
© Jochen Börger
Fußball wird zur Nebensache, Mykola Makarchuk bangt - „wie geht es meiner Familie?“
Ukraine-Krise
Mykola Makarchuk (39), Trainer des Fußball-A-Kreisligisten FC 96 Recklinghausen, verließ mit 14 Jahren sein Elternhaus in der Ukraine. Seine Eltern und der Bruder leben immer noch dort. Die Sorge wächst.
Manchmal überschlagen sich die Ereignisse derart, dass die Worte, die gerade noch ausgesprochen wurden, schon wie aus einer anderen Zeit klingen. Wir kontaktieren Mykola Makarchuk, sprechen natürlich über Fußball und – in diesen Tagen eben auch – über die Lage in der Ukraine. „Ich hoffe auf Frieden“, sagt Makarchuk. Nur wenige Stunden später trügt die Hoffnung. Endgültig.
Es sind schwierige Tage für den Mann. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat der Trainer des Fußball-A-Kreisligisten FC 96 Recklinghausen in Deutschland verbracht. „Das ist für mich mehr als nur eine zweite Heimat“, sagt Mykola Makarchuk. Hier wurde er erwachsen, hier lernte er den Beruf des Einzelhandelskaufmanns, hier wurde er vor eineinhalb Jahren Vater einer Tochter.
„Die Ukraine wird immer für mich Heimat bleiben“
Aber Heimat, das ist eben auch die Ukraine – und das wird sie immer bleiben. In seinem Heimatort Kalinovka leben immer noch die Eltern und der Bruder.
Kurz vor unserem Gespräch nimmt Makarchuk – in der vergangenen Woche feierte er seinen 39. Geburtstag – Kontakt mit seiner Familie auf. „Noch ist es ruhig“, berichtet er. Und in seiner Stimme schwingt Hoffnung mit. Um sogleich mit ernster Miene hinzuzufügen: „Das Land ist auseinandergerissen. Das bereitet mir große Sorge.“
Erst Sportinternat, später nach Deutschland
„Was jetzt passiert, das ist einfach nur schlimm“, sagt der Trainer, für den Fußball schon seit der Kindheit Lebensmittelpunkt war und immer noch ist. Gerade einmal 14 Jahre ist er alt, als er sich entschließt, seinem kleinen Dorf den Rücken zu kehren und in einem Sportinternat in Lwiw ganz auf die Karte zu setzen, im Idealfall Profi-Fußballer zu werden. Dass vor allem die Mutter damals ob dieser Pläne alles andere als amüsiert ist, liegt auf der Hand. „Aber ich wollte meinen eigenen Weg gehen“, erzählt Makarchuk. Und der führte ihn weiter gen Westen.

Mykola Makarchuk will mit dem FC 96 Recklinghausen in die Bezirksliga aufsteigen. © Olaf Krimpmann
Der BVB wird schnell auf ihn aufmerksam
Zwei Jahre vergehen, da nimmt er an einem internationalen Jugendturnier in Österreich teil. Dass er großes Talent hat, bleibt auch der großen Schar von Scouts nicht verborgen. Borussia Dortmund wird auf ihn aufmerksam. Er lernt die Nachwuchsarbeit eines Bundesligisten kennen – und weiß: Ich muss mich durchsetzen in einer vollkommen neuen Welt: fremde Sprache, fremdes Land. „Aber das hat mich geprägt.“
Und er setzt sich durch: Lernt schnell Deutsch, macht auch sportlich auf sich aufmerksam, wenngleich die ganz große Profi-Karriere letztlich verwehrt bleibt. SW Essen folgt in der Jugend, dann ein Zwischenspiel in Recklinghausen bei Preußen Hochlarmark. Adler Osterfeld und Westfalia Herne folgen bei den Senioren – zwei seiner Herzensvereine, wie er in der Rückschau bekennt. Seine weiteren Stationen gleichen ein bisschen dem Who is Who des Amateurfußballs im Vest: SV Schermbeck, VfB Hüls, Spvgg. Erkenschwick.
Kreisliga-Spiel am Sonntag gerät zur Nebensache
Geht es nach ihm, dann darf das als Trainer gern so weitergehen. Die Ambitionen beim FC 96 Recklinghausen, aktueller Tabellenzweiter der Kreisliga A2, sind groß – die von Makarchuk ebenfalls. Die A-Lizenz strebt er an. Mittelfristig.
In diesen Tagen sind aber gerade bei ihm andere Themen im Fokus. Und da ist ein Fußballspiel am kommenden Sonntag im Stadion Hohenhorst gegen RW Erkenschwick nun wirklich nebensächlich…
Fußball-Fan, “auf Kohle” geboren, mit Herz für Bergbau-Geschichte und kleine Sportvereine, in denen vielfach Großes entsteht. Wenn nicht auf dem Platz zu finden, dann mit dem E-Bike zwischen Münsterland und Sauerland.