Für den SV Lippramsdorf ist der Neubau ein großes Projekt. Ein Kunstrasenplatz ist ein teures Vergnügen, das auch schiefgehen kann. Denn mit einer einmaligen Investition ist es nicht getan.

Lippramsdorf, Lavesum

, 27.12.2018, 16:50 Uhr / Lesedauer: 5 min

815.000 Euro stellt die Stadt Haltern in den kommenden zwei Jahren für die Förderung der Kunstrasenplätze in Lippramsdorf und Lavesum bereit. Die alten Tennenplätze sollen verschwinden. Als erstes ist der Sportplatz an der Jahnstraße an der Reihe. Doch was kostet das eigentlich alles? Was kommt auf Lippramsdorf zu? Und worauf muss der Verein achten?

Auf Josef Teltrop, den Vorsitzenden des SV Lippramsdorf, und den gesamten Verein wartet ein anstregendes Jahr 2019. 325.000 Euro stellt die Stadt Haltern dem SV Lippramsdorf bereit, um den Tennenplatz in einen Kunstrasenplatz umzuwandeln.

Spielabsagen sind ein leidiges Thema für den LSV

Spielabsagen - für den LSV ein leidiges Thema. Drei Monate waren es im vergangenen Winter, in denen beide Plätze an der Jahnstraße gesperrt waren. Das Wasser auf dem Rasenplatz fließt schlecht ab, die Drainage ist nicht mehr wirklich funktionstüchtig. Und auch der Tennenplatz wird schnell wegen Unbespielbarkeit des Platzes gesperrt. Es müsste die Oberfläche saniert werden. Schon alleine diese Sanierung beziffert die Stadt Haltern mit rund 120.000 Euro.

Und auch in diesem Winter sind schon wieder zwei Spiele ausgefallen. Die letzten zwei Wochen vor der Winterpause hatten sowohl das Team in der Bezirksliga, als auch die Mannschaft in der Kreisliga B, ungewollt spielfrei. Auch das Training fiel aus. Deswegen stellt Michael Homann, Trainer der zweiten Mannschaft, fest: „Teams mit einem Kunstrasenplatz haben schon einen Vorteil.“ Und der soll es jetzt auch an der Jahnstraße werden. Für 325.000 Euro.

Im Zuge des Umbaus übernehmen die Lippramsdorfer die Pflege des Rasenplatzes von der Stadt.

Im Zuge des Umbaus übernehmen die Lippramsdorfer die Pflege des Rasenplatzes von der Stadt. © Jürgen Patzke

„Es ist klar: Da werden wir aus dem Verein ordentlich mitanpacken müssen“, sagt der LSV-Vorsitzende Josef Teltrop. Deswegen sei es auch wichtig, die Mitglieder mitzunehmen, erklärt er. Wie zum Beispiel auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung, die im Januar stattfinden soll. Denn ohne Eigenleistung wird es an der Jahnstraße nicht funktionieren. Aber klar ist ihm auch: „So nah werden wir einem Kunstrasen nie wieder kommen“, sagt Teltrop.

Finanzierung auf Kante genäht

325.000 Euro klingt nach einer Menge Geld. „Doch ob wir damit hinkommen, das werden wir sehen“, sagt Teltop. Drei Angebote haben Teltrop und der Vorstand eingeholt. Die Summe X, wie er sagt, also die Eigenleistung, die nach dem Abzug der Firmenkosten von den 325.000 übrig bleibt, konnte er noch nicht benennen. Da noch nicht klar sei, wie teuer das endgültige Angebot werde. „Unsere Mitglieder werden wohl den ein oder anderen Samstag opfern müssen“, sagt Teltrop.

