Jubeln wie hier beim ersten Regionalliga-Tor des TuS Haltern am See konnte Stefan Oerterer in seiner Karriere ziemlich häufig.

© Holger Lindner

Oerterers besonderes Jubiläum: „Ich hätte ihn für bekloppt gehalten“

rnInterview

Im großen Jubiläums-Interview spricht Stefan Oerterer über 150 Oberliga-Tore, Sticheleien und einen ehemaligen Mitspieler, ohne den seine erfolgreiche Karriere nicht möglich gewesen wäre.

Haltern

, 03.11.2020, 08:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Kaum ein Spieler hat die Oberliga Westfalen in ihrer jetzigen Form so geprägt wie Stefan Oerterer vom TuS Haltern am See. Der Stürmer und Kapitän der Seestädter steht schon lange auf Platz eins der Torjägerliste. In dieser Saison hat er sogar die 150-Tore-Marke geknackt.

Im Interview spricht der Stürmer über einen Treffer, der es bis in die Sportschau geschafft hat, sein Karriereende und die Probleme der aktuellen Spielzeit. Außerdem verrät der 32-Jährige, warum Pleiten auch bei der Arbeit immer präsent sind.

Herr Oerterer, 150 Oberliga-Tore sind eine ziemliche Hausnummer.

Wenn mir das einer vor zehn Jahren gesagt hätte, hätte ich ihn für bekloppt gehalten. Das ist schon eine ziemlich coole Marke.

Wussten Sie, als Sie Ihr 150. Oberliga-Tor erzielten, dass Sie diese besondere Marke geknackt haben?

Wenn ich ehrlich bin: Ich wusste es absolut nicht. Irgendwann hat mir das dann einer gezeigt und ich hab mir gedacht, „cool, ich habe wieder eine glatte Summe“. Es gab mal eine Zeit in Erkenschwick, da wusste ich: Wenn ich jetzt ein Tor mache, ist es das hundertste für Erkenschwick.

Kurz nach Ihrem ersten Treffer gegen die SG Finnentrop-Bamenohl legten Sie direkt nach. Es waren Ihre Tore Nummer zwei und drei in dieser Saison. Warum hat es vorher noch nicht so gut mit dem Toreschießen geklappt?

152 ODER 151 TORE?

  • Zwei Portale, zwei unterschiedliche Statistiken: Während auf Transfermarkt.de steht, dass Stefan Oerterer vom TuS Haltern am See bereits 152 Oberliga-Tore geschossen hat, sind bei Fupa „nur“ 151 vermerkt.
  • Vergleicht man beide Statistiken, zeigt sich schnell, bei welchem Spiel beide Internetseiten sich nicht einig sind: FC Gütersloh gegen SpVgg. Erkenschwick (5. Mai 2013, 2:1 für Erkenschwick)
  • Bei Fupa heißen die beiden Torschützen der Erkenschwicker David Sawatzki und Sebastian Westerhoff. Bei Transfermarkt sind es Oerterer und Westerhoff.
  • Ein Blick ins Archiv der Halterner Zeitung scheint das Rätsel aber gelöst zu haben. Dort heißt es über den Ausgleich der Spielvereinigung: „Alleine drei Mal tauchte Stefan Oerterer vor FCG-Keeper Michael Joswig auf - in der 31. Minute überwand der Torjäger den Schlussmann nach schönem Slalomlauf durch die Gütersloher Deckung endlich zum 1:1.“

Gute Frage. Wir haben ja generell ein bisschen Probleme gehabt, was das Chancenkreieren angeht und den Ballbesitz. Wir haben uns oft nicht so viele Chancen erarbeitet - außer gegen Vreden, da hätte man drei, vier Tore machen können.

Wir haben uns immer wieder schwer getan und oft erst mal mehr Wert auf die Defensive gelegt. Wir haben ja viele junge Spieler. Wenn man denen sagt, wir spielen erst mal defensiv, dann haben die eben auch erst mal nur den Blick darauf. Und nach den letzten Niederlagen war das Selbstbewusstsein natürlich generell im Keller.

Vor dem Remis gegen die Sauerländer gab es vier Oberliga-Niederlagen am Stück. Mussten Sie bei Ihren vornehmlich jungen Mitspielern viel Aufbauarbeit leisten?

Aufbauarbeit würde ich es nicht unbedingt nennen. Wir haben uns natürlich intern darüber unterhalten, was da schiefgelaufen ist. Aber weil wir so viele Spiele hatten, gab es gar nicht so viel Zeit, die Spiele zu reflektieren. Wenn man nur sonntags spielt, hat man mehr Zeit, um sich um sowas zu kümmern. Wegen Corona waren wir auch nicht mit vielen Leuten in einer Kabine, da hat man dann nicht so die Möglichkeit, sich mit vielen in Ruhe zu unterhalten.

Es ist dann schwierig, die Gemeinschaft zu fördern oder Einzelgespräche zu führen. Große Aufbauarbeit musste man aber wirklich nicht leisten. Jeder wusste, warum wir die Spiele so verloren haben. Das Trainerteam hat das auch viel angesprochen. In solchen Situationen muss man einfach sagen, „Kopf hoch und weiter geht´s“. Solche Phasen hat man eben mal, vor allem mit so einer jungen Mannschaft.

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Beeinflusst so eine Niederlagen-Serie Ihre Stimmung im Alltag sehr oder können Sie so etwas gut abschütteln?

Ich kann mir vorstellen, dass das viele können, aber bei mir ist das schwierig. Mein Nachteil ist, dass ich in einem Sportgeschäft arbeite, da interessieren sich viele für Fußball. Da kriegt man dann nach Niederlagen Fragen wie „Was war denn da los?“ oder „Warum schon wieder fünf Stück?“ zu hören.

Da kriegt man die Sachen meist noch drei, vier Tage um die Ohren gehauen. Das macht es dann schwierig, Abstand zu gewinnen. Das Schöne ist dann aber, wenn man mal 4:2 gegen Meinerzhagen gewinnt, dann kommen alle an und fragen, wie man das denn geschafft hat. Aber nach zwei Tagen spricht keiner mehr darüber.

Zurück zu Ihren über 150 Toren: Wissen Sie noch, gegen wen Sie Ihr erstes Oberliga-Tor erzielt haben?

Ich glaube, ja. Das war mit Herne am ersten Spieltag in meinem zweiten Senioren-Jahr gegen Hüls am 17. August 2008, das ist schon ein bisschen was her.

Das war aber sogar noch in der NRW-Liga. Ihr erstes Tor in der neuen Oberliga war dann am 19. August 2012 für Erkenschwick gegen Schermbeck.

Stimmt, das 3:0 gegen Schermbeck. Das war ein Tag, da waren gefühlt 50 Grad im Stimberg-Stadion. Mein Tor fiel kurz vor Schluss nach einem Konter.

Haben Sie unter den ganzen Oberliga-Toren einen Favoriten?

Da gibt es mehrere, aber ein Tor war vielleicht noch etwas spezieller. Das war für Erkenschwick gegen Stadtlohn. Das Tor wurde von unserem Kameramann später zur ARD geschickt und daraufhin für das Tor des Monats in der Sportschau nominiert.

Das war so ein Lupfer aus 40 Metern - sogar mit links. Das war eines der schönsten. Aber klar, es gab auch andere Tore bei schönen Spielen mit speziellen Siegen. Ich glaube, ich kann auf viele schöne Tore und Momente in der Oberliga zurückblicken.

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Bevor sie zu Erkenschwick gingen, spielten Sie mehrere Jahre für Westfalia Herne. Dort sahen Ihre Statistiken aber noch nicht so beeindruckend aus wie bei Ihren darauffolgenden Stationen. Warum?

