Bestimmte Typen leben ihre Genialität nur an Orten aus, an denen alles für sie wie gemacht ist. Anderswo gehen sie unter und verlassen schnell den Ort. Genauso ein Typ ist Aleksandar Djordjevic (25). Um zu verstehen, warum er 43 Pflichtspieltore in einer Saison nur an diesem Ort erzielen konnte, lohnt sich ein Besuch da, wo er sich wohlfühlt: in Eichlinghofen beim TuS! Zu erleben, wie auch Trainer Marc Neul dazu beiträgt, dass „George“, wie sie ihn nennen, den Amateurfußball für sich neu entdeckt, offenbart viel.
Aleksandar Djordjevic: 43 Tore
Neul hatte seinen Topstürmer selbst zum Gespräch ins schmucke Vereinsheim gebeten. Konfrontationstherapie würde mancher Psychiater das nennen, was der Coach sich antut, denn er schickt vorweg: „George ist George, schön verrückt, aber völlig liebenswert. Normalerweise müsste ich genau aufpassen, was er sagt.“ Neul ahnt, was kommt und gibt Djordjevic den Freibrief: „Komm, sag’s!“
Als wäre der Coach noch Spieler und als solcher Vorlagengeber, verwandelt der Stürmer eiskalt: „Ich bin einer der fünf besten Angreifer der Stadt.“ Ob der Ball wirklich sitzt? „Nenne mir doch bessere oder gleichgute?“, fragt er. Ein paar Namen lässt sich „George“ dann gefallen…
Neul lacht und sieht so aus, als wollte er sagen: „Wer weiß, wofür das gut ist.“ Dann ist es Zeit für den zweiten „Djordjevic des Tages“. Neul hatte zuvor über die Ziele des Vorjahresdritten der Bezirksliga gesprochen. Da war Djordjevic nicht dabei. Als die Frage an Djordjevic gerichtet folgt, verdreht Neul kurz die Augen, als befürchte er Schlimmstes.
Dann gibt er das erneute Go: „Komm, ihr dürft ja verrückt sein.“ Und Djordjevic? „Keine Frage, das Ziel ist der Aufstieg.“ Es wäre unfair, das so zu schildern, als könne der Angreifer seine Worte nicht einordnen. Daher auch hier kurz eine Beschreibung seiner Körpersprache: Erst blickt er todernst, dann lacht er fast entschuldigend: „Aber ja, ich sehe das einfach so.“ Der Genießer Neul schweigt.
Nachwuchsspieler bei RW Ahlen
Er weiß, dass es nur einen Weg gibt, um den ehemaligen Nachwuchsspieler von RW Ahlen und Oberliga-Angreifer des TuS Ennepetal, wenigstens zum besten Bezirksliga-Schützen zu machen: „Ich lasse ihn machen, ab und an aber norden wir ihn ein. Gut, dass sein Papa Ivan oft am Platz ist.“ Wieder grinst Djordjevic Jr.: „Wenn Papa was sagt, dann spure ich. Das war schon immer so.“
Da Aleksandar aber als Selbstständiger beruflich unterwegs ist, lässt er sich eben auch im Fußball nicht in eine Schablone pressen. Wenn es jemand versucht, dann hat er schnell die Nase voll. So wanderte Djordjevic auch ein paar Jahre fußballerisch umher. „Hier weiß ich, was ich habe. Eine tolle Mannschaft, einen sehr guten Trainer. Ich schätze das Umfeld, und ich fühle mich sehr anerkannt.“
Und doch rumort es in Neul, wenn er seinen George manchmal Fußball spielen sieht, im Training und im Spiel. Marc Neul war noch ein kleiner Junge, da gab es beim BVB eine vergleichbare Konstellation. Aber der Disziplinfanatiker Matthias Sammer blieb streng, suchte den Machtkampf und nahm Marcio Amoroso, einem der begnadetsten Fußballer, die Borussia je hatte, das Exzentrische und damit auch die Lust.
Noch heute glauben viele, wäre Sammer öfter über seinen Schatten gesprungen, hätte der BVB damals die finanziell lebenswichtige direkte Qualifikation zur Champions League geschafft.

Der Trainer von heute, wägt ab, gewährt den Jungs ihre Freiräume, solange die Mannschaft das mitträgt: „George aber reizt es gar nicht so aus. Er hat sich bei uns prächtig eingeführt. Und wenn ich ein Auge zudrücke, weiß ich immer, dass er es zurückzahlt“, erklärt Neul.
„Und ich wiederhole nochmal mit einem Augenzwinkern: Die Leistung der Mannschaft, dass sie einen guten dritten Platz geholt hat, ist weniger hoch einzuschätzen als die, dass sie es geschafft hat, George mit auf die Mannschaftsfahrt zu bekommen.“
Der Angreifer lacht: „War gut und lustig, aber ich weiß um meinen Ruf als Exzentriker. Das gehört ja auch auf dem Platz dazu. Sonst bin ich eigentlich ganz lieb.“ Aber ja, ein Stürmer muss auch mal seinen Dingen machen: „Im Eins-gegen-Eins sehe ich meine Stärken. Ich halte drauf, sehe aber auch meine Mitspieler.“
Einmal fühlte sich Djordjevic von den Medien falsch behandelt: „Ich hatte nur gesagt, auch ein Haaland hätte ohne seine Mannschaft nie so viele Tore geschossen. Ich wollte damit doch gar nicht sagen, dass ich wie Haaland bin. Das war nur das Beispiel, dass hinter guten Angreifern immer auch gute Mitspieler stehen.“
Plötzlich kann der Leistungsträger so blicken, als bitte er um Verständnis. Und Neul springt ein: „George hat bestimmt zwölf bis 15 Assists.“
TuS Eichlinghofen nach überragender Saison
Den verbalen Ball, wie sie auf die abgelaufene Saison blicken, müssen sich Trainer und Spieler gar nicht zupassen: „Das war eine überragende Saison. Wir waren ganz oben dran“, sagen sie unisono. Das klappte auch wegen der vielen Djordjevic-Tore. Über die Ziele ist ja alles gesagt.
Wenn der Blick in eigener Sache nach vorne geht, kommt dann doch die Knackpunkt-Frage: „Wenn du doch einer der besten Stürmer der Stadt bist und den Aufstieg verpasst hast – warum hast du verlängert?“ Neul grätscht rein: „Weil er bei uns alles hat und glücklich ist.“
Djordjevic holt dann etwas aus, ehe er bestätigt: „Ich hatte es ja woanders auch nicht lange in höheren Ligen geschafft, weil ich oft verletzt war. Jetzt bin ich seit einem Jahr gesund, aber beruflich stark eingespannt. Das passt in Eichlinghofen, aber Marc hat völlig recht: Ich möchte hier mit dieser Mannschaft jetzt erfolgreich Fußball spielen, weil mich alle offen unvoreingenommen aufgenommen hatten und jetzt weiterhin super zu mir sind.“
Dann muss Aleksandar Djordjevic los: „Trainer, wir sehen uns beim Training.“ Vor einem Jahr hätte Marc Neul sich gedacht: „Ich hoffe es.“ Heute sagt er sich: „Ich weiß es.“
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