Dortmunder Amateurfußball Frauenteam hat männlichen Torhüter „Man versucht, es zu verstecken“

Dortmunder Frauenmannschaft hat jetzt männlichen Torhüter: „Man versucht, es zu verstecken“
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Weder den spielerisch weitestgehend überlegenden Fußballerinnen von Borussia Dortmund, noch den aufopferungsvoll kämpfenden Spielerinnen des TV Brechten samt ihrer lautstarken Anhängerschaft auf der Tribüne wurde die größte Aufmerksamkeit der Dortmunder Hallenmasters zuteil – zumindest nicht alleine.

Denn in den Mittelpunkt rückte unfreiwillig eine Person auf dem Spielfeld, die aus allen Anwesenden hervorstach. Im Tor des Bezirksligisten und Titelverteidigers Eintracht Dorstfeld stand mit Jan Sindern der einzige Mann unter zahlreichen Frauen.

Zur Erklärung: Jan Sindern ist Transgender und entschied sich vor einigen Jahren zu einem Leben als Mann. Spielberechtigt für die Frauenmannschaft ist der Castrop-Rauxeler aber dennoch – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt: „Ich darf offiziell noch bei den Frauen spielen, bis die geschlechtsangleichende Operation, der Penoiden-Aufbau, abgeschlossen ist. Bis dahin darf ich solange spielen, wie ich möchte, und werde das auch, solange ich noch die Motivation und die Lust am Fußball habe. Sobald der Aufbau des Penoids beginnt, werde ich aber aufhören, aus Angst vor Verletzungen“, erklärt Sindern in aller Offenheit.

Kontakt zu Alexandra Popp

Über die genauen Regelungen informierte sich Sindern genau. Dabei ging er auch den Weg über eine Deutsche Nationalspielerin. „Es hieß immer, dass man nach der Namensänderungen nicht mehr spielen darf. Ich wollte es genau wissen und habe einfach Alexandra Popp auf Instagram angeschrieben, ob sie mir einen Kontakt geben kann, an den ich mich am besten wenden kann. Das hat sie auch getan“, so Sindern

Erst vor einiger Zeit seien die Regeln angepasst worden. Sehr zur Freude Sinderns. „Man merkt es wird immer populärer, die Diskriminierung wird weniger. Es gibt nicht viele, die so selbstbewusst dazu stehen können. So wird ihnen die Möglichkeit gegeben.“

Namensänderung vor einem Jahr

Der Spaß am Fußball war dem 22-jährigen Physiotherapeuten beim Hallenmasters deutlich anzumerken. Seit neun Jahren tritt Sindern gegen den Ball, ist bei Eintracht Dorstfeld sowohl als Torwart als auch im Feld aktiv und spielt da „wo der Trainer mich aufstellt“. Anfangs tat er dies noch unter seinem alten Namen, als Lana Sindern. Erst seit gut einem Jahr steht der neue Vorname Jan nach einem langandauernden Prozess auch in seinem Personalausweis. „Der Weg dahin ist nicht wirklich leicht. Man braucht zwei Gutachten, die von der Stadt vorausgesetzt werden und vorgelegt werden müssen. Dann gibt es auch noch einen Gerichtstermin“, erklärt er.

Seinen neuen Vornamen suchte er sich aber nicht alleine aus, sondern ließ sich dabei ausgiebig beraten. „Ich habe meine Mama gefragt, wie sie mich genannt hätte, wenn ich ein Junge geworden wäre. Dann standen Leon und Jan zur Auswahl. Meine Freunde und Mannschaftskameradinnen meinten, Jan würde besser passen“, berichtet Sindern.

Zuspruch von allen Seiten

In seinem Umfeld geht Sindern offen und selbstbewusst mit dem sensiblen Thema um. Probleme hatte er seit seinem Outing im Jahr 2016 noch keine. Kommentare von außen steckt er ohne Weiteres weg. „Ich habe noch nie Hate bekommen. Klar kommen schonmal Kommentare wie: Boah, da spielt ein Junge mit. Das stört mich aber nicht, wenn die Leute blöd gucken. In der Mannschaft kennen mich alle noch mit langen Haaren, die stehen alle voll hinter mir. Ich bekomme viel Respekt dafür, wie ich mit dem Thema umgehe“, sagt der Transgender.

Jan Sindern spielte schon vor seiner Umwandlung bei Eintracht Dorstfeld.
Jan Sindern spielte schon vor seiner Umwandlung bei Eintracht Dorstfeld. © Privat

Dennoch war gerade die Zeit vor dem Outing eine schwierige. Spätestens mit Beginn der Pubertät fühlte sich Sindern unwohl in seinem Körper. „Man merkt dann zunehmend, wie es einen stört. Mit den femininen Zügen konnte ich mich nicht anfreunden. Man hat nicht das Gefühl, dass man die Person ist, die man sein möchte. Man versucht, es zu verstecken, kleidet sich männlich und kauft zum Beispiel größere Klamotten“.

Zukunft im Männerfußball?

Vieles hat sich bereits aufgrund der Testosteron-Einnahme inzwischen aber am äußerlichen Erscheinungsbild geändert. Neben dem Bartwuchs und der veränderten Stimme, merkt Sindern auch Veränderungen am Körperbau. „Ich habe mehr Kraft und habe an Schnelligkeit gewonnen. Manche sagen, es wäre unfair, aber Doping ist das nicht“. Geschafft ist die Umwandlung zum Mann aber noch lange nicht. Nach seiner 2021 erfolgreichen Mastektomie (Brustentfernung, Anm. d. Red.) steht untere anderem noch die Hysterektomie (Entfernung der Gebärmutter, Anm. d. Red.) an.

Bis zu fünf Jahre plant Sindern für alle noch anstehenden Operationen mindestens ein. Ob er dann auch für eine Männermannschaft auflaufen wird, lässt er sich noch offen. „Leider sind viele Männer noch zu voreingenommen. Da weiß ich noch nicht, ob ich darauf Lust habe“, sagt er.

Fest steht aber: Jan Sindern geht den Weg, den er für sich selbst für den richtigen hält. Nach außen hin will er mit gutem Beispiel vorangehen und andere Menschen motivieren. „Ich will anderen helfen, keiner soll sich selbst eingrenzen“, so die Botschaft des Transgenders.

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