
© Andreas Leistner
Selbstbewusster Salha: „Man soll den SV Schermbeck auf dem Zettel haben“
Fussball
Das Sommer-Interview mit Trainer und Vorstand des SV Schermbeck hat schon Tradition. Sleiman Salha und Thorsten Schröder erzählten dabei im ersten Teil auch von sehr emotionalen Momenten.
Die annullierte Saison 20/21 hat auch den SV Schermbeck Kraft und Nerven gekostet. Doch jetzt sind alle Blicke auf die neue Spielzeit gerichtet. Der 2. Vorsitzende Thorsten Schröder und Trainer Sleiman Salha sprechen im großen Sommer-Interview über Neuverpflichtungen und Saisonziele, aber auch über Abschiede.
Hallo Sleiman, hallo Thorsten. Die Liste der Neuzugänge des SV Schermbeck ist in dieser Saison nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ extrem gut besetzt. Hat der SVS Großes vor?
Salha: Wir haben uns bei der Zusammenstellung des Kaders wirklich extrem viel Arbeit gemacht. Aber diese Arbeit hat zu einem guten Teil bereits vor einem Jahr begonnen. Spieler wie Paul Stieber, Rafael Hester, Enes Schick oder Jan Bachmann hatten wir schon 2020 auf unserer Liste. Jetzt hat es halt geklappt.
Und der SVS hat dadurch viel Qualität dazu bekommen ...
Salha: Ja, ganz eindeutig. Und es wäre auch vermessen, zu sagen, wir wollen im Mittelfeld der Oberliga landen. Man soll uns schon auf dem Zettel haben.
Natürlich bergen viele Neuzugänge aber auch ein Problem.
Welches?
Salha: Das Team ist komplett neu strukturiert. Wir müssen einen Teamspirit entwickeln, die Jungs an den SVS gewöhnen. Einige kommen ja aus Clubs, wo sie morgens um 10 trainiert haben.
Wir werden sicher eine Findungsphase durchlaufen. Andere Mannschaften sind da deutlich eingespielter.
Wer sind denn die Gegner, die der SVS auf dem Zettel haben muss, wenn er oben mitspielen will?
Salha: Eintracht Rheine war vergangene Saison unser stärkster Gegner, auch wenn wir da gewonnen haben. Die haben einen tollen Trainer und gute Neuverpflichtungen. Ansonsten rechne ich Gütersloh, Kaan-Marienborn und Siegen zu den Favoriten, also die üblichen Verdächtigen.

Timur Karagülmez (l., mit Schermbecks Sportlichem Leiter Cem Kara) war nur einer von vielen Spektakulären Transfers des SVS. © Privat
Schröder: Von Vorstandsseite möchte ich dazu aber betonen, dass wir Team und Trainer keinerlei Druck machen. Aber es ist auch klar, dass wir bei unserem Kader nicht gegen den Abstieg spielen. Das Ziel heißt oberes Drittel, und nach oben ist der Vorstand bereit, alles mitzugehen.
Sollte es allerdings tatsächlich sportlich klappen, dann würden wir nur hoch gehen, wenn wir nicht 50 Prozent unserer Heimspiele irgendwo anders bestreiten müssten.
Das heißt, der Vorstand hat sich mit einem möglichen Aufstiegs-Szenario bereits beschäftigt?
Schröder: Nein. Ich könnte derzeit nicht sagen, wie die Regionalliga-Auflagen genau aussehen. Einen finanziellen Aufwand wie seinerzeit für die NRW-Liga würden wir auch nicht betreiben. Das war damals ein sechsstelliger Betrag.
Aber ein neuer Rasen ist geplant, und wir wären ein schlechter Vorstand, wenn wir uns mit dem Thema nicht beschäftigten, und das wird rechtzeitig geschehen.
Allerdings immer in Absprache mit dem Trainerstab. Das war auch vergangene Saison so. Wir haben bei uns im Vorstand einigen Fußball-Sachverstand und hören auch immer in die Mannschaft hinein. Das zeichnet uns beim SVS auch aus.
Eines steht aber fest: Wir würden unseren Fans nicht wie etwa der TuS Haltern sagen: Ihr müsst 25 Kilometer zum Heimspiel fahren.