Klar ist aber: Der Unterbau des jetzigen Tennenplatzes kann auch für den Kunstrasen genutzt werden, das hat ein Geologe für die Stadt Haltern festgestellt. Sonst wären die Kosten um einiges höher, wie ein Blick nach Lavesum zeigt: 490.000 Euro sind hier für den Umbau reserviert. Denn hier muss auch der Unterbau erneuert werden. „Der Platz ist ja auch schon 60 Jahre alt“, sagt Ralf Wollinski, Abteilungsleiter Fußball in Lavesum.

„Ein Kunstrasenplatz ist ein teures Vergnügen“, erklärt Harald Nonn, Vorsitzender der Deutschen Rasengesellschaft und Mitglied in den Kommissionen des Deutschen Fußball-Bundes (Faktencheck Spielflächen) und der Deutschen Fußball Liga (Expertenkommission Rasen). Kunstrasen sei ein Belag, der erst bei intensiver Belastung seine Berechtigung habe. Aber lässt sich mit 325.000 Euro überhaupt ein Kunstrasenplatz bauen?

Zur Person

Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Sportplatzbau Harald NonNDr. agr. Harald Nonn ist seit 2001 Sachverständiger für Sportplatzbau. Zudem ist er Vorsitzender der Deutschen Rasengesellschaft (DRG) und seit 1988 Leiter Forschung und Entwicklung Vegetationstechnik bei der Firma Eurogreen. Auch für den DFB und die DFL beschäftigt er sich mit dem Thema Sportrasen.

„Das kann sein, dass es funktioniert“, erklärt der Experte. Ein entscheidender Kostenfaktor: Das Granulat. Von den schwarzen Körnchen, die aus Altreifen hergestellt werden, halten sowohl Teltrop als auch Nonn nichts. „Es muss sich keiner Sorgen machen, dass bei uns gesundheitsgefährdendes Material eingesetzt wird“, erklärt Teltrop.

Doch auch von den Gummi-Granulaten „halte ich nichts“, erklärt Nonn. Denn das Material bleibe ja nicht auf dem Platz. „Wir sprechen hier über Mikro-Plastik und das gehört nicht in die Umwelt“, sagt er.

In einer Studie des Frauenhofer Institus aus dem Juni 2018 wurden „74 potenzielle Quellen für primäres Mikroplastik ausgewählt“. Die Verwehungen von Sport- und Spielplätzen, darunter fällt dann auch der Kunstrasenplatz, belegen hier den fünften Rang. „Das sind Zahlen, die kann man ja nicht wegdiskutieren“, sagt Nonn. „Mit der Belagsauswahl müsse man sich kritisch mit auseinandersetzen.“

Kork als organische Alternative

Zudem enthalten die elastischen Füllstoffe sogenannte Weichmacher. Diese unterliegen einer Güterkontrolle. Die Grenzwerte sind in einer Norm festgeschrieben. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass diese Grenzwerte in 2019 deutlich reduziert werden“, sagt Nonn.

Als Alternative könnte der organische Stoff Kork eingesetzt werden. „Doch Kork ist noch nicht komplett ausgereift“, sagt Josef Teltrop vom LSV. „Das Material schwemmt aus.“ So könne es passieren, dass sich nach einem Regen das komplette Material nur auf einer Spielfeldseite befände.

„Muss es überhaupt ein elastischer Füllstoff sein“, fragt Nonn. Zwar biete der eine geringe Reibung bei Hautverletzungen. Als Alternative könne der Sportplatz auch nur mit Sand befüllt werden.

Auf welchem Granulat in Zukunft die Fußballer in Lippramsdorf spielen, hat der Verein noch nicht endgültig entschieden. „Da befinden wir uns noch in der Findungsphase“, sagt Josef Teltrop.

Wenn Bauen, dann auch richtig

Der Experte rät auch: „Wenn ich mich dazu entscheide, zu bauen, dann muss ich auch richtig bauen. Damit der Verein auch lange etwas davon hat.“ Allerdings bleibe aus Sicht von Nonn ein großer Nachteil: die hohe Investitionssumme: Denn es bleibt nicht bei den einmaligen Kosten.

