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Schmerzhafter Abgang für Westfalia Wickede – „Von so einem träumt jeder Klub der Stadt“
Fußball-Westfalenliga
Westfalia Wickede gehört zu den Traditionsklubs der Stadt. Er kann als familiär geführt bezeichnet werden. Jetzt verlässt eines der wichtigsten Familienmitglieder den Verein.
Westfalia Wickede ist für die kommende Spielzeit personell gut aufgestellt. Die sportliche Leitung um Daniel Dukic hofft, dass nach zwei enttäuschenden Jahren endlich eine entspannte Spielzeit bevorsteht. Das Team muss auf dem Weg dahin jetzt auf einen wichtigen Bestandteil verzichten. Auf Mutti.
So bezeichnet sich Tim Rawers. Nicht viele Dortmunder Fußballer werden an dieser Stelle etwas mit dem Namen anfangen können. Wer ihn auf einem Bild sieht, wird ihn schnell erkennen. Er ist mit Anil Konya zusammen die große Konstante des Westfalenligisten. Kapitän Anil Konya trägt seit zehn Spielzeiten das Trikot der Westfalia. Denselben Zeitraum schon steht Tim Rawers als Betreuer an der Seitenlinie.
„Ich habe in der Fußball-freien Zeit gemerkt, wie gut es mir tut, sonntags mal nicht den ganzen Tag auf dem Platz zu stehen, oder unter der Woche an den Trainingstagen abends immer verplant zu sein. Deshalb habe ich entschieden, jetzt aufzuhören“, sagt der 27-Jährige. Zudem komme hinzu, dass er aufgrund seiner Selbstständigkeit immer weniger Zeit habe.

Tim Rawers hat während des Spiels immer seine Kamera in der Hand © Foltynowicz
Er wird dem Team fehlen. „Von Leuten wie Tim träumt jeder Verein der Stadt“, sagt der Sportliche Leiter Daniel Dukic. Er hat Rawers in der vergangenen Woche zu Hause besucht und ihm eine Collage mit Bildern von ihm übergeben. Eigentlich sind Abschiedscollagen immer die Aufgaben von Rawers. „Ich habe mich aber riesig gefreut, dass ich diesmal eine bekommen habe“, sagt Rawers.
Er hat immer die Aufgaben übernommen, die den Spielern das Leben einfach machen. Er hat die Schränke der Spieler sortiert. Er war dafür zuständig, dass die Jungs neue Schuhe oder Trainingsklamotten bekommen. Er war bei Auswärtsfahrten immer der Letzte in der Kabine, weil er die Trikots wieder mit nach Wickede nehmen musste. „Und das ist echt ein Problem, wenn du Anil Konya und Mohammed Lmcademali im Team hast. Die bleiben auch mal gerne noch zwei Stunden nach dem Spiel in der Kabine sitzen“, sagt Rawers.
So kam es häufiger vor, dass sein Fußballsonntag von 11 bis 21 Uhr dauerte. Die ganze Arbeit aus einem rein ehrenamtlichen Antrieb. „Die letzten zwei Jahre hatten wir ja nicht so viel Geld, da habe ich auf mein Spritgeld verzichtet“, so Rawers. Was er aber in Anspruch genommen hat, war der freie Verzehr im Vereinsheim. Vielleicht zu häufig.
In der Fußball-freien Zeit hat er jetzt 30 Kilogramm abgenommen. Er hat das Wandern und das Laufen für sich entdeckt. „Und das will ich mir nicht mehr nehmen lassen. Ich fühle mich körperlich echt wohl“, sagt er. Für einige Spieler wird es ein Problem sein, dass Rawers nicht mehr zur Verfügung stehen. Für Robin Wodniok zum Beispiel.
Wodniok lebt in Iserlohn und arbeitet in Dortmund. An Trainingstagen lohnt es sich nicht für ihn, vorher noch nach Hause zu fahren. Deshalb hat er von Rawers dessen Wohnungsschlüssel bekommen, dass er bis zum Training bei ihm bleiben kann. „Manchmal habe ich mich wie die Mutti der Jungs gefühlt, obwohl ich auch erst 27 Jahre alt bin.“
Tim Rawers war immer die Mutter
Rawers war auch für den Social Media-Auftritt des Klubs mitverantwortlich. Er hat während der Spiele fotografiert, hat die Bilder auf Facebook oder Instagram hochgeladen. Er hat die Bilder auch den Spielern zur Verfügung gestellt. Für deren Social-Media-Auftritte. Er hat auch für den Liveticker gesorgt.
Rawers hat sich zu keinem Zeitpunkt der zehn Jahre ausgenutzt gefühlt. „Ich wurde immer gut behandelt. Ich war immer ein gleichwertiges Mitglied der Wickeder Familie. Nur deshalb habe ich den Job auch zehn Jahre gemacht.“ Er war auch bei vielen Abschlussfahrten dabei. Er habe schon ein paar Jungs nachts ins Hotel getragen. Die Mutti halt.
Er kann sich nicht vorstellen, sich einem anderen Verein anzuschließen. „Wenn ich so einen Job mache, dann nur mit Leidenschaft. Und die kann ich nur bei Wickede aufbringen. Ich könnte mir zum Beispiel nicht vorstellen, den Job bei Aplerbeck zu übernehmen. Da würde mir die Leidenschaft fehlen.“
Und jetzt wird er sonntags seine Familie alleine lassen und stattdessen wandern gehen? „Nein, ich werde mir die Spiele natürlich angucken. Nur geht mein Fußballtag dann nur noch von 15 bis 17 Uhr und nicht mehr von 11 bis 21 Uhr“, sagt Rawers. Er bleibt also Teil der Westfalia-Familie.