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Vielfacher Weltmeister Malte Jakschik ist mit sich im Reinen und beendet Karriere
Rudern
Ein Wettbewerb noch an diesem Wochenende, dann ist Schluss: Ruder-Ass Malte Jakschik vom RV Rauxel beendet seine Karriere im Deutschland-Achter. In dem hatte er seit 2014 seinen festen Platz.
Europameisterschaften, Weltmeistertitel und Weltcupsiege hat der Dattelner Malte Jakschik (RV Rauxel) dabei genau so gefeiert wie die beiden olympischen Silbermedaillen, die er 2016 bei den Spielen in Rio de Janeiro und 2021 in Tokio gewann. Wird es nach solch einer langen wie erfolgreichen Zeit ein wehmütiger Abschied werden?
Das ist eher nicht zu vermuten: „Ich bin mit dieser Entscheidung sehr im Reinen“, sagt er bei einem Kaffee, den er unweit seiner Wahlheimat im angesagten Dortmunder Kreuzviertel genießt. In der Tat: Jakschik wirkt, wie eigentlich immer in den gut zehn Jahren, die er im Leistungssport verbracht hat, sehr aufgeräumt. Dass er am Sonntag nach dem SH-Cup in Rendsburg, der stets am Ende der Rudersaison steht, vielleicht eine Träne wegdrücken wird, mag sein.
Jetzt will er promovieren, der Ruhr-Uni bleibt er treu
Aber genug ist genug. Längst warten neue Herausforderungen auf den 1,94 Meter großen Athleten. Während seiner sportlichen Laufbahn hat Malte Jakschik erfolgreich seinen Master-Abschluss im Fach Maschinenbau erlangt. Jetzt geht es mit 28 Jahren in den Beruf. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter will er an der Ruhr-Uni Bochum in Zukunft eine Promotion anstreben.
„Während des Studiums ist man noch flexibel“, sagt er. „Aber Leistungssport und Arbeit – das funktioniert nicht.“ Dazu hat sich seit eineinhalb Jahren die private Situation entscheidend geändert: Sohn Emil braucht jetzt die Aufmerksamkeit auch des Papas. Ihn über Wochen nicht gesehen zu haben in der langen Olympiavorbereitung auf Tokio, habe schon geschmerzt, sagt Jakschik. Es scheint, als sollte der Dattelner wirklich loslassen können von seinem Sport, der sein halbes Leben bestimmte. Im Rudern wird stets in Vierjahres-Zyklen gedacht.
Es geht um Kraft, Ausdauer und Harmonie im Boot
Rudern ist ein Sport, der Fleiß, Talent und Disziplin erfordert wie wenige andere Sportarten. Außenstehende empfinden das Training, das sich in der Regel zwischen Kraftraum, Ergometer und dem Wasser abspielt, als monoton. Dabei, so sagt es Malte Jakschik, sei Rudern ein sehr komplexer Sport: „Es geht um Kraft und um Ausdauer. Beides zu kombinieren, dann auch noch in einem großen Boot, das ist die Herausforderung.“
Aber selbst Jakschik hat davon genug. Das letzte Jahr sei sehr anstrengend gewesen, vielleicht anstrengender als alle zuvor. Nach der pandemiebedingten Verlegung der Olympischen Spiele um ein Jahr habe sich zunächst ein großer Frust eingestellt, berichtet der für den RV Rauxel startende Athlet. Mit seinem Zweierpartner Richard Schmidt habe er im letzten Sommer viel gesprochen. „Sollen wir noch ein Jahr dranhängen, sollen wir uns die Strapazen noch ein weiteres Jahr antun?“, hätten sie sich gefragt. Und gemeinsam entschieden, dass sie es machen: „Das ist die letzte Runde“, hätten sie sich geschworen.
Schmidt/Jakschik hatten in den vergangenen Jahren mehrfach die nationalen Entscheide im Zweier gewonnen. Die deutschen Kleinbootmeisterschaften gelten als wichtigste Formüberprüfung im Frühjahr. Direkt im Anschluss besetzen die Bundestrainer die einzelnen Bootsklassen.

Malte Jakschik trainierte sogar auf einem Parkplatz vor seiner Wohnung auf einem Ergometer. © picture alliance/dpa
Die Silbermedaille ist ein perfekter Abschluss
Die olympische Silbermedaille von Tokio ist der verdiente Lohn, auch wenn der Deutschlandachter im Vorfeld auf Gold spekuliert hatte. „Du musst auf Sieg fahren, anders darfst du nicht in ein Finale gehen“, erklärt der Athlet. Dass die Neuseeländer, die sich in den vergangenen zwei Jahren auf internationaler Bühne rar gemacht hatten, im Finale von Tokio dann den Hauch besser waren, damit kann Jakschik leben. Mehr sei an diesem Tage eben nicht drin gewesen, und die Wettbewerbe von Tokio hätten gezeigt, dass einige Nationen über dem Zenit waren.
„So viele Krebse wie da habe ich nie gesehen bei einem internationalen Wettbewerb“, sagt er. Mit einem Krebs bezeichnet der Ruderer, wenn die Blätter nicht rechtzeitig aus dem Wasser getaucht werden. Die Folge ist ein deutlicher Verlust an Geschwindigkeit. Was eben nur zeigt, wie unvorhersehbar vieles gewesen sei.
Keine Erfahrungswerte in einem Fünfjahres-Zyklus
Im Sommer 2020 wären alle auf den Leistungshöhepunkt gewesen. Es war Jahr vier des olympischen Zyklus’, der Deutschlandachter war bei Weltmeisterschaften ungeschlagen durch den Zyklus gekommen. Nur: „Einen Fünfjahres-Zyklus hatte es vorher noch nie gegeben, da gab es keine Erfahrungswerte, nichts“, sagt er.
Einen herben Schuss vor den Bug hatte es bereits bei der Europameisterschaft 2021 gegeben, als nach acht Titeln in Serie nur Platz fünf in der Ergebnisliste stand. Und doch biss sich die Crew durch, ließ im olympischen Finale wieder Nationen klar hinter sich, denen sie bei der EM unterlegen war.
Was er nicht vermissen wird in seinem neuen Leben als Arbeitnehmer und Familienvater? Malte Jakschik schmunzelt: „Immer essen zu müssen.“ Leistungssportler wie Ruderer verbrennen 5.000 bis 6.000 Kalorien am Tag, die müssen zugeführt werden. Abends noch Kohlenhydrate in sich reinstopfen, um den folgenden Trainingsvormittag durchzustehen, müsse er jetzt nicht mehr, sagt er und lacht.
Nach dem Kaffee während des Gesprächs bestellt sich Malte Jakschik erst einmal einen Imbiss: einen Bagel mit Lachs. Der darf als Sportlernahrung durchgehen, auch wenn der Dattelner kurz davor steht, seinen Dienst im Achter zu quittieren und nicht mehr „immer essen zu müssen“.
Sport ist Mord? Vielleicht. Garantiert ist Sport gesellig, spannend und spaßig - und damit berichtenswert. Wenn nicht gerade die Halbzeitwurst mit Senf lockt, geht’s vorzugsweise in Laufschuhen an die eigenen überzähligen Kalorien. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg - wie der Sport eben so ist.
