Ein Kommentar: Das BVB-Projekt Michael Skibbe ist krachend gescheitert

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Ein Kommentar: Das BVB-Projekt Michael Skibbe ist krachend gescheitert

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Michael Skibbe, U19-Trainer des BVB, ist bei den Klub-Verantwortlichen in Ungnade gefallen. Es sieht nach einer vorzeitigen Trennung aus. BVB-Reporter Leon Elspaß kommentiert die Geschehnisse.

Dortmund

, 15.05.2020, 18:22 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Stellungnahme des BVB fiel auffallend kurz aus. Der Fragebogen, in dem all die Anschuldigungen gegen Michael Skibbe detailliert aufgelistet waren, könne nicht spezifisch beantwortet werden, ließ Nachwuchskoordinator Lars Ricken verlauten. „Als verantwortungsvoller Arbeitgeber“ seien „alle Fragen, die das Binnenverhältnis zwischen Borussia Dortmund und den Angestellten des Klubs betreffen“ ohne Ausnahme intern zu besprechen.

Einerseits machte sich der Bundesligist damit nicht die Hände schmutzig, andererseits nahm er seinen so heftig ins Kreuzfeuer geratenen Angestellten nicht unnötig in Schutz. Zwischen den Zeilen wurde überaus deutlich: Das Projekt Skibbe ist krachend gescheitert.

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Der noch im Amt verweilende Trainer wird die kluge Krisenkommunikation der Borussia aufmerksam registriert haben. Skibbe wird gemerkt haben, dass es plötzlich einsam um ihn wurde und sich niemand demonstrativ an seine Seite gesellte. Alleine in den Abwehrmodus zu schalten, vermeidet er.

Zu den Vorgängen der vergangenen Tage und Wochen möchte sich der gebürtige Gelsenkirchener ebensowenig äußern wie zur Berichterstattung der Ruhr Nachrichten. Der 54-Jährige, im persönlichen Gespräch eigentlich eloquent und auskunftsfreudig, hält sich zurück und schweigt. Nachvollziehbar, so ist die vertraglich fixierte Partnerschaft zwischen ihm und dem BVB doch noch bis Ende Juni 2022 datiert.

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Die Anschuldigungen, die nun nach dem Ablauf von nicht mal einem Vertragsjahr nach außen drangen, sind ungewöhnlich heftig. Sie sind grundsätzlich, beziehen sich auf zwei fundamentale Ebenen. Einerseits wird Kritik an Skibbes Berufsauffassung geübt, andererseits an seiner persönlichen Umgangsform. Dass der ehemalige Bundesliga-Coach und einstige Co-Trainer der Deutschen Nationalmannschaft selbst engsten Vertrauten bei der Borussia nichts über die schon seit langem andauernden Ermittlungen gegen seinen Schwager erzählt hatte, kann dem Verein nicht gefallen.

Freilich: Hier rutscht das Private ins Berufliche. Ein Arbeitnehmer muss seinen Arbeitgeber nicht über heimische Angelegenheiten aufklären. Dass sie beim BVB allerdings erst wegen der BILD-Recherchen von der Sache erfuhren, dass sie erst dadurch mitbekamen, dass beispielsweise zwei der drei inzwischen verurteilten Vergewaltigungen während Skibbes Abwesenheit in dessen Villa stattgefunden haben sollen, brachte sie aus guten Gründen mächtig in Wallung.

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Das wohl schon vorher angeknackste Vertrauensverhältnis zu diesem leitenden Angestellten erlitt dadurch offenbar irreparablen Schaden. Der Fußballlehrer, der im vergangenen Sommer noch voller Vorfreude empfangen wurde, steht vor dem Rausschmiss. Aus Sicht der Borussia ist das durchaus nachvollziehbar.

Beim BVB ist Skibbes Kredit nach unseren Recherchen immer mehr zusammengeschrumpft. Schon nach wenigen Monaten meldeten sich demnach die ersten Berater beim Verein, fragten entrüstet, was denn los sei in der viel gerühmten U19-Abteilung. Die (vermeintlich) Hochbefähigten würden von Skibbe gar nicht angemessen begleitet und gefördert. Fortan machte sich die Borussia ein genaueres Bild von seiner Arbeit – und fällte die Entscheidung, die personelle Zusammenstellung für die kommende Spielzeit zu verändern. Dem jetzigen U23-Trainer Mike Tullberg also die A-Jugendlichen anzuvertrauen und Skibbe zwar den Posten des Chefs aller Nachwuchsteams zu nehmen, ihm aber zumindest die Regionalliga-Auswahl zu überlassen.

Dieser Entschluss schien plausibel. Der Däne Tullberg hat innerhalb seiner 34 Lebensjahre schon einige Erfahrungen im Juniorenbereich gesammelt und gilt als strebsamer Fußballfachmann wie guter Talententwickler. Außerdem arbeitet in Person von Ingo Preuß ein alter Bekannter Skibbes als BVB-II-Manager. Quasi im Duett sollten sie ab der Runde 2020/2021 die Dortmunder Zweitvertretung führen. Daraus wird nun aller Voraussicht nach nichts. Zu erschüttert sind sie in Dortmund von den BILD-Recherchen, von Skibbes Haltung – und seiner offenbar indiskutablen Arbeitsweise.

Die schwarzgelben Verantwortungsträger haben sich ganz offensichtlich verzockt. Schließlich glaubten sie noch im vergangenen Jahr, in Skibbe die beste Lösung für die mit weitem Abstand wichtigste Nachwuchsmannschaft des BVB gefunden zu haben. Meister-Coach Benjamin Hoffmann, als U19-Chef von vielen Personen inner- und außerhalb des Vereins geschätzt, wurde dafür verdrängt. Ehemalige Weggefährten, so hört man, trauern dem zu Mainz 05 weitergezogenen Juniorentrainer noch immer hinterher. Das (Fall)Beispiel Skibbe zeigt: Ein Trainer mit großem Namen führt nicht prinzipiell zur großen Erfolgsgeschichte.

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