Anna rettet mit ASC-Vereinsbus ihre Oma und ihren Onkel aus der Ukraine

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Anna rettet mit ASC-Vereinsbus ihre Oma und ihren Onkel aus der Ukraine

rnKrieg in der Ukraine

Der ASC 09 hat seinen Vereinsbus zur Verfügung gestellt, um Menschen, die in der Ukraine durch den Krieg bedroht sind, die Flucht zu ermöglichen. Die Reise dorthin war turbulent, voller Licht und Schatten.

Dortmund

, 10.03.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Dass wir da helfen, versteht sich doch von selbst“, zögerte Dominik Altfeld, Sportlicher Leiter der U23-Mannschaft vom ASC 09 keine Sekunde, als er vom Hilfegesuch einer Bekannten erfuhr: Anna, in den Neunzigern mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland ausgewandert, war verzweifelt auf der Suche nach einem Kleinbus, um Familienangehörige vor dem Krieg zu retten. Mit dem Vereinsbulli der Aplerbecker ging es in den vergangenen Tagen von Nordrhein-Westfalen bis zur rumänisch-ukrainischen Grenze. Eine abenteuerliche, strapazenreiche Fahrt, auf der Anna Zeugin von viel Leid und Schrecken wurde, aber auch Hoffnungsschimmer erblickte und Selbstlosigkeit erfuhr.

Tausende Kilometer quer durch Europa


Als Anna nach fünf Tagen endlich wieder zuhause ist, gemeinsam mit ihrem Onkel und ihrer Oma aus der Ukraine, fällt alles von ihr ab: „Unterwegs habe ich mich zusammengerissen. Aber als wir angekommen sind, haben wir zwei Abende nur geheult.“ Tausende Kilometer hatte sie zuvor gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Lebensgefährten im Vereinsbus des ASC 09 Dortmund verbracht, hat darin Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien durchquert und ist bis zur rumänisch-ukrainischen Grenze gefahren, um ihre Familienangehörigen zu retten.

Anna rettet mit ASC-Vereinsbus ihre Oma und ihren Onkel aus der Ukraine

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Aber der Reihe nach: Die Reise beginnt am vergangenen Mittwoch, erst über 30 Stunden später ist die Gruppe um Anna am Ziel. „Es war eine super schwierige Fahrt zum Ende hin“, erklärt sie: „Im Norden Rumäniens gibt es keine Autobahnen, da sind wir nur über Landstraßen, von Ort zu Ort und durch die Karpaten gefahren.“ Straßen voller Serpentinen, und das im tiefsten Winter. In den Bergen erlauben sie sich eine dreistündige Pause in einer Unterkunft. Geschlafen hatten sie bis dahin nicht, „und bei dem vielen Schnee und mitten in der Nacht weiterzufahren, hat wenig Sinn ergeben“.

Die Fahrt durch die Karpaten im tiefsten Winter.

Die Fahrt durch die Karpaten im tiefsten Winter. © privat

Etwas ausgeruhter geht es am nächsten Morgen weiter. Anders als Anna, die mit ihren Eltern in den Neunzigern nach Deutschland ging, lebt ihre übrige Familie im ukrainischen Czernowitz, etwa 40 Kilometer nördlich der Grenze zu Rumänien. Der Krieg hat diese Region zwar nicht erreicht, darauf warten wollen Anna und ihre Familie aber auch nicht. Sie will ihre Oma und ihren Onkel nach Deutschland holen: „Oma ist alt und schwach, sie kommt ebenso wenig alleine zurecht wie mein invalider Onkel.“ Der ist zwar erst 50 Jahre alt, leidet allerdings unter Coxarthrose.

Annas Onkel darf zunächst nicht ausreisen

Im Vorfeld hatte Anna Kontakt zu einem jungen Freiwilligen in Czernowitz aufgenommen, der Transporte aus der Stadt an die Grenze organisiert – kostenlos. Am Grenzübergang erfolgt zwar die Zusammenkunft, doch ihr Onkel wird nicht ohne Weiteres durchgelassen: Aktuell dürfen Männer zwischen 18 und 60 nicht ausreisen.

„In der Ukraine gibt es Invalidenstufen, ähnlich wie in Deutschland die Pflegestufen. Mein Onkel hat Stufe drei, rausgelassen werden aber nur Leute mit Stufe eins oder zwei“, erklärt Anna. Lange Diskussionen zwischen ihrer Mutter und verschiedenen Grenzbeamten entstehen. Am Ende darf der Onkel über den Umweg Flüchtlingslager schließlich doch ausreisen.

Das Flüchtlingslager in Siret, Rumänien.

Das Flüchtlingslager in Siret, Rumänien. © privat

Er wird nach Siret in Rumänien in ein gerade aufgebautes Camp gebracht. Nach fünf Stunden dort, in denen verschiedene Dokumente erstellt werden, darf sich die Familie endlich auf den Weg nach Hause machen. Während der Zeit im Camp lernt Anna eine Familie aus Kiew kennen, die unterwegs ins rumänische Gura Humora ist, aber nicht weiß, wie sie dorthin gelangen soll.

Weil noch Platz im Fahrzeug ist, nehmen Anna und ihre Leute die Familie mit. „Zu neunt saßen wir dann im Bus, dazu kamen der kleine Hund meiner Oma und die Katze der Familie aus Kiew“, beschreibt Anna.

Achterbahnfahrt mit viel Schatten, aber auch Licht

Weitere viele, viele Stunden später kommen Anna und ihre Familie endlich zuhause an. Auf der Reise haben sie so viel erlebt, dass es für einen Roman reichen würde. Es sei eine Achterbahnfahrt zwischen Trauer, Schock und Schatten, aber auch mit Hoffnung, Selbstlosigkeit und Licht gewesen.

Ukrainische Männer, die ihre Kinder und Frauen zur Grenze fahren, um sich dann von ihnen zu verabschieden, ungewiss, ob es ein Wiedersehen geben wird. Frauen, die zu Fuß mit ihren Kindern aus dem Land fliehen. Aber auch unzählige Freiwillige, die in den langen Schlangen vor den Grenzen Kaffee, Nahrung und andere Hilfsgüter verteilen. Menschen, die fremde Leute 500 Kilometer weit fahren, um sie in Sicherheit zu bringen.

Zwei von vielen freiwilligen Helfern, die die Fliehenden in den langen Schlangen vor den Grenzen mit Kaffee, Nahrung und anderen Hilfsgütern versorgen.

Zwei von vielen freiwilligen Helfern, die die Fliehenden in den langen Schlangen vor den Grenzen mit Kaffee, Nahrung und anderen Hilfsgütern versorgen. © privat

„Die Bereitschaft, zu helfen, ist wahnsinnig groß“, sagt Anna, die auch dem ASC noch einmal ihren Dank ausspricht: „Ich weiß nicht, was wir ohne den Bus gemacht hätten und bin von Herzen dankbar.“

Ihr Lebensgefährte und ihr Vater werden sich am Freitag erneut auf die Reise machen, diesmal im Auto. Hilfsgüter, vor allem Medikamente, Powerbanks und Babynahrung werden nach wie vor benötigt. Und noch wichtiger: Transportmittel. „Wenn man jemanden mitnehmen kann, auch wenn es nur ein Teilstück ist, ist das eine wahnsinnig große Hilfe“, weiß Anna aus eigener Erfahrung.