Frauen und Migranten fehlen in Fußballverbänden: Funktionäre sind von Zielen weit entfernt

© Henrik Martinschledde

Frauen und Migranten fehlen in Fußballverbänden: Funktionäre sind von Zielen weit entfernt

rnAmateurfußball

Fußball spielen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Die, die die Fußballer in den Kreisen und Gremien vertreten, sind aber meist weiß und männlich.

08.12.2020, 08:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Speziell das Ruhrgebiet lebt von seiner kulturellen Vielfalt. Menschen mit unterschiedlichen Nationalitäten oder Wurzeln leben, arbeiten und spielen dort Fußball. Einen Integrationsbeauftragten gibt es im größten FLVW-Fußballkreis in Dortmund jedoch nicht. Als wir den Kreisvorsitzenden Jürgen Grondziewski fragen, warum eigentlich nicht, will er sich nicht dazu äußern. Auch in anderen Kreisen gibt es einen solchen Posten nicht.

Jetzt lesen

Die kulturelle Vielfalt, die in der Region herrscht, spiegeln die Gremien der Fußballkreise und des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes nicht wider. Fast überall ist der Anteil derer, die weiß und männlich sind, ziemlich hoch. Eine Wahrnehmung, die auch der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) teilt.

„Weiblicher und internationaler“

„Laut einhelliger Meinung der FLVW-Funktionärinnen und -Funktionäre ist der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte in den verschiedenen Kreis- und Verbandsgremien definitiv zu niedrig“, teilt FLVW-Pressesprecher Christian Schubert auf Anfrage unserer Redaktion mit.

FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski hatte in seiner Antrittsrede 2016 betont, der Verband müsse „weiblicher und internationaler“ werden. Vier Jahre später ist der FLVW von diesem Ziel noch weit entfernt.

Im Präsidium ist mit Marianne Finke-Holtz nur eines der neun Mitglieder weiblich. Sie ist auch die einzige Frau im ebenfalls neun Personen umfassenden Fußballausschuss. Im Verwaltungsrat sieht es ähnlich aus. Er wird von sieben Männern und einer Frau gebildet.

Der Schiedsrichterausschuss setzt sich komplett aus Männern zusammen. Und auch in den anderen Ausschüssen und Kommissionen wiederholt sich das immer gleiche Bild: Die Mitglieder sind überwiegend weiß und männlich. Frauen sind nur selten vertreten, ebenso Menschen mit Migrationshintergrund – auch wenn dieser natürlich nicht unbedingt an einem Namen oder Bild abzulesen ist.

Bestrebungen beim Verband sind zu erkennen

Bestrebungen sind beim Verband aber zu erkennen. Neben der AG Integration, dem Integrationsbeauftragten Prof. Dr. Riza Öztürk und der hauptamtlichen Bereichsleiterin für das gesellschaftliche Engagement, Elke Robert, gibt es beim FLVW seit rund drei Jahren mit Alexander Lüggert eine hauptamtliche Anlaufstelle und Fachkraft Integration. „Dieser Personenkreis ist jederzeit für Menschen, die sich diskriminiert fühlen, erreichbar“, teilt der FLVW schriftlich mit.

Der Weg zum Verband ist meist aber nicht immer der naheliegendste. Marianne Finke-Holtz findet, dass es deshalb möglichst viel Vielfalt in möglichst vielen Gremien geben müsse. „Es ist wichtig, dass alle Perspektiven gehört werden, damit wir Probleme und Aufgaben auch möglichst vielschichtig angehen können“, sagt die FLVW-Vize-Präsidentin.

Jetzt lesen

„Menschen ohne Migrationsgeschichte können den Blickwinkel von Menschen mit Migrationsgeschichte ja gar nicht einnehmen, weil die Erfahrungen in einigen Situationen ganz andere sind“, sagt Finke-Holtz. „Wenn es beispielsweise darum geht, Mädchen mit Migrationsgeschichte länger im Fußball zu halten, die nicht aus sportlichen Gründen aufhören, brauchen wir Personen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, die das ansprechen.“

Einen verpflichten Posten eines Integrationsbeauftragten wolle man den Kreisen nicht vorschreiben, sondern vielmehr im gesamten Verbandgebiet und den Kreisen ein Netzwerk aufbauen. Der FLVW möchte dafür im Verband ein Leadership-Programm für Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte anbieten.

Programm für Menschen mit Migrationsgeschichte

Im Oktober 2020 sollte ein solches Programm eigentlich vom DFB gestartet werden, um Menschen mit Migrationsgeschichte, die bereits in Vereinen aktiv sind, den Einstieg in die Verbandsarbeit zu erleichtern. Dieses Programm wurde wegen Corona verschoben und soll deshalb im kommenden Jahr starten.

Danach soll ein solches Leadership-Programm auch im FLVW anlaufen. „Der FLVW wünscht sich, dass zukünftig mehr Menschen mit Migrationsgeschichte den Weg in die Gremienarbeit auf Kreis- und Verbandsebene finden“, schreibt Pressesprecher Christian Schubert zum geplanten Programm.

Neben Aktionen für das junge Ehrenamt und dem gezielten Ansprechen von Menschen mit Migrationsgeschichte seien Leadership-Programme ein Baustein, um die Vielfalt in den Gremien zu erhöhen. Ein solches Leadership-Programm gab es im FLVW für Frauen bisher zweimal (2018/19 und 2020) mit jeweils 15 Teilnehmerinnen. Ein drittes ist für 2021 geplant.

„Unterschiedliche Blickwinkel in jede Kommission bringen“

An diesem Programm haben auch die beiden Frauen im Vorstand des Fußballkreises Dortmund, Andrea Bokelmann und Silvia Behr, teilgenommen.

„Wir würden ja gerne mehr Frauen in der Kreisarbeit haben, wir haben aber keine“, sei ein oft gehörter Satz im Gespräch mit Kreis-Vertretern gewesen, sagt Finke-Holtz. Diesem Satz, ob er nun wahr oder nicht ist, soll unter anderem mit diesen Leadership-Programmen die Grundlage entzogen werden.

„Ich bin keine Verfechterin der Quote. Mit dem Programm können wir den Blick auf die Frauen lenken und auch auf Sachverhalte, die Frauen betreffen“, sagt Finke-Holtz. „Es ist wichtig, dass wir Frauen in den Kreisen haben, die sich für unterschiedliche Aufgaben finden.“

Das Interesse ist groß. Die Plätze für das letzte Leadership-Programm seien schnell weggewesen. „Es ist wichtig, die unterschiedlichen Blickwinkel in jede Kommission zu bringen“, betont die FLVW-Vize-Präsidentin noch mal. 2022 wird im FLVW neu gewählt. Dann wird sich zeigen, ob neue Blickwinkel in die Gremien einziehen.

Jetzt lesen

Schlagworte: