Bundestrainer Uwe Bender über einen Wachrüttler, enge Zeitpläne und sein Olympia-Großboot, das wochenlang nach Japan schippert. Bender wird deutlich, wenn er über die Probleme der Ruderer spricht.
Die Operation Gold beginnt an einem regenreichen Vormittag am Dortmund-Ems-Kanal. Am Bootshaus des Ruderclubs Hansa 1898 Dortmund, dem Bundesleistungsstützpunkt der deutschen Riemenruderer, stehen die vollbepackten Begleitfahrzeuge des Teams Deutschlandachter.
Am Sonntag beginnt im portugiesischen Avis das erste von insgesamt fünf Trainingslagern in der Olympia-Vorbereitung. Wir sprachen mit einem nachdenklichen Riemen-Bundestrainer Uwe Bender.
Als amtierender Welt- und Europameister 2019 geht der Deutschlandachter doch sicher mit Rückenwind in die Olympiasaison...
Es gibt da eine interessante Serie, die wir in Tokio 2020 nur zu gerne fortsetzen würden: Wir sind vor Olympia in London 2012 drei Mal in Serie Weltmeister geworden und haben dann dort Gold geholt.
Vor Olympia in Rio 2016 reiste der britische Achter als Dreifach-Weltmeister an und gewann Gold. Nach Tokio fahren wir wiederum als dreifacher Weltmeister, deshalb ist unsere Mission klar.
Zum Team Deutschlandachter gehören auch der Vierer und der Zweier ohne Steuermann, die bei der WM in Österreich das Olympia-Ticket verpasst haben. Wie geht es weiter?
Das war leider eine negative Überraschung, die uns jetzt dazu zwingt, unsere Pläne für die Olympia-Vorbereitung über den Haufen zu werfen. So haben wir unser Skilanglauf-Trainingslager in St. Moritz nach Weihnachten gestrichen zugunsten einer Maßnahme in Italien, wo wir auf dem Wasser trainieren können.
Kurzfristig Hotels stornieren, Hotels neu buchen, das ist schwierig und mit einigen Kosten verbunden, und die Finanzsorgen im Deutschen Ruderverband sind ja bekanntlich groß. Wenn wir unseren persönlichen Sponsor Wilo nicht hätten, der uns da sehr hilft, sähe es wirklich düster aus. Und das im Olympiajahr.
Mitte Mai müssen Vierer und Zweier in einem Qualifikationswettkampf „nachsitzen“, um doch noch nach Tokio zu kommen. Wie sieht die Bootsbildung aus?
Wir müssen mit allen Planungen zwei Monate eher dran sein, da die Olympia-Regatta mit Ende Juli sehr früh im Ruder-Jahr liegt. So muss der Achter schon Ende Januar stehen, daraus ergeben sich im Anschluss die Besetzungen der kleineren Bootsklassen, die sich dann für die Qualifikation bestmöglich einfahren müssen.
Das ist ein straffes Programm, und ich merke bei allen, dass Druck und Spannung steigen. Wir arbeiten mit 18 Ruderern, alle 18 träumen von Olympia, und nur Acht werden am Ende im Achter sitzen.
Gibt es einen Bonus für die Sportler, die den aktuellen Weltmeister-Titel eingefahren haben und alles in allem eine erfolgreiche Saison gefahren sind?
Nein, es gilt weiter das Leistungsprinzip, niemand ist im eigentlichen Sinne gesetzt. Es wird aber keinen großen Umbruch geben, schließlich sind sechs der acht Ruderer im Achter dreifache Weltmeister geworden. Auf ein, zwei Positionen werden wir etwas probieren, alles weitere wird die Selektion in den Trainingslagern zeigen.
Auf jeden Fall arbeiten alle hart, da ist richtig Zug drin. Alle wollen mir die Entscheidung möglichst schwer machen.
Sie haben in der vergangenen Saison mit den physisch starken Christoph Reinhardt und Laurits Vollert „mehr PS“ ins Großboot gebracht. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Im Ergebnis war die Saison gut, aber die Weltcup-Niederlage in Rotterdam, unsere erste nach langer Siegesserie, war für uns ein echter Wachrüttler, auch wenn die äußeren Bedingungen schwierig waren.
Die Niederlage gegen die Briten war keine normale Niederlage, sie hat uns sehr getroffen. Und wir haben uns die Zeit genommen, das zu analysieren.

Der Deutschland-Ruder-Achters auf der Ziellinie beim Abschlussrennen des SH Netz Cup 2019. Christopher Reinhardt war kollabiert und musste anschließend medizinisch versorgt werden. © dpa
Mit welchem Ergebnis, wenn wir fragen dürfen?
Die Kraft im Boot war durchaus und wie erhofft da, aber die Rudertechnik war bei weitem nicht so harmonisch wie in den Jahren zuvor. Wir haben uns im Trainer- und Athletenkreis öfter das Video vom WM-Finale in Linz angeschaut. Trotz des WM-Titels waren auch da doch einige Fehler drin.
Es hat zum Glück trotzdem gereicht, obwohl die Niederländer, die in der Breite sowohl im Riemen- als auch im Skullbereich enorm stark geworden sind, uns alles abverlangt haben. Diese Niederlage hat uns geholfen, wach zu bleiben, sie hält uns weiter auf Trab.
Da hilft doch sicher auch die Politik. Das Bundesinnenministerium hat schließlich die Fördermittel für den Spitzensport rechtzeitig vor Olympia signifikant erhöht...
Aus dem großen Topf, in den die Sport-Mittel geflossen sind, ist bei uns nur ein ganz kleiner Betrag angekommen, da viele Gelder in die Leistungssport-Strukturen fließen. Für uns hat sich die Finanzsituation über den Olympia-Zyklus nicht verbessert.
Wie wirkt sich das im Einzelnen aus?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir müssen unsere aktuellen Olympia-Boote per Container auf dem langen Seeweg nach Tokio schicken, da ein Flugzeug-Transfer, wie wir ihn 2016 nach Rio de Janeiro praktiziert haben, für den Verband inzwischen zu teuer ist.
Für uns heißt das, dass wir ungefähr die Hälfte dieser Olympia-Saison, unter anderem auch die Europameisterschaft und mindestens einen Weltcup, in älteren Booten bestreiten müssen, die schon einige Jahre und Kilometer hinter sich haben. Eigentlich unglaublich, oder?
Enge Zeitpläne, umgeplante Trainingslager, ungeplante Qualifikationen, fehlende aktuelle Boote – drückt das alles nicht auf die Stimmung?
Es ist gerade etwas schwierig mit all den Rahmenbedingungen. Aber unser großes Ziel, bei den Olympischen Spielen in Tokio das Maximale herauszuholen, gibt uns enorm Kraft und hohe Motivation.
Unsere Sportler hängen sich richtig rein, und auch ich versuche, positiv an die Sache heranzugehen und mit meinem Team die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wir wissen, dass wir für unsere Träume hart und gut arbeiten müssen und uns keine Fehler erlauben dürfen.
Die Liebe zum Sport im Großen wie im Kleinen und die Liebe zum Schreiben führten 1988 direkt in die Sportredaktion des Medienhauses Lensing. Persönliche journalistische Highlights: die Berichterstattung von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und 2008 in Peking. Immer noch mit Begeisterung am Ball.