Bei guter Pflege, sagt der Experte, würde die Lebensdauer der Kunstrasenplätze zehn bis zwölf Jahre betragen. „Dann steht eine Belagserneuerung an“, sagt Nonn. Das macht ungefähr eine Viertelmillion Euro. „Da muss ich einfach überlegen: Habe ich das Geld? Häufig werden die Gedanken daran verdrängt. Das kann auch fürchterlich schiefgehen.“

120.000 Euro würde es kosten, nur die Oberfläche des Platzes zu sanieren.

120.000 Euro würde es kosten, nur die Oberfläche des Platzes zu sanieren. © Jürgen Patzke

Wie schnell der Belag erneuert werden muss, hängt auch mit der Bauweise zusammen. Je weniger Schmutz sich auf dem Platz ansammelt, desto länger die Lebensdauer. Vorbeugen kann da schon eine saubere Pflasterung um den Platz.

Zur besseren Übersicht rät Nonn zu einer Lebenszykluskostenrechnung, ausgelegt auf über 30 Jahre. Dort würden dann Investitionen, Unterhaltskosten und die Erneuerung des Belags miteinfließen. Denn auch die Pflege eines Kunstrasenplatzes „gibt es nicht zum Nulltarfi“, sagt er. Laut Harald Nonn belaufen sich die Kosten für die Pflege auf 10.000 Euro, je nach Größe und Nutzungsintensität, pro Jahr.

Die Stadt hält Rückstellungen bereit

Das sind Kosten, die die Stadt Haltern trägt. Sie ist für die Pflege des Kunstrasenplatzes zuständig. Und auch für das Erneuern der Deckschicht. Dafür bildet die Stadt Rückstellungen im Haushalt, um die Kosten dann später tragen zu können. Zum Vergleich: Ein Rasensportplatz kann in der Vollkostenrechnung, also Pflege und Unterhalt, gut und gerne das Doppelte kosten, rund 20.000 Euro.

Im Zuge des Umbaus geht die Pflege des Rasenplatzes in Zukunft über auf den SV Lippramsdorf. Das große Plus allerdings: Der Mähroboter. Mit 7.000 Euro jährlich kalkulieren Stadt und Verein. Und mit dem Roboter käme schnell die doppelte Summe zusammen. „Das ist trotzdem ein Batzen Geld für uns“, sagt Josef Teltrop vom LSV. Um Kosten zu sparen, versuche der Verein, die Pflege in Eigenregie durchzuführen. „Das Geld müssen wir nachhaltig sichern“, erklärt Teltrop.

„Eine perfekte Kombination“

Dementsprechend will der Verein den Rasenplatz in Zukunft möglichst schonend behandeln. Vor allem die Trainingseinheiten sollen dann auf dem neuen Kunstrasen stattfinden. Die Spiele der Senioren sollen aber weiter auf dem Rasenplatz ausgetragen werden. Beide Plätze sind mit Flutlicht ausgestattet.

„Bei hohen Belastungen ist die Kombination aus einem Kunst- und einem Rasenplatz eigentlich perfekt“, sagt der Experte Harald Nonn.

Anfang Januar will der SV Lippramsdorf sich zusammensetzen und zu einer ersten Entscheidung kommen. Auch ein Treffen mit der Stadt Haltern steht noch aus. Danach soll das Projekt den Mitgliedern auf der außerordentlichen Versammlung vorgestellt werden. Dann stehe laut Teltrop auch fest, wie hoch die Eigenleistung des Vereins sein wird.

Läuft alles nach Plan, „wollen wir die Saison 2019/20 auf Kunstrasen spielen“, sagt Teltrop.

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat unter dem Namen Moderne Sportstätten 2022 ein 300 Millionen Euro schweres Investitionsprogramm angekündgt. Auch die Stadt Haltern und der SV Lippramsdorf hoffen, an diesem Programm teilnehmen zu können. Allerdings ist aktuell noch nicht klar, wie und in welcher Form sich die Vereine bewerben können.