Die U17 des SSV Rhade spielt in der Regionalliga West eine grandiose Saison. Mit drei Punkten und drei Spielen Rückstand auf den Tabellenführer steht der SSV auf Platz zwei.
Sie haben den Bundesliga-Aufstieg vor Augen, der größte Erfolg der Vereinsgeschichte ist zum Greifen nah. Und dann kommt das Coronavirus und legt ganz Deutschland still. Die Reaktion der U17 des SSV Rhade auf die Entscheidung, die Saison erst einmal auszusetzen, „war ein kleiner Zusammenbruch der Mannschaft“, sagt Trainer Mike Lerche. Der ganze Verein versteht die Welt nicht mehr – und erinnert sich an eine Situation vor sieben Jahren.
„Grundsätzlich gilt: Ärgern über die derzeitige Situation wäre der falsche Ausdruck“, sagt Dieter Müssner, Obmann der Fußballerinnen des SSV Rhade. „Wir haben so viel Mühe und so viel Arbeit in diese Saison gelegt“, klagt dagegen U17-Trainer Mike Lerche.
Lerches Mannschaft absolvierte bis dato 14 Spiele. Elf davon gewann sie, lediglich zwei verlor sie. Der Lohn für die starke Saison ist gegenwärtig der zweite Tabellenplatz in der Regionalliga West mit drei Punkten Rückstand auf Platz eins. Jetzt kommt allerdings das Aber: Der Tabellenführer, die U16 des 1. FC Köln, hat stand jetzt drei Spiele mehr ausgetragen. Würde Rhade aus den drei Spielen weniger nur vier Punkte holen, so wäre Rhade bei gleicher Anzahl Spiele der Spitzenreiter.
Die Meisterschaft in der Regionalliga West würde für den SSV den größten Erfolg der Vereinsgeschichte bedeuten. Die Rhaderinnen würden dann nämlich in die U17-Bundesliga aufsteigen. „Die Mädels tun mir total leid“, sagt Trainer Lerche. Er selber „könnte kotzen“ aufgrund der Situation.
Der Coronavirus hat den Spielbetrieb vorläufig lahm gelegt. Wann und ob überhaupt die Saison noch einmal aufgenommen wird, ist offen. Ebenso offen ist die Frage, wie es im Fall der Fälle, dass die Saison ganz abgebrochen wird, weitergeht. Rhades Obmann Müssner sieht fünf mögliche Szenarien. Nicht alle würden für den SSV positiv verlaufen.
Die fünf möglichen Szenarien
Das Szenario eins ist das gerechteste Szenario – aber auch das, das am schwierigsten zu bewerkstelligen wäre: „Die Saison wird zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende gespielt“, sagt Müssner. Dann würden Auf- und Absteiger fair ermittelt. Müssner gehe selber allerdings nicht davon aus, dass die Saison zu Ende gespielt wird.
Das zweite Szenario ist ebenfalls gerechter als Szenario drei und vier. Allerdings wäre das so gar nicht im Sinne der Rhaderinnen. „Das zweite Szenario ist für mich, dass alle Spiele auf null gesetzt werden und das Spieljahr keine Wertung bekommt“, so Müssner.

Rhades Kapitänin Frauke Maria von der Aßen und der SSV können nicht viel mehr tun, als abzuwarten. © Joachim Lücke
In Müssners drittem Szenario, seinem bevorzugten, würden alle geholten Punkte durch die Anzahl absolvierter Spiele geteilt werden. Der SSV stünde dann mit 2,43 Punkten im Schnitt vor dem derzeitigen Tabellendritten Arminia Bielefeld (2,27 Punkte) und dem 1. FC Köln U16 (2,18 Punkte). Der Nachteil dieses Szenarios ist allerdings, dass es dann Mannschaften gibt, die gegen bestimmte Teams bereits ein zweites Mal gespielt haben, während andere gegen andere Teams ein zweites Mal oder noch gar nicht angetreten sind. Gerecht wäre was anderes.
Um dieser Kritik aus dem Weg zu gehen, könnte es zu einem vierten Szenario kommen: Dass die Tabelle nach Abschluss der Hinrunde gewertet wird. Dann wäre jeder gegen jeden einmal angetreten. Mit 25 Punkten stünde Rhade dann allerdings auf Platz zwei hinter Arminia Bielefeld mit 27 Punkten.
Tragische Situation weckt Erinnerungen
Die Tragik der Situation ist zusätzlich, dass Rhade im Normalfall auch als Zweiter aufsteigen würde, sollte Köln Meister werden, weil die derzeitige Tabelle – wie in Müssners fünftem Szenario – gewertet wird. In der Bundesliga darf nur eine Mannschaft eines Vereins auflaufen. Dort spielt bereits die U17 des 1. FC Köln. Doch nun ist es so: Die U17 der Kölnerinnen steht auf einem Abstiegsplatz, somit könnte die U16 doch aufsteigen.
Das wäre ein Szenario, dass der SSV bereits einmal am eigenen Leibe miterleben musste. Das war vor sieben Jahren, in der Saison 2012/2013. Damals hatte der SSV zwei Punkte Rückstand auf den Meister, die U16 von Borussia Mönchengladbach. Doch weil gleichzeitig die U17 aus der Bundesliga abstieg, war auch dieser mögliche Aufstieg Geschichte.
Das Szenario beeinflussen können sie in Rhade aber nicht. „Uns bleibt nur die Möglichkeit, zu warten“, sagt Müssner. Er weiß aber auch, „dass es nicht für alle Gerechtigkeit geben wird.“ Deswegen werden sie in Rhade „die Entscheidung so tragen, wie sie kommt.“ Wichtig sei nur eins: „Dass wir alle gesund bleiben.“
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