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Verrücktes Debüt: Ein Keeper verletzt, einer sieht nach wenigen Minuten Rot, einer ist angetrunken
Fußball
Mit diesem Debüt hatten zwei Spieler des ASC 09 Dortmund am 16. November 2014 nicht gerechnet. Der eine Spieler war sogar schon gestandener ASC-Spieler und kam dennoch zu einer Premiere.
Es war ein verrücktes Oberliga-Debüt, das zwei Spieler des ASC 09 Dortmund an diesem 16. November 2014 gegen den SC Roland-Beckum feierten. Obwohl der eine der beiden bereits ein gestandener Oberliga-Spieler war, betrat er in der 78. Minute völliges Neuland, weil sein Mannschaftskollege, der das andere Debüt feierte, nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung das Spielfeld bereits wieder verlassen musste.
Für den jungen Keeper war es damals die Chance: Weil sich Stammkeeper Jan Held in der 65. Minute das Knie verdrehte, schlug seine Stunde. Weil auch Aplerbecks zweiter Torwart, Dominik Altfeld, das Spiel verpasste, kam Jan Zimmler – damals 19 Jahre jung, heute Torwarttrainer beim Drittligisten FC Kaiserslautern – zu seinem Debüt in der Oberliga.
Jetzt gut halten, dem Team beim Stand von 1:2 mit Paraden dabei helfen, das Spiel noch zu drehen – das waren die Gedanken, die Zimmler damals umgaben. Dass sein Debüt nur zwölf Minuten später beendet sein könnte – damit hätte er nie gerechnet. Doch wie das Schicksal es wollte, endete sein erstes Spiel in der fünfthöchsten deutschen Spielklasse in der 77. Minute jäh.
Zimmler musste aus dem Sechszehnmeterraum rausstürmen, um den angreifenden Diyar Kaplas abzufangen, kam aber zu spät. Für eine Notbremse sah er rot – wie wohl auch sein Trainer Daniel Rios im übertragenen Sinne. Auf seiner Ersatzbank fand er keinen Keeper mehr wieder, selbst wenn, wäre es aber auch egal gewesen: Rios hatte sein Wechselkontingent bereits ausgeschöpft.

Da war es geschehen: Jan Zimmler sah nach zwölf Minuten die Rote Karte. © Archiv
„Es war alles total aufreibend für mich“, sagt Zimmler. „Es war eine ganz seltsame Situation.“ Viel habe er nach der Roten Karte nicht mehr wahrgenommen. „Meine Erinnerungen verschwimmen mit dem Platzverweis.“ Er habe in diesem Moment nur zu Trainer Rios geschaut. „Ich dachte, das darf jetzt nicht wahr sein.“
Sein Trainer wiederum überlegte nicht lange und stellte seinen größten Spieler ins Tor, Marcel Münzel, der heute immer noch in Aplerbeck spielt und auch Kassenwart des Teams ist. „Ich dachte nicht lange nach“, sagt Daniel Rios heute. „Er war zudem der einzige Spieler, der mich ansah. Alle anderen haben irgendwo anders hingeschaut“, erzählt er. Einen richtigen Plan für so eine Situation habe er aber nicht gehabt. „Man geht viele Szenarien durch, aber damit, dass man in einem Spiel drei Torhüter braucht, rechnet ein Trainer nicht.“
„Richtig unwohl gefühlt“
Münzel hatte zudem schon Erfahrung in der Bude. Laut eigener Aussage stand er bei einem Spiel für seinen Ex-Klub Hombrucher SV bereits einmal zwischen den Pfosten. „Und beim Training ist er ab und zu beim Torschuss bei uns ins Tor gegangen“, sagt Rios. Sicherer dadurch habe er sich aber nicht gefühlt, sagt er Münzel. „Ich wusste überhaupt nicht, was ich machen soll“, gesteht er heute lachend.
Sein Gefühl für den Raum sei völlig verschwunden. „Ich wusste nicht, wo die Mitte vom Tor oder die Pfosten sind. Ich hatte mich richtig unwohl gefühlt.“ Besser wurde es auch dadurch nicht, dass Roland-Beckum aufgrund des Fouls eine komfortable Freistoßposition erhielt. Und jetzt wird es kurios.
Münzel hatte nämlich, so beteuert er, überhaupt keine Ahnung, wie er eine Mauer stellen soll. „Mit Dominik Altfeld, der verletzt war, stand unser zweiter Keeper hinter meinem Tor. Der hatte aber auch schon ordentlich ins Glas geschaut und hatte sich über mich lustig gemacht.“ Also drehte Münzel den Spieß um.
ASC 09 Dortmund - SC Roland Beckum 1:4 (16.11.2014)
- 0:1 Suri Ucar (10., Elfmeter)
- 1:1 Tim Schwarz (11.)
- 1:2 Nils Hönicke (38.)
- 1:3 Diyar Kaplan (70.)
- Rote Karte gegen Jan Zimmler (ASC, 77.)
- 1:4 Erdal Kaleoglu (78.)
„Ich rief nur: Dominik, komm her und stell mir ‚ne Mauer!“ Also kam der Keeper, stellte sich neben den Pfosten und sorgte – im leicht betüdelten Zustand – für die Verteidigung des Freistoßes. Gebracht hatte es trotzdem nichts. Beckums Erdal Kaleoglu machte kurzen Prozess und jagte das Leder direkt in den Winkel. „Dominik hat sich vor Lachen nicht mehr eingekriegt“, sagt Münzel.
Der Notfall-Keeper fand zwar danach ins Spiel, von seinem Trainer erhielt er sogar ein Extra-Lob („Er hat gut gehalten“), doch viel hält er heute davon nicht. „Ich wurde zweimal angeschossen. Wie ich die gehalten habe, weiß ich auch nicht mehr“, sagt er schmunzelnd. Ein Torwart wäre aus ihm auch deshalb eher nicht geworden. „So bescheuert bin ich nicht!“

Da war es geschehen: Jan Zimmler sah nach zwölf Minuten die Rote Karte. © Archiv
Doch so witzig alle drei die Geschichte sechseinhalb Jahre später finden, so tragisch findet sie Rios auch heute noch für Jan Zimmler. „Er hatte sich die Chance, Oberliga zu spielen, redlich verdient. Das tat mir echt leid.“ Danach bestritt der Keeper nämlich kein Spiel mehr in der Oberliga. „Man erhofft sich als junger Spieler, die Möglichkeit zu erhalten“, sagt dieser. „Deshalb war es brutal frustrierend für mich. Auf der anderen Seite steht aber auch: Sowas erlebt nicht jeder. Es war eine interessante Erfahrung für mich.“
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