Salha: Dabei ist die Infrastruktur bei uns schon jetzt besser als bei manchem Regionalligisten.
Das soll ja auch bei mancher Vertragsverhandlung eine Rolle gespielt haben ...
Salha: Unbedingt. Rafael Hester etwa war von unserer Anlage wirklich beeindruckt. Aber es geht da auch um mehr, es geht um die Atmosphäre, die beim SV Schermbeck herrscht.
Wie darf man das verstehen?
Salha: Es geht hier schon familiär zu. Wenn du hier mal eine schlechte Phase hast, wirst du nicht gleich rasiert. Als Trainer musste ich mich daran durchaus gewöhnen. In den Gesprächen mit dem Vorstand ging es bei der Kaderplanung nicht nur um Leistung, sondern eben auch um die Bindung zum Verein. Das merken die Spieler auch.
Ein Mike Jordan hat zum Beispiel in diesem Jahr Angebote bekommen, dass ich gesagt habe „Der ist weg“. Aber er ist geblieben.
Schröder: Dabei zeichnet uns wohl auch aus, dass wir noch nie einem Spieler etwas schuldig geblieben sind. Woanders mag mehr geboten werden, aber bei uns können sich die Spieler darauf verlassen, dass sie das, was ausgemacht ist, auch sicher bekommen. Das spricht sich dann irgendwann halt rum.
Trotzdem gab es im Frühjahr auch einige Wechsel, die weh taten ...
Schröder: Oh ja. Dass da ein bisschen Schermbeck verloren gegangen ist, hat nicht nur uns im Vorstand weh getan. Neulich habe ich darüber mit einem unserer ältesten Fans auf dem Rewe-Parkplatz diskutiert. Aber am Ende hat auch er gesagt: Wenn man sieht, wohin die Jungs alle so gegangen sind, nämlich viele in die Bezirksliga, dann könne es mit der Motivation auch nicht mehr so ganz gestimmt haben.
Einen Kilian Niewerth oder einen Raphael Niehoff gehen zu sehen, tat schon weh, aber auf der anderen Seite „wachsen“ uns ja auch Schermbecker nach. Ein Nikolaj Zugzic oder ein Maik Habitz haben das schon aufgesogen. Die sind für mich schon Schermbecker.
Salha: Wie gesagt: Auch ein Mike Jordan als Marler zählt für mich dazu. Oder auch die Jungs aus Gelsenkirchen. Die fahren 15, 20 Minuten zum Training. Und Spieler wie Marek Klimczok oder Evans Ankomah-Kissi, die zehn und mehr Jahre für dasselbe Team spielen – bei welchem anderen Oberligisten gibt‘s so was?
Schröder: Der Abschied von Evans fiel auch besonders schwer. Er war dem Verein ja nicht nur als Spieler, sondern auch als Jugendtrainer sehr verbunden. Als er seine emotionale Abschiedsmail geschickt hat, da war das schon ein Gänsehaut-Moment. Und dann nimmt er das gerahmte Trikot, das Michael Steinrötter für ihn und die anderen vorbereitet hatte, fährt nach Hause und hängt es da gleich an die Wand ... Das ist eben das, was den SV Schermbeck auszeichnet.
Salha: Ich als Trainer muss das natürlich etwas emotionsloser sehen. Ich muss nach sportlichen Gesichtspunkten entscheiden, und dann muss halt irgendwann auch mal ein Schnitt gemacht werden.
Für den Vorstand ist das dann schwieriger. Ich bin ja auch erst zwei Jahre hier. Aber das Familiäre ist für den SV Schermbeck schon charakteristisch.
Sport ist für den Wulfener nicht nur ein wichtiger Bestandteil seines Arbeitslebens. Seit 1993 schreibt er als Mitarbeiter der Dorstener Zeitung über das Sportgeschehen in der Lippestadt, seit 1999 ist er als Redakteur für den Lokalsport in der Lippestadt verantwortlich. Dabei fasziniert ihn besonders die Vielfalt der Dorstener Sportszene, die von Fußball bis Tanzen und von Basketball bis Kitesurfen reicht.
