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BVB äußert sich zum möglichen Skibbe-Rauswurf und schützt ihn nicht
Borussia Dortmund
Beim BVB gab es intern schon länger Kritik an Michael Skibbe. Dass der Trainer die Straftat seines Schwagers verschwiegen hat, bringt das Fass wohl zum Überlaufen.
Als Otto Addo und Michael Skibbe im vergangenen Sommer zum BVB zurückkehrten, da fanden Dortmunds Verantwortungsträger - wie bei Neuverpflichtungen üblich – ausnahmslos salbungsvolle Worte. Sportdirektor Michael Zorc betonte, die Borussia würde sich mit diesen beiden Zugängen im Jugendbereich „professionalisieren“. Und Nachwuchskoordinator Lars Ricken befand: „Mit diesen Personalien stellen wir uns nachhaltig und strategisch für die Zukunft auf, um unsere jungen Spieler bestmöglich auszubilden.“ In großen Teilen, das weiß man heute, waren die Einschätzungen ein Trugschluss.
Zumindest auf eine der beiden Arbeitskräfte nämlich treffen die Vorab-Beurteilungen von Dortmunds Entscheidern keinesfalls zu. Während Addo in der Position des Talente-Trainers gewissenhaft seiner Arbeit nachgeht, wird Skibbe längst intern wie extern als nicht mehr tragbar erachtet. Der 54-Jährige, Anfang Juli 2019 als U19-Coach und Chef aller Nachwuchsteams installiert, steht nach Informationen dieser Redaktion kurz vor dem Rauswurf. Die Zweifel an ihm gären seit Monaten.
Da wäre zum einen der sportliche Teilbereich: Skibbe, der noch bis 2022 unter Vertrag steht, brachte bereits im vergangenen Jahr mehrere Spielerberater gegen sich auf. Die beschwerten sich daraufhin beim BVB. Ein Berater betont: „Es ist einiges vorgefallen.“
BVB-U23 sollte eigentlich die letzte Chance für Michael Skibbe sein
Die Anschuldigungen, die diese Redaktion aus verschiedenen Ecken erreicht haben, beziehen sich vor allem auf Skibbes laxe Arbeitshaltung. Er sei (zu) häufig erst kurz vor dem Training auf dem Platz – und verschwinde dann wieder sehr rasch nach der Übungseinheit. Video-Analysen, die vom dafür beauftragten Mitarbeiter angefertigt würden, seien ein kaum gefragtes Mittel für diesen Fußballlehrer, der unter anderem bei Bayer Leverkusen, Galatasaray Istanbul, Eintracht Frankfurt, Hertha BSC und der Deutschen Nationalmannschaft als leitender Angestellter fungierte.

Da war die Welt noch in Ordnung: BVB-Nachwuchskoordinator Lars Ricken (l.) mit Michael Skibbe am 1. Spieltag der A-Junioren-Bundesliga im Sommer 2019. © imago images/Otto Krschak
Außerdem seien weniger dessen taktische Vermittlungskünste ursächlich für Tabellenplatz zwei in der aktuell Corona-bedingt pausierenden A-Junioren-Bundesliga als vielmehr die individuelle Klasse seines Kollegiums. Und seinen Posten als oberster Nachwuchstrainer führe er, so ist zu hören, ebenfalls nur leidlich aus. An Video-Konferenzen mit den Juniorentrainern nehme der noch amtierende Chef allzu häufig erst gar nicht teil.
Dass der BVB kürzlich ankündigte, Skibbe ab der kommenden Saison sowohl den U19-Posten als auch das Mandat des Nachwuchschefs abzunehmen, war deshalb einzig und allein als berufliche Herabstufung zu werten. Wenngleich deutliche Worte in seine Richtung selbstverständlich nicht öffentlich formuliert wurden. Skibbes Vorgesetzte waren darauf bedacht, ihn bestmöglich zu schützen. Sie wollten ihm noch eine letzte Chance geben, wollten aus ihm wieder einen fleißigen Cheftrainer formen – und ihm die U23 anvertrauen.
Michael Skibbe verschwieg die Straftat seines Schwagers gegenüber dem BVB
Diese letzte Chance aber scheint Skibbe schon verspielt zu haben. Denn als die Recherchen der „BILD-Zeitung“, dass Skibbes Schwager wegen Vergewaltigung zu achteinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurde, in der Vorwoche hereinplatzten, da gerieten die BVB-Oberen in Aufregung. Der Grund: Sie hatten nach Informationen der Ruhr Nachrichten keinerlei Kenntnis über diesen Fall, wurden völlig kalt erwischt – und zunehmend zorniger auf Skibbe.
Der hatte ihnen all die Gerichtsverhandlungen offenbar verschwiegen, hatte verschwiegen, dass zwei der drei Vergewaltigungen laut „BILD-Zeitung“ während seiner Abwesenheit in der von ihm ansonsten bewohnten Düsseldorfer Villa stattfanden und dass er sich reichlich darum bemühte, dem nun verurteilten Bruder seiner vierten Ehefrau statt der U-Haft einen Aufenthalt in seiner Villa zu ermöglichen - per 80.000-Euro-Kautionszahlung, die er dem Gericht anbot. Das ohnehin schon zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen der Borussia und Skibbe war spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu kitten. Die Zeichen stehen seither auf Trennung.
Skibbe, teilt der BVB mit, werde sich nicht zum Thema äußern. Der Klub beantwortet einen detaillierten Fragenkatalog der Ruhr Nachrichten nur kurz und knapp. Nachwuchskoordinator Ricken, der sich noch in der Vorwoche redlich darum bemüht hatte, die Versetzung Skibbes in die U23 als „Win-win-Situation“ für alle Seiten zu verkaufen, lässt darin ausrichten, „dass wir als verantwortungsvoller Arbeitgeber alle Fragen, die das Binnenverhältnis zwischen Borussia Dortmund und den Angestellten des Klubs betreffen, grundsätzlich intern besprechen und nicht öffentlich machen können.“ Den Opfern des verurteilten Skibbe-Schwagers gelte „unser tiefes Mitgefühl“.
Über den heftig kritisierten Trainer selbst verliert Ricken in dieser Mitteilung kein einziges Wort. Skibbe steht inzwischen auffallend alleine da.
Schreibt seit 2015. Arbeitet seit 2018 für die Ruhr Nachrichten und ist da vor allem in der Sportredaktion und rund um den BVB unterwegs.