Da habe ich übrigens noch mit Oli Bautz (Torwarttrainer des TuS Haltern am See, Anm. d. Red.) zusammengespielt, da sieht man, wie der Kreis sich schließt. Da war ich gerade mal 18 Jahre alt und die Oberliga war ungefähr wie die heutige Regionalliga.

„Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich da bin, wo ich jetzt bin“

Da war die Liga eine andere Hausnummer und Herne hatte einen sehr, sehr guten Kader mit vielen Spielern, die Mitte 20 waren. Das waren alles gestandene Oberliga-Spieler. Es war schwierig, da reinzurutschen. Der Trainer hat dann eher die gestandenen Spieler spielen lassen. Dann gab es einen neuen Trainer und ich hatte die ersten Spiele gemacht.

Danach war es aber auch wieder schwierig, es wurden einige weitere Spieler verpflichtet. Dann kam der Tag, an dem ich mich entscheiden musste, mein Vertrag sollte nicht verlängert werden. Zouhair Allali hat mich dann mit zu Erkenschwick genommen. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich da bin, wo ich jetzt bin. Ich Nachhinein kann ich da nur „Danke“ sagen. Vielleicht wäre ich sonst einige Ligen runter gewechselt.

Vorerst werden Sie keine weiteren Chancen bekommen, Ihre Torausbeute weiter auszubauen. Glauben Sie, dass in diesem Jahr noch mal gespielt wird?

Nein, glaube ich nicht. Im Sommer hat der Verband gesagt, jeder bekommt mindestens zwei Wochen, um wieder reinzukommen. Wir können ja nicht bis zum 1. Dezember Feierabend machen, dann am 14. wieder spielen und dann ist schon wieder Schluss. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir die Saison normal beenden. Ich hoffe, die Mitglieder des Verbandes setzen sich jetzt mal hin und machen sich Gedanken.

Wir haben zum Beispiel noch 30 Spiele, das wären bis zum Ende der Saison (Ende Juni, Anm. d. Red.) schon etwa neun Englische Wochen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Die Mannschaft von Holzwickede hat sogar noch 34 Spiele in der Oberliga. Wir haben ja beispielsweise sogar noch das Pokalfinale der vergangenen Saison, das noch gespielt werden muss. Ich weiß nicht, ob man das wirklich noch nachholen muss. Vielleicht hofft der Verband ja, dass der TuS Haltern und Schermbeck wieder ins Finale kommen.

Sie sind jetzt 32 Jahre alt. Haben Sie sich ein Ziel gesetzt, wie lange Sie noch spielen wollen?

Ehrlich gesagt, nein. Mittlerweile bin ich aber auch an dem Punkt angelangt, an dem ich sage: Ich spiele, so lange mich die Knochen noch tragen. Weil ich diesen Sport einfach liebe. So lange ich noch kann, möchte ich möglichst hoch Fußball spielen.

Ab einem gewissen Alter guckt man aber von Saison zu Saison. Ich merke jetzt schon, dass es mehr weh tut, wenn ich am Montagmorgen aufstehe und zur Arbeit muss. So eine Pause wie jetzt tut mir eigentlich sogar mal ganz gut. Auch wenn ich natürlich lieber spielen könnte. Es gibt genug Leute, die bis 35 spielen. Ob ich das dann noch in der Oberliga mache, muss man abwarten.

Sie spielten in Ihrer Karriere für Herne, Erkenschwick und Haltern. Wo würden Sie Ihre Laufbahn am liebsten beenden?

Da kann ich jetzt noch gar nichts zu sagen, ich habe mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht. Aufgrund der Situation mit dem Coronavirus kann man ja auch gar nicht sagen, welcher Verein in der nächsten Saison noch existiert. Wir müssen gucken, welche Vereine das überstehen. Jetzt zählt erst mal der Klassenerhalt mit dem TuS. Im Frühjahr kann ich mir dann Gedanken machen, wie es weitergeht.

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