BVB-Spielerin Schmele: "Das wird ein Schützenfest"

Handball: Bundesliga

Carolin Schmele hat harte Zeiten hinter sich. Lange neun Monate musste sie wegen eines Knorpelschadens im Knie pausieren. Über das Gefühl, wieder auf dem Spielfeld zu stehen, hat die Handballerin von Borussia Dortmund im Interview mit Dirk Krampe und Gerd Strohmann gesprochen.

DORTMUND

, 19.09.2015, 08:15 Uhr / Lesedauer: 3 min
Carolin Schmele möchte nach langer Verletzungspause mithelfen, die BVB-Handballfrauen in der 1. Bundesliga zu etablieren

Carolin Schmele möchte nach langer Verletzungspause mithelfen, die BVB-Handballfrauen in der 1. Bundesliga zu etablieren

Frau Schmele, wie hat sich das angefühlt, drei, vier Minuten Spielzeit nach so langer Pause? Carolin Schmele: "Auf jeden Fall war’s ungewohnt. Wenn man so lange raus war, fehlt einem die Sicherheit, dazu bin ich auch noch in einer kritischen Phase aufs Feld gekommen. Das war aber vielleicht ganz gut, da hatte ich keine Zeit, groß nachzudenken."

Sie in einer kritischen Phase zu bringen, spricht dafür, dass Trainerin Ildiko Barna Ihnen vertraut… Ja, das hoffe ich doch (lacht). Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass sie mich in dieser Phase bringt. Das hat mich positiv überrascht.

Wie geht’s Ihrem Knie aktuell? Immer besser, aber es wird noch seine Zeit dauern, bis ich wieder hoffentlich die Alte bin. Bestimmt sechs, vielleicht auch acht Wochen.

Haben Sie noch Probleme? Ja, die sind aber hauptsächlich muskulärer Natur. Da habe ich während meiner Zwangspause viel verloren.

Befürchten Sie, dass Sie nach so einer schweren Verletzung mit gewissen Problemen leben müssen? Knorpelschaden ist nicht wie eine Bandverletzung, der neue Knorpel ist nicht so stark wie der alte. Man muss das Training anpassen, aber ich denke, wenn man das vernünftig anpackt, wird es wieder annähernd wie vorher. Ein paar Prozent Einbußen hat man aber nach jeder OP.

Wie haben Sie die lange Zeit, in der Sie nicht einsatzfähig waren, weggesteckt? Es war psychisch sehr hart. Nach der OP hieß es, ich könne nach drei, vier Monaten wieder spielen. Doch nach drei Monaten ging noch gar nichts. Ich konnte nur abwarten. Letztlich sind es dann neun geworden, also sechs Monate mehr. Ich habe alles probiert, war bei vielen Ärzten, Physios. Das Warten hat viel Kraft gekostet.

Wie sind Sie in solchen Momenten? Ungenießbar für Ihre Mitmenschen? Nee (lacht). Ich mache das eigentlich dann immer mit mir selbst aus.

Sind Sie eine geduldige Patientin? Was heißt schon geduldig. Natürlich wollte ich so schnell wie möglich wieder spielen. Aber ich weiß, was es heißt, wenn der Operateur sagt, ich muss zweieinhalb Monate auf Krücken laufen. Dann lege ich sie nicht zwei Wochen eher zur Seite und riskiere, dass der Knorpel wieder kaputt geht.

Nach so langer Pause braucht es Zeit, bis man ohne Angst in die Zweikämpfe geht, bis man den Respekt abgelegt hat. Wo stecken Sie gerade in diesem Prozess? Ganz am Anfang, leider. Das kann man auch nicht beschleunigen, das regelt sich durch viel Training. Aber ich kann mich natürlich anpassen. Wenn ich Angst vor Körperkontakt habe, mache ich andere Bewegungen und werfe halt von hinten.

