

Kreis Recklinghausen

, 30.11.2021, 19:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Harald Woller ist kein Funktionär, der bei jeder Gelegenheit die verbale Keule auspackt. Im Gegenteil. Offiziell äußert sich der Vorsitzende im Kreisschiedsrichterausschuss meist so verbindlich wie ein Diplomat im Auswärtigen Amt. Doch jetzt ist dem Recklinghäuser, der im Frühjahr aus dem Amt scheidet, der Kragen geplatzt.

Der Grund: Innerhalb weniger Wochen ist es zum zweiten Mal bei einem Kreisliga-Spiel zu einer Spuckattacke auf einen Schiedsrichter gekommen. Zur Erinnerung: Ende Oktober spuckte ein Spieler von Vestia Disteln III in Richtung des Unparteiischen. Der wurde nicht getroffen, brach die Begegnung gegen den 1. FC Preußen Hochlarmark wegen der aggressiven Stimmung später trotzdem ab.

„Soll sich der Schiedsrichter verprügeln lassen?“

Am Sonntag nun zeigte Lukas Sabi einem Spieler des FC 96 Recklinghausen III in der C-Kreisliga-Partie gegen den SV Hullern die Gelb-Rote Karte. Der spuckte dem Schiedsrichter ins Gesicht. Sabi brach sofort ab.

„So wie es im Moment läuft, geht es nicht weiter“, schimpft Harald Woller. Was ihm dabei besonders sauer aufstößt: Dass Schiedsrichtern bei einem Abbruch gern von allen Seiten bescheinigt wird, ihnen fehle das nötige Fingerspitzengefühl. Oder dass ihnen vorgehalten wird, sie hätten nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, das Spiel zu Ende zu bringen.

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Harald Woller kann es nicht mehr hören: „Was soll es denn noch für Möglichkeiten geben, wenn nach einem Schiedsrichter gespuckt wird? Dabei spielt für mich keine Rolle, ob er getroffen wird oder nicht. Wenn einer da weiterspielen lässt, als wäre nichts gewesen, ist seine Autorität komplett dahin“, stellt er klar und fragt: „Was muss nach einer Spuckattacke noch passieren? Soll sich der Schiedsrichter auch noch verprügeln lassen, bevor er abpfeifen darf?“

Fordert Strafen mit Signalwirkung: Harald Woller.

Fordert Strafen mit Signalwirkung: Harald Woller. © Thomas Braucks

Woller sieht den Fußballkreis auf eine Lage zusteuern, in der Schiedsrichtern komplett die Lust auf ihr Hobby vergehen könnte. Vielleicht sollten die Unparteiischen in einzelnen Klassen sonntags einfach mal zu Hause bleiben, schlägt der Recklinghäuser vor: „Von mir aus auch nach Rücksprache mit dem Verband. Sollen die Vereine doch sehen, ob sie ohne Schiris klarkommen.“

Schiedsrichter sind kein „Freiwild“

Dafür gibt es immerhin prominente Beispiele: Im Herbst 2019 etwa riefen Berlins Unparteiische einen Boykott aus, um sich gegen Respektlosigkeiten und Übergriffe zu wehren. Der Verband musste daraufhin einen kompletten Spieltag mit rund 1500 Spielen absagen. „Ich weiß nicht, ob am Ende alles richtig ist, was ich sage“, so Harald Woller. „Zumindest sollte man mal darüber diskutieren.“

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Der Recklinghäuser sieht auch das Kreissportgericht gefordert. Dies hatte gegen den Distelner Kicker eine Sperre von zwölf Spielen verhängt, das abgebrochene Spiel ist für den 12. Dezember neu angesetzt. Für Harald Woller ein Urteil, das kein geeignetes Signal setzt. „Schiedsrichter sind doch kein Freiwild. Das muss bei den Strafen deutlich werden.“ Soll heißen: längere Sperren für solche Übeltäter und Wertungen gegen ihre Mannschaft. Damit die hilft, Spieler, die ausrasten, zur Raison zu bringen. „Auch die Vereine sollten reagieren und überlegen, ob man eine Mannschaft nicht mal aus dem Spielbetrieb nimmt.“

Zwei Jahre Sperre, 500 Euro Geldstrafe

Reagiert hat jetzt der FC 96 Recklinghausen. Der setzt seinen Spieler nach der Spuckattacke am vergangenen Sonntag vor die Tür, wie der Sportliche Leiter Michael Strzys schon klargestellt hat. Nachvollziehbar aus Sicht des Klubs, findet auch Harald Woller. Der Nachteil: Ist ein Spieler erst einmal aus einem Verein geflogen, kann er von der Sportgerichtsbarkeit nicht mehr belangt werden.

„Dabei wäre es wichtig, dass hier eine Sperrstrafe ausgesprochen wird. Ein oder zwei Jahre Sperre müssen in solchen Fällen einfach her. Und außerdem eine Geldstrafe von 400 oder 500 Euro“, sagt der Schiedsrichter-Chef des Fußballkreises. Denn: „Spucken ist für mich Körperverletzung!“ Wer will das in der aktuellen Corona-Krise bestreiten?

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