Willy Quatuor ist mit 79 Jahren verstorben

Boxen

Einen Monat vor seinem 80. Geburtstag ist der frühere Box-Europameister in der letzten Woche gestorben, am Donnerstag wurde Dortmunds erster „Sportler des Jahres“ im engsten Familienkreis beigesetzt. „Er wollte es so“, sagt Sohn Ralf. Erinnerungen an einen letzten Besuch - und eine außergewöhnliche Karriere.

Dortmund

von von Ulrich Werner

, 28.01.2017, 13:30 Uhr / Lesedauer: 2 min
Willy Quatuor (l.) in seinem EM-Kampf gegen den Bruno Arcari im Jahr 1969. Am Ende gewann der Italiener nach einem umstrittenen Urteil.

Willy Quatuor (l.) in seinem EM-Kampf gegen den Bruno Arcari im Jahr 1969. Am Ende gewann der Italiener nach einem umstrittenen Urteil.

„Nein“, hatte Itta bei unserem letzten Besuch gesagt, „Nein, es geht ihm nicht gut, im Augenblick wenigstens, die Gesundheit...“ Sie schluckte damals, sah hinüber zu ihrem Willy, der uns stumm anblickte, uns, die er früher immer mit großem Hallo und freudestrahlenden Augen begrüßt hatte. Diesmal hob Willy Quatuor nur die Linke, ließ sie mutlos sinken. Nein, es ging ihm wirklich nicht gut damals.

Kämpfe am anderen Ende der Welt

Itta legte damals Kuchen nach, reichte Zucker, erzählte vom Bruch des Wasserrohrs, „die kamen und wollten uns den ganzen Boden aufreißen“, erzählte von den Kindern Gaby und Ralf, von Enkel Mark, der Opa Willy schon mit vier Jahren zum Training begleiten durfte, später ein guter Handballer wurde. Erzählt, wie sie froh war, wenn ihr Willy heile wiederkam von seinen Kämpfen am anderen Ende der Welt. Kennt Namen und Daten. Erzählt von den letzten Jahren, die sie gemeinsam im Seniorenheim verbracht haben, Itta, die eigentlich Charlotte heißt und 60 Jahre lang mit ihrem Willy verheiratet war.

Boxen, das war für den kleinen Dortmunder immer und vor allem Schule des Lebens. Im Krieg mit Mutter und drei Geschwistern ins Sauerland nach Altena evakuiert, begann er als Zehnjähriger mit dem Boxen, gegen den Widerstand der Mutter. Der Vater war im Krieg gefallen, die Wohnung ausgebombt. Itta: „Seine Mutter kriegte ihre Kinder sowieso nicht satt – und dann noch Kampfsport...“

Sieg gegen den deutschen Juniorenmeister

Aber der Ehrgeiz des Jungen war geweckt. Peter Enderlein entdeckt das schmächtige Kerlchen, erkennt das Riesentalent des Jungen, seinen verbissenen Willen, seinen Mut, nie aufzugeben, Eigenschaften, mit denen er sich schnell einen Namen machte im westfälischen Amateurboxsport. Vor allem mit einem Kampf 1954 in den Hammer Zentralhallen. Da sollte Dieter Johannpeter, gerade als frischgebackener Deutscher Juniorenmeister empfangen, seine Boxkünste an einem jungen Dortmunder demonstrieren – eine gigantische Fehlplanung, wie sich zeigte. Willy Quatuor trieb das Hammer Boxidol nach allen Regeln der Kunst durch den Ring und siegte nach Punkten.

Mit 18 Jahren wird er Profi, gewinnt seinen ersten Kampf gegen den Hagener Heinz Lewandowsky. Die erste Börse: 100 Mark. Schnell der Aufstieg in die ersten Reihe des deutschen, des europäischen Boxsports. Auch und vor allem, weil Quatuor keinem Gegner aus dem Wege geht. Er boxt in Italien und den USA, in Australien und Japan, wo er in Tokio beim WM-Kampf gegen Takeshi Fuji um Sieg und Titel gebracht wird, weil der Ringarzt nach einem klaren Kopfstoß des Japaners die Begegnung wegen einer blutenden Augenbraue des Dortmunders abbricht. Willy schickt Postkarten von seinen Reisen, seinen Erlebnissen in Melbourne und Los Angeles, Postkarten, die meist Wochen später ankommen, wenn er längst wieder zu Hause ist.

79 Profikämpfe, 64 Siege

79 Profikämpfe, davon 64 Siege, 1970 das Ende einer erfolgreichen Laufbahn, Quatuor wird Trainer bei der ÖSG Viktoria, dann in Soest, zieht schließlich die blaue Jacke wieder an als Gebäudereiniger, wird Ehrenmitglied im Bund Deutscher Berufsboxer. Und Dortmunds erster Sportler des Jahres, eine Ehrung, die ihn besonders stolz machte. „Du kannst als Sportler noch so gut sein,“, sagte er, „zum Sportler des Jahres wirst du nur gewählt, wenn die Leute dich lieben.“

Es war spät geworden, damals bei unserem letzten Besuch. Itta hatte ihrem Willy eine Decke umgelegt, Bodo Goeke noch ein paar Fotos gemacht. „Wünsch uns Gesundheit“, sagte sie zum Abschied. Uns! Jetzt ist ihr Willy friedlich eingeschlafen.