Der BVB hat im Sommer drei Nationalspielerinnen geholt, sie kommen aus einer schweren Verletzung. Haben Sie das Gefühl, sich erst einmal hinten anstellen zu müssen? Nein, so denke ich überhaupt nicht. Ich wurde auch darauf angesprochen, ob ich es blöd finde, wenn jetzt eine Nadja Nadgornaja kommt. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bin sowieso ein totaler Mannschafts-Mensch, mir geht der Teamerfolg über alles, weil ich glaube, dass eine einzelne Spielerin nie auf Dauer den Erfolg garantieren kann.

Ist es auch gut, dass durch Spielerinnen wie Nadgornaja nicht gleich wieder der ganz große Druck auf Ihnen lastet? Das ist sicher gut. Ich war immer der Shooter, aber sie ist auch eine Shooterin, da bin ich nicht mehr so in der Pflicht. Und wenn Raffika Etaqi zurückkommt, haben wir sogar drei, das wird dann ein Schützenfest (lacht).

In der Vorbereitung hat die Trainerin Sie zur Siebenmeter-Schützin auserkoren… Das war eine nette Geste, das sollte wohl das Gefühl steigern, dass ich dazugehöre (lacht).

Ist daraus eine echte Liebe zum Siebenmeter geworden? Nee, die hatte ich schon vorher. Früher war ich immer zweite, dritte Schützin. In Dortmund bin ich da schon in der letzten Saison reingerutscht. Als wir so viele Verletzte hatten, hat die Trainerin jemanden gesucht (lacht).

Wie wichtig war es für Sie während Ihrer Verletzung, dass der BVB trotz aller Probleme den Aufstieg geschafft hat? Sehr wichtig. Ich bin nicht hergekommen, um dauerhaft 2. Bundesliga zu spielen. Ich bin gekommen mit dem Gedanken, dass man hier was aufbauen kann. Das eine Jahr 2. Liga war der Kompromiss.

Ist die Nationalmannschaft ein Ziel? Primär nicht, da will ich erst einmal gesund bleiben. Auf meiner Position gibt es auch sehr starke Konkurrenz. Unsere Trainerin meint, dass ich das schaffen kann, aber der Klub ist jetzt erst einmal wichtiger.

Welche Rolle möchten Sie spielen in dieser Saison? Ich bin nicht jemand, der sich gern in den Vordergrund stellt. Wenn meine Rolle die ist, dass ich dafür sorgen soll, dass Nadgornaja zehn Tore werfen kann, ist das in Ordnung. Es macht mir mehr Spaß, den Pass zu geben, als selbst das Tor zu werfen. Ich spiele gerne für andere.

Sind Sie manchmal nicht sogar zu mannschaftsdienlich? Das wurde mir auch schon vorgeworfen.

Welche Rolle kann der BVB spielen? Für einige sind wir ja schon ein Titelkandidat. Aber im Handball spielen sieben Spielerinnen, da reichen eine Nadgornaja, Müller und Woltering allein nicht. Wir haben eine gute Mannschaft, aber man muss sehen, dass wir sechs neue Spielerinnen bekommen haben. Wir können bestimmt sehr erfolgreich werden, aber dieser Prozess braucht Zeit. Wir müssen uns zusammen entwickeln.

Der Zusammenhalt war ein Schlüssel für den Aufstieg. Wenn Sie es mal vergleichen mit Ihren Stationen in Frankreich und Dänemark. Wie anders ist das in Dortmund? Man kann sagen, je weniger professionell gearbeitet wird, desto mehr ist das Team auch eine Mannschaft. Und den Zusammenhalt brauchen wir auch. Ich habe jetzt ja selber erfahren, wie wichtig es ist, dass man sich wohl fühlt.

Hat Ihnen dieser Zusammenhalt in den ganz dunklen Stunden während Ihrer Verletzung geholfen? So viele dunkle Stunden gab es nicht. Ich habe zum Glück einige gute Freundinnen in der Mannschaft, die mich da aufgebaut haben.